Kampfsport, Kohle, Kriegsverbrecher
Björn ResenerSport als neonazistischer Organisationsansatz
Auf Einladung von Casa Pound Italia trafen sich Ende Mai 2013 Neonazis – mehrheitlich aus Italien, Russland und Deutschland – zu einem Mixed Martial Arts (MMA) Wettkampf in Rom. Die Schirmherrschaft übernahm der russische Kampfsport-Ausrüster White Rex, für den der Sport nicht nur ein Geschäft, sondern auch ein politisch-kulturelles Projekt darstellt.
Inhaber der »Marke für Jugendbekleidung und Sportequipment« ist Denis Nikitin (Денис Никитин). Auf der Website seines Unternehmens wirbt er damit, dass ein »Teil der Einnahmen (...) in gute Zwecke« investiert wird. Tatsächlich organisiert White Rex »kulturelle Veranstaltungen« mit Neonazi-Bands wie »Moshpit«, »Brainwash«, »25/17« und »You Must Murder«. Russische Antifaschist_innen berichten zudem, dass auch inhaftierte Neonazis finanziell unterstützt werden. Vor allem jedoch richtet Nikitin unter dem Motto »Der Geist des Kriegers« eigene MMA-Turniere aus. Dabei finden in verschiedenen Städten Russlands Ausscheidungsrunden statt, auf denen sich junge Sportler für die Endrunde in Moskau qualifizieren können. Die Wettkämpfe unter der Schirmherrschaft von White Rex sind professionell inszeniert, wie auch die Promo-Videos, mit denen das Unternehmen für sich wirbt.
Erziehung zum Rassenhass
Im Interview mit einem Sportjournalisten erklärte Nikitin, dass »Der Geist des Kriegers« ursprünglich als Teil einer Werbe-Kampagne ins Leben gerufen wurde. Doch Marketing-Strategie und Überzeugung gehen bei ihm Hand in Hand. In der Unternehmensphilosophie heißt es: »Unter dem Druck der Propaganda fremder Werte haben die weißen Völker Europas ihren innovativen Entdeckergeist, den Geist des Kämpfers, den Geist des Kriegers eingebüßt! Eine der Hauptaufgaben von White Rex besteht darin, diesen Geist wiederzuerwecken.« Das erklärte Ziel der MMA-Wettkämpfe ist: »die Verankerung des Sports im gesunden Teil unserer europäischen Jugend zu fördern und den Geist des Kriegers in unserem Volke zu erziehen!«
Zu diesem Zweck bekommen auch bekannte Neonazi-Kader wie Maxim Martsinkevich ein Forum auf Nikitins Veranstaltungen. Martsinkevich, der zwischen 2007 und 2010 eine dreieinhalbjährige Haftstrafe wegen des Aufrufs zu Rassenhass und ethnischer Gewalt absitzen musste, war Ehrengast bei mehreren Veranstaltungen und durfte seine Hetze sogar beim Endausscheid von »Der Geist des Kriegers« am 8. Dezember 2012 in Moskau verbreiten.
Das Konzept von White Rex scheint in jeder Hinsicht aufzugehen. Am 29. Juni diesen Jahres soll in Tula bereits das 20. »Der Geist des Kriegers« stattfinden. Seit dem ersten Wettkampf am 18. Juni 2011 in Voronezh sind bei der Turnier-Serie mehr als 500 Sportler in den Ring gestiegen. Es passt ins Bild, dass Nikitin sie in Veranstaltungsberichten als seine »Soldaten« bezeichnet. Die Besten von ihnen hat er inzwischen in das White Rex Profiteam aufgenommen. Abgesehen von den Sportlern hat das Turnier in den letzten zwei Jahren auch tausenden BesucherInnen ein attraktives rechtes Identifikationsangebot gemacht. Das scheint sich wiederum finanziell auszuzahlen, denn inzwischen »ist White Rex zum festen Bestandteil auf den Fantribünen Russlands geworden. Das Sportequipment von White Rex sieht man immer häufiger auf Fernsehbildschirmen, in Ringen und in Sportsälen«, heißt es auf der Website von Nikitins Marke.
Exportmodell für Deutschland?
