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Neonazi Gewalt in Bamberg

Johannes Hartl
Einleitung

Sie planten Anschläge, unterhielten Verbindungen zu verbotenen Gruppen und verfügten über Kontakte zu PEGIDA: Die Mitglieder der neonazistischen Partei „Die Rechte“ treten in Ober- und Mittelfranken seit Monaten mit unverhohlener Militanz auf. Ein Überblick.

Foto: Thomas Witzgall

Die Bamberger Neonazis Nadine Hofmann und Andreas G. (Bildmitte) werden beschuldigt Anschläge mit Kugelbomben geplant zu haben. Hier bei einem Neonazi-Aufmarsch 2015 in Würzburg.

Am Ende war es ein glücklicher Umstand, der die Pläne einer Bamberger Neonazi-Zelle durchkreuzte. Weil die Polizei ein Paket mit Kugelbomben abgefangen hat, das an einen bekannten Kader gehen sollte, nahmen die Fahnder im Umfeld des Beschuldigten weitere Ermittlungen auf. Im Zuge dessen stießen sie bald auf eine ganze Reihe von aktenkundigen Vorfällen aus der letzten Zeit, darunter vorwiegend Gewalt- und Rohheitsdelikte. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Bamberg erwirkten die Sicherheitsbehörden vor diesem Hintergrund einen richterlichen Beschluss und setzten zu einer großangelegten Durchsuchungsaktion in Ober- und Mittelfranken an. Dabei stellten Polizisten am 21. Oktober 2015 in zwölf Objekten neben den üblichen NS-Devotionalien etliche Hieb-, Stoß- und Stichwaffen, eine scharfe Schusswaffe sowie mehrere illegale pyrotechnische Gegenstände sicher. Zudem entdeckten sie bei den Durchsuchungen konkrete Anschlagspläne, die sich gegen zwei Ziele in der Universitätsstadt richten sollten. Die beschuldigten Neonazis Patrick Hofmann-Kraus und Andreas G. wurden anschließend in Untersuchungshaft genommen. Patrick Hofmann-Kraus war seit Sommer 2015 bayerischer Sektionsleiter der „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT) und Andreas G. Mitglied seiner Organisation.

Die Gruppe plante demnach, im Anschluss an eine Demonstration das Café Balthasar „plattzumachen“1 , einen bekannten alternativen Treffpunkt in der Region, der zuletzt mehrfach Attacken ausgesetzt war. Daneben nahmen die Neonazis als weiteres maßgebliches Ziel zwei Asylbewerberunterkünfte ins Visier. Auf deren Freigelände sollten laut den Angaben eines Beschuldigten, der die Aussage in Vernehmungen ausdrücklich bekräftigte, aus Tschechien importierte Böller geworfen werden. Diese hätten die Bewohner in „Angst und Schrecken“ versetzen sollen.

Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft aufgrund der Razzia derzeit gegen dreizehn mutmaßliche Täter. Gegen neun von ihnen läuft ein Verfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Strafgesetzbuch. Sie sollen sich mit der Absicht „in einer Gruppierung“ vereinigt haben, „um ­ rechtsextremistische Ziele zu verwirklichen“, so das bayerische Justizministerium. In dem Zusammenhang sind viele Beschuldigte bereits vor der Razzia „vermehrt wegen Gewalt- und Rohheitsdelikten in Erscheinung“ getreten, ebenso wie sie wiederholt „bei Veranstaltungen rechtsradikaler Parteien und Organisationen“ sowie als „Verantwortliche bei fremdenfeindlichen Demonstrationen“ beobachtet worden waren.

Tatsächlich gehört ein Großteil der Tatverdächtigen zu bekannten Figuren der bayerischen Neonazi-Szene. Die Mehrheit der dreizehn Personen organisiert sich in Oberfranken rund um den Kreisverband Bamberg der neonazistischen Partei „Die Rechte“ (DR). Deren erster Ableger im Freistaat wurde ausgerechnet am 20. April 2014, dem 125. Geburtstag von Adolf Hitler, in der Landeshauptstadt München unter der Leitung von Philipp Hasselbach gegründet. Seitdem hat die Partei ihre Strukturen in dem Bundesland rapide expandiert und verfügt inzwischen über drei weitere Kreisverbände sowie über einen eigenen Landesverband Bayern. Die Bamberger Niederlassung unter Vorsitz von Nadine Hofmann, gegründet im März 2015, ist der zweitjüngste lokale Verband und ging aus dem rassistischen Bündnis „Bamberg wehrt sich“ hervor, einem Zusammenschluss mit Anti-Asyl-Schwerpunkt.

