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Musterstadt Cottbus

Einleitung

Anfang 2018 machte die Großstadt Cottbus in Südbrandenburg bundesweite Schlagzeilen. Die Berichte drehten sich um „Auseinandersetzungen zwischen Migranten und Deutschen“ und um die damit einhergehenden Proteste in der Bevölkerung, die der Verein „Zukunft Heimat“ organisiert hatte. Zuerst: Spontan und lokal entstanden ist nichts an den Protesten. „Zukunft Heimat“ ist ein Verein, der aus dem Spreewaldort Golßen stammt, satte 70 Autokilometer von Cottbus entfernt. Bereits im Mai 2017 hatte der Verein den Schwerpunkt seiner Aktivitäten nach Cottbus verlegt und dort bis zum Jahresende ein Dutzend Demos veranstaltet. Die Großmobilisierungen im Januar 2018 mit bis zu 2.500 Teilnehmenden sattelten auf einer langen Vorarbeit. Die vielzitierten Straftaten von Geflüchteten in der Stadt waren lediglich Anlass, nicht aber der Grund für die Großdemos. Bundesweit sind die massenhaften rassistischen Straßenproteste der Jahre 2015 und 2016 an ihre Grenzen gekommen. 2017 wurden die „PEGIDA“- oder „Nein zum Heim“-Aufmärsche seltener und kleiner. Dem Milieu geht es trotzdem prächtig — Bewegungsinstitutionen und -publizistik sind am Wachsen, die Bewegungspartei AfD verfügt jetzt über 157 Landtags- und 92 Bundestagsmandate. Wie geht es weiter mit dem organisierten Rassismus? Welche Rolle nehmen dabei Straßenproteste ein? Am Beispiel Cottbus lassen sich einige Aspekte dieser Fragen diskutieren. Nämlich welche Sorte von Organisation „Zukunft Heimat“ ist, welche Voraussetzungen den Verein nach Cottbus lockten und welche Partner ihm zur Verfügung stehen.

Foto: Paul Hanewacker

Anne Haberstroh (mit Basecap) von „Zukunft Heimat“ mit dem Neonazi Marcel Forstmeier (rechts) bei einer COMPACT-Veranstaltung in Berlin.

„Zukunft Heimat“ gründete sich 2015 aus dem Vorläufer „Pro Zützen“, der sich gegen die anstehende Unterbringung von Geflüchteten in einem Golßener Ortsteil einsetzte. Von Beginn steht „Zukunft Heimat“ eine Doppelspitze aus Christoph Berndt (Krankenhaus Charité in Berlin) und Anne Haberstroh (Friseurin) vor. Der Verein organisierte mehrere größere Aufmärsche in der Region, bevorzugt da, wo Asyl­unterkünfte errichtet werden sollten. Im Oktober 2015 in Lübbenau kamen beispielsweise 900 Leute zusammen. Für eine Stadt, in der insgesamt 16.000 Menschen leben, ist das eine hohe Zahl. Parallel zur rassistischen Agenda verfolgte der Verein in Folgezeit auch das Ziel, sich lokalpolitisch in Golßen einzubringen, beispielsweise für den Neubau eines Radweges oder die Pflege eines Feuerwehrhauses. Auf diese Weise wurde das Bild des engagierten Heimatvereins gepflegt und die Verankerung in den dörflich geprägten Sozialstrukturen gefestigt.

Schon damals pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass sich „Zukunft Heimat“ eng am Neonazismus bewegte. 2012 war in der Region die Neonazigruppe „Spreelichter“ verboten worden, die durch ihre „Unsterblichen“-Kampagne und die markante Parole „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“ bundesweit bekannt war. Die „Spreelichter“ hatten nach ihrem Verbot in einem Kommuniqué verkündet, künftig ohne Gruppennamen „auf politischen Veranstaltungen oder mit Wort und Tat“ auf den „drohenden Volkstod“ aufmerksam zu machen. Layout und Präsentation der „Zukunft Heimat“-Aktionen waren denen der „Spreelichter“ stilistisch ähnlich, die Neonazi-Aktivisten nahmen an den Veranstaltungen teil und dokumentierten das Geschehen. Der ehemalige „Spreelichter“-Anführer Marcel Forstmeier ließ sich bei einer Veranstaltung in Berlin zusammen mit der „Zukunft Heimat“-Chefin Haberstroh ablichten.

