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Interview mit Uwe Adamczyk zu Antifaschismus in der PDS

Einleitung

Interview mit Uwe Adamczyk (PDS-Landtagsabgeordneter in Sachsen).

Bild: DIE LINKE, CC BY-SA 2.0, flickr.com

AIB: Im März diesen Jahres hat die sächsische PDS ein Papier unter der Überschrift »Konzeption: PDS und Antifaschismus« veröffentlicht. Das Papier ist parteiintern umstritten und für unabhängige AntifaschistInnen ein Schlag ins Gesicht. Da unabhängige AntifaschistInnen auf unterschiedlichen Ebenen mit der PDS zusammenarbeiten, hält das AIB eine Auseinandersetzung darüber für dringend notwendig. Gehen wir das Papier doch einmal im Einzelnen durch.

Unter Punkt 1.3 heißt es: »In den einzelnen Politikbereichen findet die Diskussion um die Positionen anderer Parteien und gesellschaftlicher Kräfte statt - dies muß auch für Positionen gelten, die noch rechts neben der CDU/CSU stehen.« Da stellt sich doch die Frage, ob die PDS demnächst ähnliche Debatten führen will wie beispielsweise das "Neue Deutschland", das zu der Frage »Die Linke und die Nation« einen Beitrag des "nationalrevolutionären" Autors Roland Wehl ("wir selbst" und "Junge Freiheit") veröffentlicht hat.

Adamczyk: Zunächst einmal: Mir gefällt das ganze Papier nicht. Und zu Euer Frage: Hier kann ich nur für mich persönlich sprechen. Ich bin sehr wohl dafür, daß man inhaltliche Debatten führt, auch zu Standpunkten der Rechten. Aber ich diskutiere in der Öffentlichkeit und in Podiumsveranstaltungen nicht mit rechten Vertretern. Zweitens bin ich nicht bereit, in der Öffentlichkeit über rechte Parolen wie »Arbeitsplätze zuerst für Deutsche« zu diskutieren. Ich halte es für gefährlich, sich auf diese rechten Parolen einzulassen und sie öffentlich zu diskutieren. Mit solchen Diskussionen werden Rechte erst hoffähig gemacht. Die PDS hat genügend linke Ansätze, die ich für diskussionswürdiger halte. Ich weiß sehr wohl, daß sich die Rechte und insbesondere die NPD in Sachsen mit sozialen Themen beschäftigt und ihre Parolen publikumswirksam verkauft. Das muß man analysieren. Man muß den Leuten vorführen, wo das hingeht. Diese inhaltliche Auseinandersetzung fehlt momentan bei uns. Die Grundkenntnisse innerhalb der PDS über rechte Organisationen und ihre Argumentation sind ausgesprochen mager.

AIB: Was tut sich innerhalb der PDS, damit diese Lücke gefüllt wird?

Adamczyk: Aus meiner Sicht wird zu wenig getan, um wirklich innerhalb der eigenen Basis aufzuklären. Und ich glaube auch nicht, daß man diese Diskussion nur auf bestimmte Persönlichkeiten und Parteigremien abschieben darf. Mit dem Politikfeld »Antifaschistische Politik« verbindet sich vor allem innerhalb der PDS-Basis zunächst die Auseinandersetzung auf bestimmten Ebenen, wie beispielsweise Demonstrationen gegen rechtsextreme Veranstaltungen. Die einen sagen dann, daß man das so nicht mitträgt, die anderen sind natürlich dafür. Demonstrationen sind aber für mich nur ein kleiner Bereich antifaschistischer Politik. Und andererseits gibt es auch positive Ansätze, wo die PDS auch an der Basis bemüht ist, antifaschistische Politik zu betreiben - ich erinnere an die "Bündnisse gegen Rechts", wo versucht wird, sich einzubringen und Probleme auszudiskutieren.

AIB: Zum Stichwort Bündnisse steht unter dem Punkt 2.3 des Papiers wörtlich: »Der gesellschaftliche Widerstand gegen rechtsextreme Aktivitäten ist kaum spürbar. Dies hat auch eine Ursache in den Aktivitäten der autonomen Antifa. [...] Der ständige Druck auf rechte Kleingruppen hat diese nicht zerschlagen, sondern zusammengeführt und gefestigt. In der Öffentlichkeit wird rechtsextremen Gruppen so die Möglichkeit gegeben, die Opferrolle zu übernehmen.« Zum Schluß heißt es dann, daß eine Zusammenarbeit der PDS mit der autonomen Antifa nicht möglich sei.

Adamczyk: (lacht) Unter anderem habe ich mir das angekreuzt und druntergeschrieben: »Scheiße!«

AIB: Kannst Du das näher erklären?