Seine Kader gelten als außerordentlich gut vernetzt und sind für ihr aktionsorientiertes Auftreten bekannt. So übertraten Aktivisten von DR-Bamberg beispielsweise bewusst die Grenzen ihrer Partei, als sie sich am 1. Mai 2015 an einer Demonstration in Saalfeld beteiligten — einer Aktion der konkurrierenden Partei „Der III. Weg“. Darüber hinaus unterhalten die mittel- und oberfränkischen DR-Kader Kontakte zu extrem rechten Aktionsformen wie „PEGIDA“. An deren Veranstaltungen haben sich Mitglieder der Partei mehrmals beteiligt, teils sogar in leitender Funktion. Unter anderem war der Nürnberger Dan E., ein Beschuldigter im laufenden Verfahren, nicht nur ständiger Teilnehmer und zentraler Kopf hinter „Nügida“. Er war am 12. Oktober 2015 auch als Ordner bei dem Würzburger Pegida-Ableger „Pegida Franken“ eingesetzt.

Die maßgeblichen Aktivitäten der Bamberger beschränkten sich jedoch auf ihren Hauptaktionsraum — auf die Regierungsbezirke Ober- und Mittelfranken. Dort agierten Aktivisten und Sympathisanten von DR zeitweise mehr wie eine kriminelle Vereinigung und erregten mit militanten Aktionen wiederholt Aufsehen. Besonders im Umfeld von Veranstaltungen, an denen Anhänger der Partei teilgenommen haben, kam es regelmäßig zu gewalttätigen Eskalationen und/oder zu Einschüchterungsversuchen. Die Aktionen richteten sich hierbei überwiegend gegen politische Gegner und gegen deren Veranstaltungen, aber auch gegen gewöhnliche PassantInnen.

So griffen sechs der Beschuldigten aus dem aktuellen Verfahren am 7. März 2015 nach einer Kundgebung in Nürnberg eine zeitgleich stattfindende Aktion zum Internationalen Frauentag an, provozierten und attackierten in der Nacht vom 14. auf den 15. Mai 2015 PassantInnen in der Bamberger Innenstadt und störten am 7. Juni 2015 eine Veranstaltung gegen Rassismus im Café Balthasar. Bei der letztgenannten Aktion schlichen sich sieben vermummte Neonazis vor die Lokalität, fertigen Aufnahmen an und bauten eine Drohkulisse gegen Anwesende auf; später ergriffen sie die Flucht und wurden von der Polizei gestellt.

Das brutale Auftreten der Bamberger bei diesen und weiteren Gelegenheiten bestätigte bereits früh die Befürchtungen hinsichtlich einer zunehmenden Gewaltbereitschaft und ließ eine weitere Radikalisierung erahnen. Selbst die Behörden — sonst eher zögerlich in der Bewertung solcher Vorgänge — sprachen angesichts der Betätigungen im Umfeld des linksalternativen Treffpunkts von einer „neuen Qualität“.

Der Schritt hin zu einer konspirativen Zelle mit Anschlagsplänen war dementsprechend nicht weit. Doch derartige Ziele verfolgten die Bamberger offenbar nicht bloß im Rahmen der mutmaßlichen Vereinigung in Ober- und Mittelfranken; gleichzeitig sollen einige der Aktivisten auch in das Netzwerk der WWT eingebunden gewesen sein. Die rechtsterroristische Organisation wurde im März 2016 durch das Bundesinnenministerium verboten, weil sie sich offen zur Gewalt bekannte und Anschläge geplant haben soll. Die WWT-Verbotsverfügung wurde auch dem bayerischen WWT-Sektionsleiter Hofmann-Kraus und dem Bamberger WWT-Mitglied Nadine Hofmann zugestellt. Die Ermittlungen aus Bamberg haben nach Informationen von infranken.de bei dem Vorgehen eine entscheidende Rolle gespielt; sie hätten unter anderem bei der Enttarnung der Strukturen geholfen.

Einige Monate zuvor, bei der Razzia im Oktober, klopften Polizeibeamte ebenfalls an ihre Türen. Damals wurde ihre Wohnung auf verdächtige Gegenstände durchsucht und Hofmann-Kraus in Untersuchungshaft genommen. Er saß aufgrund seiner Position in der mutmaßlich kriminellen Organisation zum Zeitpunkt der Razzia weiter in Haft — als einziger der dreizehn Tatverdächtigen. Damit schloss sich im März ein Kreis, der die Gefahren einer gut vernetzten, militant auftretenden Organisationsform offenbart. Die zugrundeliegende Entwicklung zeigt, dass gerade auch von einem kleinen Personenkreis ein großes Risiko ausgehen kann und solche Gruppen im Hinblick auf ihre Gewaltbereitschaft nicht unterschätzt werden dürfen.

  • 1Alle hier zitierten behördlichen Angaben basieren — soweit nicht anders angegeben — auf einer parlamentarischen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katharina Schulze, Ulrike Gote und Verena Osgyan vom 29. Oktober 2015 an Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU). Sie wurde aufgrund persönlichkeitsrechtlicher Aspekte nicht als gewöhnliche Drucksache veröffentlicht, liegt dem Antifaschistischen Infoblatt jedoch vor.