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Rechtsruck in der Oi-Szene

Einleitung

Hitzige Diskussionen um die „Grauzone“ in der Oi- und Punkszene gibt es seit vielen Jahren. Bereits 2011 widmeten wir dem Thema einen Schwerpunkt. Heute, fast zehn Jahre später, lassen sich viele Musiker aus den damals umstrittenen Bands im Mainstream – oder eben in der RechtsRock-Szene wiederfinden. 

Foto: Pixelarchiv

Michael Seibert (rechts) ist Gitarrist der „unpolitischen“ Oi-Band „Extrem Unangenehm“. Hier im März 2019 auf einem Neonazi-Konzert im sächsischen Ostritz.

Der „Skin-Kult“ ist im Kern wertkonservativ. Tradition, Familie, (Männer-) Freundschaft und die unentwegte Bezugnahme auf eine Arbeiterklasse, die es heute so nicht mehr gibt, ist dafür ausschlaggebend. Progressive Ansätze, etwa die prekäre, monotone Arbeit in Frage zu stellen, findet man nur in RASH-Gruppen, den „Red And Anarchist Skinheads“. Der Großteil der Szene verweilt in der Identität des „kleinen Mannes“, der nur am Wochenende mit Gleichgesinnten den Ausbruch aus dem Alltag wagt. Man sieht sich im Konflikt mit der herrschenden Elite, und hegt gleichzeitig ein positives Gefühl zu Herkunft und Heimat. Selbstverständnisse eines „Proletariats“ sind in den sozialen Netzwerken zu finden, etwa in einem Kommentar unter einem Video der rechten Oi-Band „Rien Ne Va Plus“: „(…) ich find‘s in Zeiten von einer elitär geprägten AfD gut, dass auch heute noch Kapellen daran erinnern, das Proletariat schon immer National-sozialistisch oder kommunistisch-­orthodox geprägt war. Es war nie mehrheitlich sozialdemokratisch, international oder gar Deutschland feindlich !

Dass es auch dadurch einer rechten Szene einfach fällt, Einfluss auf eine vermeintlich „unpolitische“ Szene zu nehmen, ist zunehmend spürbar. Die Themen der letzten Jahre - Migration und die vermeintliche „Islamisierung“ - machten auch vor der Szene nicht halt. Wie in der Gesellschaft insgesamt auch, folgte eine Polarisierung, unter der der antirassistische Konsens des „Kults“ litt. Aus Kritik am fundamentalistischen, politischen Islam entwickelte sich ein antimuslimischer Rassismus. Dadurch, dass die „Grauzone“-Diskussion auch zahlreiche Auftrittsverbote für entsprechende Bands mit sich brachte, entwickelte sich zudem „die Antifa“ zum Feinbild der „unpolitischen“ Skins. „Politisch unkorrekt“ wurde zum Kampfbegriff – als Ablehnung der „Political Correctness“ (PC). Nicht  „PC“ zu sein wurde zum Alleinstellungsmerkmal einiger Oi-Bands. Dieser Habitus wirkt aber auch als Brücke zum rechten Rand der Szene.

Aus Grau mach Braun – das Beispiel „Prolligans“

Die Jahre nach 2011 dürften für viele „Grauzone“-Bands der Wendepunkt gewesen sein. Deutschrock und Oi-Punk-Festivals wurden überall aus dem Boden gestampft. Auch Bands wie die „Prolligans“ aus dem Allgäu spielten fast im Wochentakt Konzerte und konnten sich im Fahrwasser der Kommerzialisierung des „politisch Unkorrekten“ einen Namen machen. Die Band galt aus authentisch und hätte sich nie krumm gemacht, so der O-Ton ihrer Fans. Politische Inhalte waren bei den Allgäuern rar, ihre Verbindungen in die lokale Neonazi-Szene jedoch bekannt.