An den Demos nahmen auch „Identitäre“ teil und „Zukunft Heimat“ kooperierte von Anfang an mit dem extrem rechten Vernetzungsbüro „Ein Prozent“ und besonders eng mit der AfD. „Zukunft Heimat“-­Aktivist seit frühen Tagen ist der Lübbenauer Dachdecker und AfD-Funktionär Marian von Stürmer. Gemeinsam machten Verein und Partei gegen die 100 Geflüchtete mobil, die in Lübbenau-Kittlitz untergebracht wurden. Man profitierte gegenseitig: Im März 2016 kam von Stürmer bei der Lübbenauer Bürgermeisterwahl auf 34 Prozent Stimmanteil.

Der Gang nach Cottbus im Mai 2017 war für „Zukunft Heimat“ nur konsequent. Aus den Kleinstädten wagte sich der Verein damit in eine Großstadt und konnte dennoch der Logik seiner bisherigen Interventionen entsprechen. Die Stimmung in der Stadt war günstig. Schon im Herbst 2015 hatten im Plattenbaubezirk Sachsendorf hunderte Cottbuser eine Polizeikette überrannt und um ein Haar eine damals frisch eingerichtete Asylunterkunft gestürmt. Die Stadt ist ein Hotspot rechter Organisierung. Die NPD ist im Stadtparlament vertreten, das Rechtsrocklabel „Rebel Records“ hat hier seinen Sitz, ebenso bei Neonazis beliebte Kleidungsmarken wie „Label 23“ und „Black Legion“. Wichtiger noch: Beim FC Energie Cottbus verstärkte sich in den letzten Jahren mit dem sportlichen Verfall die Dominanz rechter Hooligans, oft mit Anbindung an Rocker- und Rotlichtszene. Die führende Gruppe „Inferno Cottbus“ stand seit jeher den „Spreelichtern“ nahe. Die selbsterklärte Auflösung von Inferno 2017 nach kritischen Medienberichten hat in Wirklichkeit wahrscheinlich nie stattgefunden. Aus diesem Milieu stammt auch der prominenteste Messerstecher der Stadt. Neonazi Markus Walzuck war nicht nur Energie-­Hooligan, sondern als zeitweiliger Kickbox-Europameister ein gefeierter Sportler in der Stadt, bis er 2013 ein Hells-Angels-Mitglied mit Messerstichen schwer verletzte. Mittlerweile ist Walzuck wieder auf freiem Fuß.

Diese Cottbusser Gemengelagen nähren eine Alltagskultur, die teilweise von Rassismus geprägt ist. Für soziale Problemlagen, für Arbeitslosigkeit und für das verbreitete Gefühl des Abgehängtsein werden Geflüchtete verantwortlich gemacht. Auf der anderen Seite: Es gibt eine Universität, an der auch viele Nichtdeutsche studieren, eine alternative Szene, ein Kulturleben und eine gewisse Konstanz antifaschistischer Arbeit. 2013 und 2014 konnte das linke Bündnis „Cottbus Nazi­frei“ zwei Mal einen NPD-Aufmarsch erfolgreich blockieren.

Die Stadt hat dennoch keine lebendige Tradition des Zusammenlebens verschiedener Kulturen oder Lebensentwürfe entwickelt. Lediglich der in der Region ansässigen, sorbischen Minderheit wird ihre Folklore zugestanden. Deren Trachtenumzüge werden bewundert und von offizieller Seite wird darauf geachtet, alle Straßenschilder zweisprachig zu beschriften. Die rund 2.000 nichtdeutschen Studierenden hingegen leben während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Stadt meist relativ isoliert in den Studentenwohnheimen am Campus.

Der Anteil von „Fremden“ an der Bevölkerung war im kollektiven Bewusstsein der Stadt immer geringer, als er es heute ist. 2013 sollen es 2.300 „Ausländer“ gewesen sein, Ende 2017 dann 8.500. Der Zuzug von insgesamt 4.300 Geflüchteten ist im Alltag der Stadt durchaus sichtbar. Ganz sicher sind mit einem Bevölkerungszuwachs auch Herausforderungen verknüpft. Aber Cottbus hatte über Jahre gute Voraussetzungen durch eine funktionierende Sozialarbeit, mit der Konflikte bearbeitet wurden; auch gab es einen Konsens in der Stadtpolitik gegen Neonazis. Durch den Wechsel an der Stadtspitze von SPD zur CDU verschoben sich die Problemlösungsstrategien zunehmend ins Autoritäre. Im vergangenen Sommer kam es an der Stadt­­halle, einem zentralen Cottbuser Platz, zu Belästigungen durch das dortige Trinkermilieu und herumlungernde Jugendliche. Die Stadt installierte Überwachungskameras, verstärkte Polizeistreifen, erließ ein Alkoholverbot. Welch Wunder: Die sozialen Probleme sind so nicht gelöst worden. Die Aktivitäten der Trinkerszene verlagerten sich lediglich auf benachbarte Orte. Gerade während der Wintermonate ist so das Einkaufzentrum „Blechen Carré“ zu einem Aufenthaltsort geworden. Dort halten sich auch jugendliche Geflüchtete auf.