Durch den politisch-kulturellen und finanziellen Erfolg hat das Projekt eine Vorbildfunktion für Neonazis in ganz Europa. Zur Endrunde von »Der Geist des Kriegers« vergangenen Dezember in Moskau reiste unter anderem eine Delegation deutscher Neonazis an. Die Reisegruppe wurde von Daniel Weigl geleitet, einem der führenden Köpfe im Kameradschaftsverbund Freies Netz Süd. Wie Nikitin versucht sich auch Weigl als Unternehmer. Er betrieb den offen neonazistischen Final Resistance Versand und meldete die Marke Walhall Germany (Wackersdorf) an. Aus Walderbach im selben Landkreis stammt auch die Marke Walhall Athletik der Firma HI PROM Fashion UG, die sich seit letztem Jahr als vermeintlich unpolitische Firma in der MMA-Szene zu etablieren versucht.
Nachdem sich Walhall Athletik im Rahmen des »No Compromise Fighting Championchips« in Bremen erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, gab es jedoch bald Probleme. Schnell wurde das Unternehmen hinterfragt und der Veranstalter des MMA-Events erklärte, solchen Marken in Zukunft kein Podium mehr bieten zu wollen und auch keine »Sportler unter Vertrag [zu] nehmen, die von solchen Labels gesponsort werden.« Seither wollen die meisten SportlerInnen und VeranstalterInnen in der deutschen MMA-Szene nichts mehr mit Walhall Athletik zu tun haben, ausser sie pflegen ohnehin Kontakte ins rechte Milieu.
Entsprechend musste sich Walhall Athletik relativ schnell darauf beschränken, zweitklassige Sportler mit Neonazi-Affinitäten zu fördern. Neben ungarischen Athleten aus der Stadt Győr und dem erfolglosen Franzosen Jeremy Schudy, muss hier vor allem Timo Kersting aus Dortmund genannt werden. Beim 18. »Der Geist des Kriegers« am 30. März diesen Jahres in Jekaterinburg trat er für das Walhall Athletik Fight Team Germany an. In der Ringecke bekam er Unterstützung von Andreas Kolb, der seit 2011 im Bundesvorstand der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sitzt. Er ist dort verantwortlich für das Amt Neue Medien, die JN-Publikation »Der Aktivist« und darüber hinaus Geschäftsführer des organisationseigenen Frontdienst-Versandes.
Andreas Kolb wohnt mittlerweile in Dortmund, kommt aber wie Daniel Weigl aus der süddeutschen Kameradschaftsszene. Bei dem von Casa Pound Italia und White Rex organisierten Turnier Ende Mai in Rom machte er zwei Kämpfe für das Walhall Athletik Fight Team Germany. Auch Timo Kersting stieg dort wieder für das Promo-Team der Marke in den Ring und machte sogar seinen ersten Profikampf.
Besuche beim Kriegsverbrecher
Die Veranstaltung fand in der Area 19 statt, einer stillgelegten und von Casa Pound besetzten Metro-Station. Das Rahmenprogramm bestand aus dem obligatorischen Konzert von »Zeta Zero Alfa« und den Auftritten einiger anderer Rechtsrock-Bands. Ein Teil der deutschen BesucherInnen nutzte auch die Gelegenheit, um den Kriegsverbrecher Erich Priebke kennenzulernen, der 1998 für das Massaker bei den Adreatinischen Höhlen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und seither in Rom unter Hausarrest steht.
Für den JN-Bundesvorsitzenden Andy Knape, der seinen Kameraden Andreas Kolb nach Italien begleitete, war es die zweite Visite bei dem ehemaligen SS-Führer. Gemeinsam mit den JN-Bundesvorstandsmitgliedern Michael Schäfer und Julian Monaco stattete er Priebke bereits im Juli 2012 einen Geburtstagsbesuch ab. Schon damals diente die Reise nach Rom eigentlich dem Kennenlernen anderer Politik- und Organisationsansätze. Und auch dieses Mal bot der Ausflug für Knape weit mehr als ein erlebnisreiches Wochenende voll von neonazistischer Selbstvergewisserung. Auf seiner Facebook Seite berichtet er von »vielen interessanten Gesprächen« und einer intensivierten Vernetzung mit Casa Pound. Es bleibt abzuwarten, ob sich nun auch die JN verstärkt dem Sport als Rekrutierungsfeld zuwenden wird.