Erste öffentliche Positionierungen erfolgten 2015, als die Band zu „Subcultural Records“ wechselte, dem Label des Rechts­Rock-Produzenten Benjamin Einsiedler. Im Februar 2016 folgte dann ein Auftritt mit der Hamburger RechtsRock-Band „Abtrimo“ in Mecklenburg-­Vorpommern und nur kurze Zeit später wurden einige Instrumente neu besetzt. So fand man nun Musiker wie Michael Brosch von den Neonazi-Bands „Smart Vio­lence“ und „Sturmwehr“ bei den Allgäuern, wie auch Michael Liebich von der „Blood & Honour“-Band „Faustrecht“. Bei Werner Butscher, der bei „Faustrecht“ am Schlagzeug saß, wurde unterdessen neues Material aufgenommen, während der hessische Neonazi Jörn K. für die „Prolligans“ Motive für CDs und Merchandise entwarf. In der Konsequenz wurde es für die „Prolligans“ immer schwieriger, im Rahmen großer, öffentlicher Konzerte zu spielen. Bis Frühjahr 2019, als die Band ihre Auflösung bekannt gab, fand man die „Prolligans“ fast ausschließlich im Line-Up konspirativer Konzerte, während das Publi­kum von Neonazi-Skins dominiert wurde.

Mit der Entscheidung, öffentlich als Teil einer rechten Oi-Szene wahrnehmbar zu sein, entschied sich die Band auch gegen einen kommerziellen Erfolg. Für Viele in der „unpolitischen“ Szene gewannen die Allgäuer dadurch an Authentizität. Die Verbindungen in die Neonazi-Szene tat man als Non-Konformismus ab und behauptete bis zum Schluss, „weder rechts noch links“ zu sein. Eine Beliebigkeit, die man im Mainstream der Szene häufig findet.  

Gegen Rassismus machen wir gar nichts. Wir sind schließlich keine Antirassisten, was uns nicht gleichzeitig zu Rassisten macht (…) Die Skinhead ‚Roots‘ haben mit Antirassismus rein gar nicht zu tun (…)“, heißt es seitens der „Prolligans“ in den sozialen Netzwerken. Diese wertkonservativen „Wurzeln“ der Szene erlauben es der Band aber auch, sich deutlich politisch zu äußern. So hieß es im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 auf der Web-Präsenz der Band: „(…) bitten wir euch am Sonntag wählen zu gehen, um den Altparteien zu zeigen, dass auch jahrzehntelange Gutgläubigkeit eine Grenze hat und die weit überschritten ist!“ Die abschließende Zeile „Für Sicherheit, Souveränität, Freiheit und die Zukunft unserer Kinder“ findet man so auch im Wahlprogramm der Partei, die offensichtlich zur Wahl empfohlen wird – die „Alternative für Deutschland“ (AfD).

Extrem unpolitisch?

Dennoch scheint der sächsische Verfassungsschutz nicht in der Lage, Konzerte dieser Szene in die Zählung rechter Veranstaltungen aufzunehmen: „Nichtextremistisches Oi-Konzert, an dem sich die rechtsextremistische Musikgruppe PROLLIGANS (BY) beteiligte“, heißt es im sächsischen Verfassungsschutzbericht 2018 über ein Konzert der Band vom 11. August 2018 im sächsischen Borna. Dabei spricht vieles dafür, das Konzert insgesamt als „rechtsextrem“ zu bewerten, denn neben den „Prolligans“ stand schließlich auch die RechtsRock-Band „Angry Bootboys“ auf dem Programm. Das Konzert selbst hatte Olivia B. organisiert, die seit Jahren Teilnehmerin extrem rechter Konzerte ist und u.a. Kontakte zu einem der Rädelsführer der rechts-terroristischen „Oldschool Society“ (OSS) pflegte.

Auch das konspirativ organisierte Festival „Oi! The new (old) Breed“, welches zuletzt im Juli 2018 in Bad Dürrenberg in Sachsen-Anhalt stattfand, fand man in der behördlichen Zählung rechter Veranstaltungen nicht. Auf eine „Kleine Anfrage“ hieß es nur, dass die Landesregierung die „ideologische und personelle Anbindung an rechte und neonazistische Strukturen“ so einschätze, dass die Bands - darunter „Schusterjungs“ - „der sogenannten Oi!-Skinheadszene“ angehören und vom Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt nicht als „extremistische Musikgruppen“ eingestuft werden. Eine Auslegungssache also?

