Identitäre und die AfD
Überschneidungen von Akteuren der „Identitären Bewegung“ (IB) und der AfD waren in verschiedenen Publikationen schon Thema. Wie die IB sich die Zusammenarbeit mit der AfD vorstellt, verdeutlicht auch die interne Kommunikation.
„Konspirative Schnittstellen“?
Mit inszenierten Propagandaaktionen gegen „Masseneinwanderung“ und „Islamisierung“ schaffte es die rechte „Identitäre Bewegung“ (IB) sich mehrfach in die Schlagzeilen zu bringen. Die „Identitäre Bewegung“ ist ursprünglich in Frankreich entstanden und seit 2012 auch in Österreich etabliert worden.1 . In Deutschland begannen im selben Jahr die ersten virtuellen Aktivitäten, welchen nach und nach vereinzelte Aktionen auf der Straße folgten. Im Mai 2014 entstand ein offizieller Verein in Paderborn unter Vorsitz von Nils Altmieks und John David Haase. Im Oktober 2016 folgte der IB-nahe Verein „Heimwärts e.V.“ um Daniel Fiß, Hannes Krünägel und Daniel Sebbin in Rostock. Von einer tatsächlichen „Bewegung“ ist die kleine Struktur aus wenigen mobilen Reisekadern und rund 200 Anhängern noch weit entfernt, doch sie dient als eine Schnittstelle zwischen früheren Neonazi-Aktivisten und der AfD.
Im IB-internen Dokument „Erste Schritte“ wird als Ziel definiert: „Wir wollen Patriotismus wieder zum anerkannten Wert machen und die Hegemonie der Mulitkulti-Ideologen brechen! (...) Die Multikultis sind also die Hauptgegner des identitären Minimums und Ziels.“ Das dürften auch viele AfD-PolitikerInnen als eines ihrer Ziele ansehen. Doch in der Rubrik „Keine Inhalte der identitären Infoarbeit“ wird in dem Dokument auch „Jeder direkte Bezug zu Parteien“ genannt. Die Begründung basiert auf der IB-typischen Selbstüberschätzung: „Wir geben den Weg vor und wir sind das geistige Zentrum der patriotischen Zusammenhänge (...) und wir schaffen die Protest-Zivilgesellschaft in der Front der Patrioten“. Allianzen sind demnach erst „später prinzipiell möglich (...) nachdem die IBD, souverän, profiliert und handlungsfähig ist“.
Auch wenn der „direkte Bezug“ zur AfD selten nach Außen getragen wird — Mitglieder und Aktivisten der IB fanden und finden ihren Weg in die Reihen der AfD. In der geschlossenen Facebook-Gruppe „Identitäre — gemeinsam geht mehr!“ warb Anfang Februar 2014 der damalige deutsche IB-Anführer Nils Altmieks aus Altenbeken zum kurzfristigen Eintritt in die Jugendorganisation der AfD in NRW: „Ich möchte hier sicher nicht die Werbetrommel für die AfD rühren (habe selbst keine all zu hohe Meinung davon) aber sind die Mitglieder der Jungen Alternative Paderborn in ihren Ansichten wirklich äußerst identitär und wir haben die Möglichkeit einen neuen JA-Vorstand für NRW zu wählen aus eben diesen Leuten, um so Einfluss auf die JA zu nehmen und potentielle IBler zu gewinnen.“ Ein IB-Aktivist antwortete zustimmend: „Ich bin Mitglied der AfD (...) Die AfD zu unterwandern halte ich für sinnvoller als irgend eine Sozialistische Partei.“
Im September 2014 bewarb der Leipziger IB-Aktivist und Burschenschaftler Felix Koschkar einen Presseauftritt von ihm mit den Worten "So, einen kleinen Beitrag für die IB geleistet."2 Dass er zeitweilig auch im Vorstand der „Jungen Alternative“3 und der AfD-nahen „Patriotischen Plattform“ (PP) mitgewirkt hatte war in den IB-Kreisen kein Geheimnis. Offenbar wollte er noch weitere IB-Aktive einbinden: „Wenn jemand von euch zur AfD will, dann ist die PP euer Ansprechpartner. Sprecher der PP ist der habilitierende Islamwissenschaftler Tillschneider — überzeugter Leipziger Identitärer.“ Hiermit dürfte der PP-Sprecher Dr. Hans-Thomas Tillschneider aus Leipzig gemeint gewesen sein, der mittlerweile für die AfD als Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzt.
Die „identitäre“ Selbstverortung („AfD als identitäre Kraft“) von dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke wurde im September 2014 in IB-Strukturen wohlwollend diskutiert. „Klasse Typ dieser Björn Höcke — scheint ein guter Mann zu sein. Dort wo sich in der AfD gute Kräfte in die richtige Richtung entwickeln, sollten diese von uns unterstützt werden“ forderte ein IB-Aktivist und Burschenschaftler aus Halle. Ein anderer IB-Aktivist bestätigte im Mai 2015: „Absolut notwendig, dass unsere Kreise Björn Höcke und das dahinterstehende Netzwerk unterstützen.“ Es oblag dem IB-Funktionär Daniel Fiß aus Rostock den elitären IB Habitus einzufordern: „Ja dann aber diese Leute in die IB ziehen, anstatt sich der Illusion hinzugeben, dass man innerhalb der AfD etwas ändern könnte.“ Auf die Forderung des Hallenser IB-Aktivisten, die AfD zu „unterwandern“ und zu „radikalisieren“ stellte Fiß klar: „Sicherlich darf es konspirative Schnittstellen geben, aber die AfD selbst, ist eben KEINE identitäre Partei.“
In der IB-Kommunikation fallen immer wieder Namen früher Aktivisten, die nun in der AfD oder ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) gelandet seien. Der heutige Landtagsabgeordnete Stefan Räpple (Baden Württemberg) sei demnach „kurzzeitig bei der IB“ gewesen. Zu einem früheren Rheinländer IB-Aktivisten aus dem Umfeld der rechten Hooligan-Szene heißt es im Mai 2016 lapidar von einem IB-Aktivisten aus dem Saarland: „Nik ist in der JA aufgegangen und kein Ansprechpartner mehr für IB Interessierte.“ Einige AfD-Politiker werden auffällig postiv erwähnt. Zum AfD-Landtagsabgeordneten Marcus Spiegelberg (Sachsen-Anhalt) war von einem Aktivisten aus der Identitären Bewegung Westfalen im Mai 2016 zu lesen, er sei „einer unserer Leute im Landtag von Sachsen-Anhalt“. In einigen Fällen sollen sich auch AfD-Mitglieder „ganz klar mit der IB solidarisiert“ haben. So berichtete der IB-Vertreter Sebastian Zeilinger im März 2016, dass IB-Aktivisten auf einer Kundgebung der AfD in Geretsried (Bayern) vom Vorsitzenden des AfD-Landesverbandes Bayern, Petr Bystron, in einer Rede „ausdrücklich als Identitäre Bewegung willkommen“ geheißen worden seien.