Adamczyk: Die maßgebliche Verfasserin dieses Papiers aus dem sächsischen PDS-Landesvorstand hat ganz einfach den Inhalt antifaschistischer Politik verfehlt, indem sie bestimmte Gruppen präventiv ausgrenzt. Ich rede und arbeite mit jedem, der ehrlich bemüht ist, etwas gegen rechts zu unternehmen und gehe zunächst nicht danach, welcher Gruppierung jemand angehört. Nach der Definition des sächsischen Innenministeriums existiert die autonome Antifa vor allem in Leipzig, und dann werden die Göttinger und Berliner Antifas als Beispiele angeführt. Das Innenministerium versucht immer, die Leipziger Antifa in die kriminelle Ecke zu stellen, und das Papier übernimmt de facto diese Position. Ich arbeite jedenfalls hervorragend mit der autonomen Antifa zusammen und werde das weiterhin tun, unabhängig davon, ob einige Genossen oder Sympathisanten denken, daß man mit denen nicht zusammenarbeiten kann.

AIB: Eine "Analyse", die das Papier dafür liefert, daß so viele Leute den rechten Parolen nachhängen, lautet: »Grund dafür ist das manipulierte Aufgreifen der Ängste der Bevölkerung wie Arbeitslosigkeit und Einführung des Euro

Adamczyk: Das würde ich nicht als Analyse bezeichnen, und es begründet meiner Ansicht nach auch nicht den starken Zuspruch für rechte Parteien.

AIB: Aber im Wahlkampf hat die PDS die Arbeitsplatzfrage sehr in den Vordergrund gestellt. Geht das nicht am Kern der Ursachen vorbei, warum die Leute den Neonazis hinterherlaufen? Wenn man die rechte Argumentation nur ein bißchen umdreht oder abschwächt, muß man sich doch nicht wundern, daß viele WählerInnen mit der Erststimme PDS und mit der Zweitstimme DVU oder andere ultra-rechte Parteien wählen. Das müßte die PDS ja eigentlich zum Nachdenken bringen. Was tut die PDS denn in der Öffentlichkeit und gegenüber der Basis für eine klare Abgrenzung zu rechten Positionen?

Adamczyk: Es stimmt, daß Arbeit für die PDS in diesem Wahlkampf zum Hauptkampffeld geworden ist - wie für alle anderen Parteien ja übrigens auch. Was wir vielleicht nicht immer richtig geschafft haben, ist, die Unterschiede deutlich zu machen, was die PDS unter Arbeit und Verteilung versteht, und was andere Parteien darunter verstehen. Ich stehe aber dazu, daß wir Arbeit zu einer der wichtigsten Grundfragen gemacht haben. Schließlich ist Arbeit die Voraussetzung dafür, um in dieser heutigen Gesellschaft seinen Erwerb zu sichern. Ansonsten bekommst Du keinen Lohn, der ja die Anerkennung der Leistung der Arbeit sein soll. Daß dieses heute bei weitem nicht ausreicht, daß trotz Arbeit viele auf Sozialhilfe angewiesen sind, hat andere Ursachen. Ich vertrete auch nicht die Position »Arbeit unter allen Umständen«. Arbeit muß wenigstens soviel einbringen, daß damit mein Lebensunterhalt gesichert ist. Wenn ich die ganzen Billigjobs ansehe, tut sie das nicht. Es ist ungeheuer schwer, Menschen die ökonomischen Zusammenhänge begreiflich zu machen. Wir müssen dahin zurück, daß über Widerstand nicht nur geredet wird, sondern auch aktiv Widerstand geleistet wird. Aber das muß in erster Linie von den Betroffenen kommen.

AIB: Die PDS hat ja einen ziemlich hohen WählerInnen-Anteil in sogenannten »sozialen Brennpunkten« wie Berlin-Lichtenberg oder Berlin-Marzahn, in Magdeburg in Neu Olvenstedt oder in Rostock-Lichtenhagen. Bei Umfragen wird immer wieder deutlich, daß die Leute zwar einerseits PDS wählen, aber andererseits auch deutlich rechte und rassistische Grundeinstellungen haben. Versucht die PDS überhaupt ihre Positionen beispielsweise in der Flüchtlingspolitik unter die Leute zu bringen? Also antirassistische Aufklärungsarbeit zu machen? Oder traut man sich an das Thema bei der eigenen Basis und den eigenen WählerInnen nicht ran, aus Angst Stimmen zu verlieren?

Adamczyk: Ich denke, ein nicht geringer Teil der PDS-Basis denkt und handelt wie Otto Normalverbraucher. Leider gibt es auch innerhalb unserer Basis rassistische Vorurteile und Einstellungen. Vieles wird auch nicht ausgesprochen, aber gedacht. Das ist eigentlich das Traurige: Daß es offenbar der PDS nicht gelungen ist, das, was engagierte Leute an Konzepten entwickelt haben, tatsächlich auch bis runter an die Basis zu vermitteln. Es ist uns einfach nicht gelungen, diese Programme wirklich überzeugend an der eigenen Basis zu vertreten - nicht nur im Bereich antifaschistischer Politik. Wir müssen uns in der nächsten Zeit wieder intensiver damit beschäftigen, was unsere Visionen sind und was eigentlich unser tatsächlicher Stand ist. Der Ist-Zustand hängt weit hinter unseren Visionen her.