Nur einen Monat vor diesem Konzert stand Stefan „Klatscher“ Lahmer auf dem von der NPD organisierten Event „Tage der nationalen Bewegung“ in Thüringen auf der Bühne. Nicht als Bassist der Oi-Band „Schusterjungs“, sondern als Musiker des RechtsRock-Urgesteins „Kraftschlag“. Die Band gilt als musikalisches Aushängeschild des in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerks. Als Mitglied dieser Band wirkt Lahmer somit als Träger und Produzent neonazistischer Inhalte.

Zu „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (…) gerichtet sind (…)“ müssen Bewertungen und Beobachtungen angestellt werden, heißt es unter §4, Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde. Wenn Neonazis wie Lahmer mit seiner Band „Schusterjungs“ auftritt, ist es demnach ein „unpolitisches Freizeitvergnügen“, nur Auftritte mit „Kraftschlag“ stehen unter Beobachtung. Dieser Irrweg zeigt erneut, dass die Behörden nicht fähig sind, das Phänomen der rechten Oi-Szene adäquat zu deuten. Dabei würde ein Blick in Szene-Magazine schon ausreichen. Dort erfährt man schließlich, dass die „Schusterjungs“ in Bad Dürrenberg Lieder der RechtsRock-Band „Störkraft“ coverten, in den Spielpausen Songs der Neonazi-Band „Freikorps“ abgespielt wurden und das Festival ein Stelldichein der rechten Szene war. Wenn Stefan Lahmer auf der Bühne steht, werden darüber hinaus auch visuell politisch neonazistische Statements gesetzt. Schließlich prangt auf seiner Brust ein Tattoo mit dem Kürzel „F.D.G.K.“– ein Szene-Code für „Für Deutschland gegen Kanaken“.

Zurück zu den (r)echten Wurzeln

Konzerte der rechten Band „Endstufe“ aus Bremen gelten in Teilen der organisierten Neonazi-Szene nicht als politische Veranstaltung. Vielmehr seien die Konzerte eine Art Blaupause, in der man den Skin-Kult aufleben lasse. Tatsächlich war „Endstufe“ in den 1990er Jahren für viele Neonazis prägend, als Begleitmusik für den rechten Skin-Lifestyle. Momentan erfüllen Bands etwa aus dem NS-Hardcore-Spektrum diese Aufgabe. Gruppen wie „Endstufe“ dienen heute zum einen dazu, ältere Neonazis in der Szene zu halten und schaffen zum anderen eine Brücke aus dem politisch-beliebigen, sogenannten „unpolitischen“ Spektrum zur extremen Rechten.

Diese Strategie ist spätestens seit 2012 auch in der Öffentlichkeit erkennbar. So führte die extrem rechte Gruppierung „Honour & Pride“ in Sachsen-Anhalt bis 2014 RechtsRock-Events unter dem Namen „European Skinhead Party“ durch, während die fränkischen „Hammerskins“ parallel dazu die Konzertreihe „Skinheads are back in town“ initiierten, die zuletzt im März 2019 ausgetragen wurde. Das Event „German Skins stick together“ stammt ebenfalls aus der Feder des fränkischen Ablegers dieser Neonazi-Bruderschaft. Unter diesem Motto vereinten sich im Dezember 2017 in Kirchheim RechtsRock-­Bands wie „Smart Violence“ mit Oi-Kapellen wie „Kotten“. Auch Stefan Lahmers „Schusterjungs“ standen ursprünglich auf dem Line-Up.