Innerhalb der IB-Facebook-Gruppe gab es jedoch auch ablehnende Haltungen zur AfD und ihrer Jugendorganisation. So erklärte ein IB-Anhänger die AfD zur „Trojanischen Mogelpackung“, ein anderer pöbelte „AFD ist eh kacke. Lobby Partei“ Der frühere NPD-Kandidat und heutige IB-Aktivist Kevin Schulhauser aus Thüringen4 äußerte: „Die JA selbst ist ohnehin irrelevant. Entweder besteht die JA zum Großteil aus Identitären (bspw. Baden-Württemberg) oder die JA ist eine unbedeutende Kleinstgruppe (bspw. Thüringen).“
Innerhalb der AfD-Führung und Basis gab es auch immer wieder Statements und Beschlüsse gegen die IB. So hieß es im Sommer 2016 in dem AfD-Papier „Ruf der Vernunft aus Sachsen-Anhalt“: „Wir wollen keine enge Zusammenarbeit mit Gruppen, die sich selbst noch nicht gefunden haben. Die Identitäre Bewegung ist solch eine Gruppierung. (...) Daher sollten wir uns davor hüten, die Tür aufzustoßen ohne einen kritischen Blick auf die Akteure zu bewahren.“
Die Sorgen der AfD-VertreterInnen erscheinen nicht ganz unberechtigt, immerhin offenbarte ein IB-Aktivist im Juli 2016 in der IB-Facebookgruppe: „Ist ja kein Geheimnis, dass viele Leute bei uns eine NW-VERGANGENHEIT haben. Daraus haben wir doch nie einen Hehl gemacht.“ Die Abkürzung NW steht für die Selbstbezeichnung der Neonazi-Szene als „Nationaler Widerstand“.
Verärgert war man in IB-Kreisen jedoch als dann die AfD-Jugend im Juli 2016 einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der IB forcierte. Zum JA-Bundesvorsitzenden Markus Frohnmeier berichtete der IB-Funktionär Daniel Fiß: „Jener Frohnmaier der übrigens früher mit IBlern auch mal gerne einen getrunken und 'Heimat-Freiheit-Tradition' dabei angestimmt hat. Aber da gibt es so manche Pfeifen, die auf einmal auf den Abgrenzungszug zur IB aufspringen und sich vorher noch die Lambda Fahne im Zimmer aufgehangen haben.“ Die Resolution vom JA-Bundesparteitag 2016 erklärte von den Verstimmungen ungerührt: „Funktionären der Identitären Bewegung Deutschland steht eine Mitgliedschaft in der Jungen Alternative für Deutschland nicht offen.“ Frühere Aktivitäten oder Mitgliedschaften in den Strukturen der IB werden hierbei nicht explizit problematisiert.
Auch die Praxis zeigt, dass diese Abgrenzungsbemühungen offenbar eher ein Art Lippenbekenntnis sind. Auf der im Juni 2016 in Berlin durchgeführten Demonstration der IB war annähernd der halbe Landesvorstand der „Jungen Alternative“ vertreten. Deren Schatzmeister und AfD-Kandidat für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, Jannik Brämer, betätigte sich als Ordner. Brämer zeichnete in der Vergangenheit auch für die Homepage der "Identären Bewegung" in Deutschland verantwortlich. Wenn eine (frühere) IB-Zugehörigkeit in der AfD-Jugend kein ernsthaftes Problem darstellt und gleichzeitig innerhalb der IB eine frühere Zugehörigkeit zur Neonazi-Szene Normalität ist, dann stellt die IB eine Art Zwischenstation und Schnittstelle zwischen Neonazi-Szene und AfD-Kreisen dar. Ein IB-Vertreter fasste den IB-Umgang mit der Abgrenzung seitens der JA mit den Worten zusammen: "Evtl ist es objektiv betrachtet nicht die dümmste Entscheidung — politisch gesehen. Das tut einer effektiven Verfolgung gleicher Ziele keinen Abbruch."
- 1Vgl. AIB 110 und AIB 113
- 2Felix Koschkar trat in der IB-Kommunikation mit dem Synonym „Felix Kar“ auf.
- 3Vgl. ZEIT-online: „Junge Alternative: Der rechte Nachwuchs“ von Josa Mania-Schlegel, 29. Januar 2015
- 4Vgl. thueringenrechtsaussen: „Falsches Haus besetzt — 'Identitäre Bewegung Thüringen' floppt in Schlotheim“, 15.Oktober 2015.