Die Nichtdeutschen werden in der Stadt als Störenfriede, als Verantwortliche für soziale Verwerfungen und Kriminalität wahrgenommen. Auf Geflüchtete in der Stadt lastete von Anfang an ein immenser, von Rassismus angetriebener Druck. Die jungen Geflüchteten am „Blechen Carré“ erleben dies besonders drastisch und antworten mit nicht einheg- und vermittelbaren Mustern. Ein deutscher Jugendlicher, der seine Freizeit offenbar meist draußen in der „problembelasteten“ Innenstadt verbringt, beschrieb einem Fernsehteam mit ernster Miene, wie er syrische Jugendliche erlebt: „Wenn man denen keinen Respekt zeigt und die anrempelt, wenn man die böse anguckt, dann fühlen die sich bedroht. Und dann holen die ihren Gürtel raus oder ein Messer.“

Genau diese gesellschaftliche Stimmung machte die Intervention von „Zukunft Heimat“ in Cottbus so naheliegend. Im Mai 2017 gab es in der Stadt eine Prüge­lei zwischen betrunkenen Deutschen eines Junggesellenabschieds und einer Gruppe syrischer Geflüchteter. Die Hintergründe sind unklar. Fest steht, dass mehrere Syrer und mehrere Deutsche verletzt wurden. Diesen Vorfall zog „Zukunft Heimat“ heran, um zu erklären, dass es einen „Brennpunkt Cottbus“ gebe und dass man deshalb in der Stadt Demonstrationen abhalten werde.

Der Ablauf der dann folgenden, zweiwöchentlichen Aufmärsche war, von kleinen Ausnahmen abgesehen, immer gleich: Treffen auf einem Platz in der Innenstadt, dort wurden Reden gehalten, dann ein kurzer „Spaziergang“ nach Pegida-Vorbild. Das Publikum war ein Querschnitt aus rechten Hooligans, Rechtsrock-Fans, ein paar NPDlern, AfD-Abordnungen und den inzwischen sprichwörtlichen „besorgten Bürgern“. Ähnlich wie in Dresden schirmten Angehörige der Hooliganszene die Veranstaltungen nach Außen ab. Mehrmals kam es am Rande zu Übergriffen auf Protestierende und auf Presseleute. Hinzu kommen einige rassistische Gewalttaten nach „Zukunft Heimat“-Demonstrationen. Allgemein ist das Ausmaß rechter und rassistischer Gewalt in der Stadt seit Jahren auf höchstem Niveau. Die große Mehrheit des Demonstrations-Klientels rekrutierte sich aus Cottbus und Umgebung — auch wenn zum Beispiel nicht wenige PEGIDA-­Fans aus dem nicht fern gelegenen Dresden unterstützt haben dürften.

Die inhaltliche Gestaltung lag nicht allein bei „Zukunft Heimat“. Zu Wort kamen neben der AfD beispielsweise ein Pegida-­Aktivist, ein Vertreter der völkischen Netzwerkagentur „Ein Prozent“ und ein „Identitären“-Funktionär. „Ein Prozent“ würdigte Cottbus als „Widerstandsnest“. Die „Identitären“ gründeten eine Ortsgruppe und kletterten für eine Banner-Aktion auf der Stadthalle herum. Der Resonanzraum für „Zukunft Heimat“ liegt in der Region, das Kampagnen-Knowhow und die Vernetzung haben eine bundesweite Dimension. Die Brei­te des Bündnisses wurde bei den Demons­trationen immer wieder hervorgehoben, denn sie schütze auch vor „Extremismus“-­Vorwürfen. „Es kann uns scheißegal sein, was in irgendeinem Verfassungs­schutz­be­richt steht, was für Lügen dort verbreitet werden“, proklamierte der „Ein Prozent“-­Vertreter Jean-Pascal Hohm, sonst AfD-­Jung­politiker und bei Identitären-Aktionen zugange. Das Bündnis war und ist ein Gegenbündnis der Unzufriedenen. Zum Feind gehören Geflüchtete, bundesweite Presse, Antifa und Bundespolitik — aber auch Einheimische wie Bürgermeister, Lokalzeitung, Sozialarbeit und Stadtpolitik. Der Claim ist: Wir sind die „Normalen“, die sich gegen die Herrschenden und die Linken zur Wehr setzen. Hinweise und Kritik an den extrem rechten Verstrickungen werden von „Zukunft Heimat“ bei den Aufmärschen in der Regel offensiv thematisiert. Bei „Nazi-“ und „Rassismuskeule“ handele es sich um haltlose Anwürfe, um schlimme Beleidigungen der Cottbuser Bevölkerung.

