Skip to main content

Niederschmetternde Bilanz - Ein Jahr Machtwechsel in der NPD

Einleitung

Seit einem Jahr ist Holger Apfel Chef der NPD, seine Amtszeit ist durch Rückschläge gekennzeichnet. Die strukturellen Probleme kann der glücklose Partei­vorsitzende nicht lösen, den internen Widerstand gegen seine Person hat er offenbar unterschätzt.

Foto: Mario Bialek

Holger Apfel steht unter Ei-Beschuss als die NPD-Deutschlandtour am 7. August 2012 Station in Halle macht.

Ausgerechnet im einstigen NPD-Mus­terland Sachsen sind der Partei massiv die Strukturen weggebrochen. Die Zahl der Mitglieder liegt mittlerweile deutlich unter 1000, der Kreisverband Leipzig-Land steht seit dem Winter unter kommissarischer Führung, ein neuer Vorstand konnte trotz der An­kündigung, man werde zeitnah eine Wahl durchführen, bislang nicht installiert werden. Auch in Chemnitz habe die Partei massive Probleme, berichten Insider. Einige NPD-Strukturen sind schlicht nicht mehr existent. Zudem machen Gerüchte die Runde, der kriselnde NPD-Versandhandel »Deutsche Stimme« stehe vor dem Aus. Die finanziellen Probleme der GmbH sind alles andere als neu – und so musste Parteisprecher Frank Franz auch einräumen, man spreche »über neue Konzepte und Schwerpunktsetzungen«. Die Schließung des Versandhandels sei »derzeit« nicht geplant. Ein klares Dementi klingt anders.

Im Netz sind die Lichter bereits ausgegangen: Die Seite »Deutschland­echo«, die auffällig oft Statements und Interviews mit NPDlern wie Apfel oder Franz präsentiert hatte, ist nach einer ganzen Reihe von Krisen und Pannen mittlerweile komplett verschwunden. Das Internet-Portal sollte für die Szene einen Konterpart zu der unberechenbaren NS-Hetzseite Altermedia bieten. Beide Projekte sind mittlerweile gescheitert. Dennoch können die NPD-eigenen Seiten von dem Niedergang nicht profitieren, viele liegen brach oder werden automatisiert durch Nachrichten aus den Machtzentren der Partei, den Landtagsfraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, gefüttert. Es gibt ohnehin wenig zu vermelden: Größere, öffentlichkeitswirksame Aktionen kann die NPD kaum noch verbuchen, die gezielten Provokationen bringen bestenfalls kurzfristig Aufmerksamkeit. Zudem muss die Partei nach dem Bekanntwerden der NSU-Terrorserie versuchen, sich von dem mutmaßlichen NSU-Netzwerk zu dis­tanzieren, was angesichts der Nähe und den Überschneidungen zwischen Parteikreisen und mutmaßlichen UnterstützerInnen, besonders in Thüringen, nicht leicht fällt. Und bei der Wahl in NRW holte die Neonazi-Partei gerade einmal 0,5 Prozent. Auch in Niedersachsen geht es im Landesverband drunter und drüber. Die großmäulig angekündigte »Sommertour« der NPD entpuppte sich außerdem zum Spießroutenlaufen, die NPD wollte Aufmerksamkeit provozieren – und erntete Spott; nicht nur in der interessierten Öffentlichkeit, sondern auch in der eigenen Szene.

Kein Wunder, dass Apfel angesichts dieser Schreckensbilanz in der Kritik steht. Zudem muss er auch noch persönliche Tiefschläge einstecken: Die Ehe mit seiner Frau schien zerbrochen. Auch in diesem Fall agierte Holger Apfel höchst unglücklich: Obgleich die Trennung von seiner Frau bereits als Szeneklatsch im Netz ausgebreitet wurde und der Ring Nationaler Frauen (RNF) den Rückzug von Jasmin Apfel bekanntgab, schwieg der Parteichef lange. Mittlerweile soll Jasmin Apfel wieder zu dem NPD-Chef zurückgekehrt sein, doch der Fall zeigt beispielhaft: Apfel ist ein Getriebener, selbst gestalten kann er kaum. Und im Gegensatz zu seinem langjährigen Vorgänger und einstigen Ziehvater Udo Voigt vermag es Apfel auch nicht, zwischen den Flügeln der Partei zu vermitteln. Wie stark die Ablehnung gegen den sächsischen Fraktionschef in der Szene ausgeprägt ist, wurde im Fall Jasmin Apfel einmal mehr deutlich: Mit bösartigsten Verleumdungen wurde der Parteichef in Szeneforen überzogen, was angebliche Verfehlungen angeht. Und Apfel gilt in diesen Kreisen bereits seit Jahren als Feind: 2008 hatte der mittlerweile verstorbene Jürgen Rieger angeblich geplant, eine eigene Partei zu gründen, sollte Apfel Parteichef werden, berichtete Publikative.org. Zudem sollen füh­rende Kameradschaftskader bereits damals Strategien diskutiert haben, um eine Apfel-NPD zu sabotieren.