AIB: In dem Papier steht auch der Satz: »Die PDS versteht sich als konsequent antifaschistische Partei.« Demgegenüber steht in bestimmten Regionen wie im Muldentalkreis/Wurzen, Hoyerswerda oder der Lausitz die Tatsache, daß das Problem von PDS-VertreterInnen ignoriert oder heruntergespielt wird. Alternative Jugendliche und Antifas, die mit dem Thema an die PDS herantreten bzw. die Situation öffentlich machen, werden als "Nestbeschmutzer" angesehen. Lokalpatriotismus ist in der PDS oftmals wesentlich stärker ausgeprägt als der Wille, gegen rechts vorzugehen.

Adamczyk: Ja, das ist ganz deutlich so. Man müßte diesen Bereich viel stärker thematisieren. Andere in der PDS sagen dagegen: »Ihr popularisiert diese Rechten erst, Ihr macht sie durch antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit hoffähig«. Ich halte dem entgegen: Wenn ich wirklich was gegen rechts machen will, muß ich zunächst aufklären - auch über Ziele und Strategien der Rechten. Und ich muß auch versuchen, daß die PDS-Basis selber herausfindet, wo die Unterschiede zu unseren Ansätzen sind. Es kann nicht angehen, daß auf öffentlichen Veranstaltungen - wie dieses Jahr im Erzgebirge zum 1. Mai - ein Vertreter der NPD für seine Rede beklatscht wird, unter anderem auch von Mitgliedern der PDS. Als danach einige von ihnen befragt wurden, warum sie geklatscht haben, lautete die Antwort: »Das war doch 'ne gute Rede. Genau das wollen wir auch!« Ein weiteres Beispiel: Wir haben uns im Bundestagswahlkampf bedauerlicherweise oftmals dazu hinreißen lassen, bei Diskussionen aufzutreten, wo auch Vertreter rechter Parteien auf dem Podium saßen. Wenn wir das durchgehend ablehnen würden, dann entgeht uns vielleicht manchmal eine Wahlveranstaltung. Aber ich glaube, die Leute könnten das besser nachvollziehen, als wenn wir uns immer hinstellen und sagen, wir stellen uns gegen die Rechten, aber vor Ort diskutieren wir dann mit ihnen.

AIB: Repräsentieren die in dem Papier vertretenen Positionen in der PDS eine Mehrheitslinie?

Adamczyk: Zum Teil. Aber nicht in allen Punkten. Die einen haben das Papier zu den Akten gelegt und gesagt »Noch ein schwachsinniges Papier. Damit beschäftigen wir uns nicht und machen lieber unser eigenes Ding«. Andere haben es diskutiert. Aber am Ende ist für mich die Arbeit wichtig, und nicht, was auf vier Seiten Papier steht. Das Schlimme an diesem Papier ist, daß die PDS versucht, sich als die einzige in Deutschland existente antifaschistische Kraft hinzustellen. Da werden andere Organisationen wie beispielsweise der VVN/BdA mit keiner Silbe erwähnt. Es gibt auch keine Reflektion darüber, welche Positionen andere Parteien oder Organisationen zu dem Thema einnehmen. Wir haben in Sachsen schon gute Veranstaltungen mit Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen gemacht. Alle diese Leute werden in diesem Papier ausgegrenzt. Wenn ich wirklich in der PDS antifaschistische Politik betreiben will, dann muß ich wenigstens eine Aussage haben, wie ich mit meinen Bündnispartnern oder mit Leuten umgehe, die auch auf diesem Gebiet tätig sind. Und die finden in dem ganzen Papier überhaupt keine Erwähnungen - außer die autonome Antifa, die auch noch ausgegrenzt wird.

AIB: In Rostock-Dierkow hat die PDS -trotz anderer Bündnisabsprachen- ihre entscheidende Anmeldung zu einer antifaschistischen Vor-Ort-Gegendemonstration 24 Stunden vor dem NPD-Aufmarsch zurückgezogen. Was ist da passiert?

Adamczyk: Ich kenne die Gründe dafür auch nicht, aber ich finde das Verhalten des PDS-Kreisverbandes Rostock peinlich. Ich hätte die Anmeldung aufrechterhalten, denn dann hätte das Schweriner Innenministerium die Antifademo verbieten müssen. Stattdessen hat die PDS vor Ort vorauseilenden Gehorsam praktiziert.

AIB: Angeblich soll sich das sächsische Innenministerium für ein Verbot der NPD-Jugendorganisation ausgesprochen haben. Kannst Du dieses Gerücht bestätigen oder dementieren?

Adamczyk: Innenminister Klaus Hardraht hat auf eine parlamentarische Anfrage von mir dazu wörtlich geantwortet, daß er zur Zeit nicht an einen Verbotsantrag gegen die rechtsradikale NPD und/oder ihre Jugendorganisation denkt.

AIB: Eine letzte Frage. In Sachsen finden im nächsten Jahr Landtagswahlen statt. Wie sieht Deine Prognose dafür aus?

Adamczyk: Ich denke, daß die Rechten zulegen werden. Die NPD hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchaus reelle Chancen, in den sächsischen Landtag einzuziehen. Im Übrigen haben die Rechten bei den Bundestagswahlen in Sachsen einige Stimmengewinne erzielt.

AIB: Danke für das Gespräch.