Hauptkooperationspartner für „Zukunft Heimat“ war und ist die AfD. Kaum eine Versammlung kommt ohne Partei-Redebeitrag aus. Die „Zukunft Heimat“-Aufmärsche waren ganz deutlich AfD-Wahlkampfhilfe für die Bundestagswahlen, so wie zuvor für die Bürgermeisterwahl in Lübbenau. Am Dienstag vor der Bundestagswahl richtete die AfD ihren Wahlkampfabschluss auf dem Altmarkt in Cottbus aus. Andreas Kalbitz, AfD-Landesvorsitzender mit gut dokumentierter extrem rechter Biographie, ging in die Vollen und hetzte gegen das „Multikultopia der Willkommensextremisten“. Nach der Wahl verkleinerten sich die „Zukunft Heimat“­-Demos rasant, denn man hatte das Etappenziel erreicht. Die AfD war in Cottbus und dem umliegenden Landkreis Spree-­Neiße mit 26,8 Prozent zur stärksten Kraft geworden. Deutlich über dem Landesschnitt von 20,2 Prozent. Das offene Bündnis der AfD mit „Zukunft Heimat“ und seinem auch neonazistischen Klientel hat sich also ausgezahlt.

Das genau durchdachte und choreographierte Zusammenspiel zwischen loka­len Zielgruppen, der Protestorganisation, den Bewegungsorganisationen und der Partei AfD ist es, was das Politikmodell von „Zukunft Heimat“ auszeichnet. Von der Diffusität, die durchaus ein Merkmal der Dresdener Pegida zu ihren Hochzeiten war, ist in Cottbus nichts mehr auszumachen.

Die Rasanz der Mobilisierung hebelte die in der Stadt bewährten antifaschistischen Gegenstrategien aus. Breite und massenhafte Blockaden waren angesichts der Größe der rassistischen Aufmärsche wenig aussichtsreich. Die Gegenstrategien wirkten darum zeitweise hilflos. An mangelnden Fleiß lag es nicht: etliche Aufmärsche von „Zukunft Heimat“ wurden im Jahr 2017 von Gegenaktionen begleitet. Selten wurde in der Stadt so viel und ausgiebig antifaschistisch demonstriert. Das reichte nur eben nicht aus oder war nicht das geeignete Mittel, um die ins Rollen gebrachte rassistische Dynamik zu stoppen.

An Silvester rief „Zukunft Heimat“ noch einmal zu einer Kundgebung an der Stadthalle auf, an der nur noch zweihundert Personen teilnahmen. In der Nacht darauf prügelten und jagten Rechte mehrere Geflüchtete und drangen in deren Unterkunft im Stadtteil Sachsendorf ein.
Was dann zum Jahresbeginn 2018 geschah, gab „Zukunft Heimat“ den erhofften Schub für ihre Mobilisierung. Am „Blechen Carré“ kam es zu einer Rangelei zwischen syrischen Jugendlichen und einem Ehepaar. Verletzt wurde niemand, aber ein Messer wurde gezogen und das Paar bedroht. „Zukunft Heimat“ rief wegen des Vorfalls zu einem weiteren Aufmarsch auf. In die kurze Mobilisierungszeit fiel eine neue Nachricht: Fast am gleichen Ort war ein deutscher Jugendlicher von einem syrischen Jugendlichen im Gesicht verletzt worden. „Zukunft Heimat“ nutzte diese Konstellation aus. Das Szenario eines aufziehenden Bürgerkrieges, das von der Neuen Rechten seit Jahren beschworen wird, schien sich zu bestätigen. Der extrem rechte Publizist Götz Kubitschek erklärte im Februar in der Zeitschrift „Sezession“ Ereignisse wie „Köln“, „Kandel“ und auch „Cottbus“ zu Vorboten des kommenden großen Knalls.
Über die eigenen Social-Media-Kanäle verbreitete „Zukunft Heimat“ die eigene Deutung der Ereignisse mit hoher Effizienz und ebenso hoher Professionalität. Einzelne Beiträge wurden über eintausend Mal geteilt, was auch auf die aktive Unterstützung eines neurechten Netzwerks im Hintergrund hinweist.
Die schnell organisierte Kundgebung im Januar war mit 1.500 Personen ein voller Erfolg. Von überall her strömten Pressevertreter und Kamerateams in die Stadt. Die Berichte übernahmen nicht selten wortgetreu die Bezeichnung „Brennpunkt Cottbus“, die „Zukunft Heimat“ bereits im Mai des Vorjahres eingeführt hatte.