Dementsprechend ist der NPD in vielen Regionen die aktionistische Basis weggebrochen. Und Apfels »Sächsischer Weg« entpuppt sich zunehmend ebenfalls zu einer Luftblase. Er will die alten Inhalte nur neu verpacken, was bereits der ehemalige NPD-Funktionär Andreas Molau, der mittlerweile seinen Abschied aus der extremen Rechten verkündet hat, erfolglos versucht hatte. Molau scheiterte krachend – und auch Apfel wird zwischen den Flügeln der brüchigen Mini-»Volksfront« zerrieben. Eine klare Linie ist nicht zu erkennen, mal hetzt die NPD altbewährt gegen Migrant_innen, dann versucht sich Apfel an den Protest gegen den »Eurorettungsschirm ESM« anzubiedern. Ein Politikwissenschaftler brachte es im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags auf den Punkt: Die NPD hat den Zenit ihrer Entwicklung längst überschritten. In dieser Situation kann selbst eine Kleinstpartei wie »Die Rechte« von Christian Worch zur Gefahr für die NPD werden. Denn Worch könnte den heimatlos gewordenen Kameradschaften genau das bieten, was sie für bestimmte Aktionen wie Demonstrationen benötigen: Einen festen organisatorischen Rahmen mit den Privilegien einer Partei. In Nordrhein-Westfalen gründete »Die Rechte« bereits einen Landesverband, hier waren kurz zuvor zwei Kameradschaften verboten worden.

Allerdings läuft die Zusammenarbeit zwischen NPD und Kameradschaften nicht überall schlecht. In Mecklenburg-Vorpommern funktioniert die Arbeitsteilung beispielsweise praktisch reibungslos. Besser als Apfel im internen Machtgefüge steht somit auch Udo Pastörs dar, der bei den Freien Kräften und in der Partei ein höheres Ansehen genießt. Zwar wird Pastörs für seine offene Hetze in Neonazi-Kreisen geschätzt, doch der Preis dafür ist Ärger mit der Justiz. Pastörs wurde im August wegen einer Hetzrede im Landtag zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem war der NPD-Vize bereits 2010 wegen Volksverhetzung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und 6000 Euro Strafe verurteilt worden. Beide Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig. Und es zeichnet sich bereits ein neuer Prozess ab: Peter Heinemann, der Sohn des Ex-Bundespräsidenten Gustav Heinemann, reichte einen Strafantrag gegen Pastörs ein. Anlass war erneut eine Rede von Pastörs im Landtag; er hatte im Februar behauptet, alle Bundespräsidenten bis auf Theodor Heuss seien Mitglieder der NSDAP und meist glühende Anhänger von Adolf Hitler gewesen. Sollten die Urteile gegen Pas­törs rechtskräftig werden, dürfte er sie intern wie Orden präsentieren können, für die Außendarstellung als vermeintlich biedere Partei sind solche Vorstrafen hingegen weniger förderlich.

Während Pastörs also von einer sicheren Machtposition aus agieren kann, bricht Apfel der Rückhalt weg. Die Parteizentrale in Berlin bringt keine effektive Hausmacht – und der Niedergang der Strukturen in Sachsen ist in vollem Gange: Vor einigen Jahren waren es die Schläger und Hintermänner der »Skinheads Sächsische Schweiz«, die hier für Angst und Schre­­cken sorgten. Doch die Abkürzung SSS steht heute eher für Sächsische Schlammschlacht. Apfel verkörpert den Aufstieg der NPD in den 1990er- und 2000er-Jahren – und den Abstieg sowie die strategische Ausweglosigkeit zwischen Rechtspopulisten und NS-Flügel. »Ein Grund zur Beruhigung ist das aber nicht zwingend«, warnte Kerstin Köditz von der sächsischen Linksfraktion. »Die nunmehr nicht mehr parteigebundenen Neonazis werden sich durch besondere Aktivität pro­filieren wollen«, meint sie. Die Gefahr militanter Übergriffe könnte folglich weiter zunehmen.