Für die Folgewoche wurde aus den Reihen der Geflüchteten-Community und unterstützt von „Cottbus Nazifrei!“ zu einer Demonstration „Gegen die Angst“ aufgerufen. Rund 1.500 Menschen kamen zu einer der größten antifaschistischen und anti­rassistischen Demonstrationen der Stadtgeschichte, die einen medial vielbeachteten Kontrapunkt zu der rechten Agitation setzte. Nur: Die schnell für den gleichen Tag einberufene „Zukunft Heimat“-­Versammlung relativierte mit ihren rund 2.500 Teilnehmenden den Effekt der antirassistischen Aktion. Der politische Gewinn für „Zukunft Heimat“ aus den Januar-­Ereignissen ist als hoch einzuschätzen. Das „Cottbus“ zum Chiffre für „Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Geflüchteten“ wurde und wochenlang in den Medien verhandelt wurde, ist direktes Ergebnis der Demonstrationspolitik des Vereins. Die Verhältnisse in Cottbus sind durch „Zukunft Heimat“ über Monate eskaliert worden, um dann erfolgreich und wirksam ein Deutungsmuster der Misere vorzugeben.

CDU-Bürgermeister Holger Kelch eilte vor den Innenausschuss des Landtages und malte ein möglichst düsteres Bild von den Zuständen seiner Stadt. Kein Wunder, dass „die Bürger“ besorgt sind und auf die Straße gehen. Kelch gab Anekdoten zum Besten, die unterstrichen, dass nicht alle Geflüchtete in Cottbus „pflegeleicht und dankbar“ seien. Der Einsatz wurde belohnt: Vom Land bekommt die Stadt mehr Polizei, eine Stärkung der Sozialarbeit und vor allem das Versprechen, erst einmal keine neuen Geflüchteten aufnehmen zu müssen. Mehr noch: Der Regionalsender RBB meinte Ende Februar, ein Dialogformat organisieren zu müssen, bei dem „Zukunft Heimat“ im Verbund mit der AfD zur besten Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die eigenen Forderungen präsentieren durfte. So wurde das Gefühl der eigenen Wirksamkeit auf Seiten des „Zukunft-Heimat“-Klientels massiv gestärkt: Wenn ihr fleißig demonstriert, wenn ihr mit Neonazis kooperiert, wenn ihr rassistische Gewalt einsetzt, dann sorgen wir dafür, dass ihr Aufmerksamkeit bekommt und nicht mehr von Geflüchteten „belästigt“ werdet. Gönnerhaft verkündete AfD-Landes­chef Kalbitz im Deutschlandfunk-­Interview, das man versuchen solle, die „momentane Lage zu beruhigen“. Monate vorher hatte Kalbitz mit seiner Wahlkampf-Hetzrede die Stimmung in der Stadt aktiv befeuert.


Wie geht es weiter? „Zukunft Heimat“ hat bereits neue Aufmärsche angekündigt und will aus dem „Brennpunkt Cottbus“ einen „Leuchtturm Cottbus“ machen. Beim österreichischen Kongress „Verteidiger Europas“ präsentierte „Zukunft-Heimat“-­Vereinschef Christoph Berndt sein Konzept bereits international als nachahmenswert. Und regional sind neue Wahlkämpfe zu bestreiten. Im April sind Landratswahlen in mehreren Südbrandenburger Kreisen. Die AfD dürfte sich keine schlechten Chancen ausrechnen. Auf Seiten der Brandenburger CDU werden die mit dem „Zukunft Heimat“-Aktivismus verknüpften Erfolge aufmerksam registriert. 2019 stehen in Brandenburg Landtagswahlen an. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben warnte vor einem AfD-Flächenbrand in Südbrandenburg, kündigte aber ebenfalls an, im Falle eines Wahlsieges seiner Partei auch mit der AfD das Gespräch zu suchen. Die Aussicht, mithilfe von CDU-Steigbügelhaltern die Option zu einer Regierungsbeteiligung zu eröffnen, dürfte das Protestspektrum weiter beflügeln.