Im nahen europäischen Ausland fanden ebenfalls entsprechende Veranstaltungen statt. Gleich mehrere Konzertreihen beziehen sich ausschließlich auf den Skin-Kult: „Bootboys are back“, „Give back the Oi!“ oder „Oi! The Picnic“. Letztere beherbergte jüngst auch deutsche Bands wie „Schusterjungs“ oder „Combat BC“ aus Köln. Als Veranstalter wirkt dabei der sogenannte „Bohemia Skinheads Klan“, bzw. dessen Hauptakteur Martin Korec – ein einflussreiches, ehemaliges Mitglied der „Bohemia Hammerskins“.

Thorsten Heise und seine „Arische Bruderschaft“ zogen im März 2019 nach und luden zum „Skinheads Back To The Roots“-Event nach Ostritz, wo u.a. „Endstufe“ und „Kraft durch Froide“ (KdF) auf dem Programm standen. Um die 500 Personen folgten der Einladung des Thüringer NPD-Kaders Heise, darunter zahlreiche Akteure der „unpolitischen“ Oi-Szene. So fand man etwa Melanie Heykes, vormals Namensgeberin der Oi-Band „Melanie & The Secret Army“ und heute Sängerin bei „Combat BC“ unter den Gästen, wie auch einen der Organisatoren des „Oi! The new (old) Breed“-Festivals, bekannt als „Tim“. Gemeinsam mit „Erny“, der wie „Tim“ bei der rechten Berliner Oi-Band „Bullenschubser“ spielt, war er schon Besucher eines Konzertes von „Endstufe“ im Oktober 2018 in Spanien. Es fügt sich eben alles, sobald man genauer hinschaut. Denn auch der ehemalige Gitarrist von „Bullenschubser“ - genannt „Gessi“ - war in Ostritz zugegen. Nicht im Publikum, dafür aber auf der Bühne als Musiker der Band „Eskalation“ um den Neonazi Tobias Wirth aus Bayern. „Gessi“ war bis vor kurzem noch Teil der Neonazi-Band „Kraft durch Froide“. An seiner Stelle fand man in Ostritz einen gewissen „Gunnar“ am Bass der Berliner Band. „Gunnar“ ist darüber hinaus bei der sich unpolitisch gebenden Oi-Band „SchuldSpruch“ aktiv.

„SchuldSpruch“, „Voice of Hate“ und „Bombecks“ - neue und alte Bands aus der vermeintlich „unpolitischen“ Szene. Alle benannten Bands wirkten auch im Rahmen der „Oi! The new (old) Breed“-Konzerte mit oder sind für die diesjährige Auflage angekündigt. „Voice of Hate“ ist ein Projekt von Ronald Mousolf und Ricardo Forkert, die seit 2017 auch in der RechtsRock-Band „Berlin Breed“ wirken. Auch der in Bezug auf Ostritz erwähnte „Gunnar“ war schon im Live-Lineup bei „Voice of Hate“ zu finden. Musiker seines Hauptprojekts „SchuldSpruch“ sollen ebenfalls bei „Berlin Breed“ mitwirken, wie auch in der rechten Thüringer Oi-Band „Bombecks“. 

Der Name ist Programm

Mit Blick auf Hessen, wo eine kleine, aber aktive rechte Skinhead-Szene deutlich an Bedeutung gewinnt, muss auch die 2008 gegründete „unpolitische“ Oi-Band „Extrem Unangenehm“ genannt werden. Sowohl deren Schlagzeuger Ian Dreßler wie auch Gitarrist Michael Seibert gehörten bereits zur einstigen Besetzung der Neonazi-Band „Gegenschlag“. Die Band war Anfang der 2000er Jahre die „Hausband“ der Kameradschaft „Berserker Kirtorf“, ihr „Manager“ Glenn Engelbrecht gleichzeitig Führungsperson der „Berserker“. Bis heute bewegt sich Engelbrecht in der Neonazi-­Szene und kann dem Kreis der „Arischen Bruderschaft“ von Thorsten Heise zugerechnet werden, als jene Bruderschaft, die den Saalschutz für das „Endstufe“-Konzert im März 2019 in Ostritz stellte. Hier nahm wiederum auch der „Extrem Unangenehm“-Gitarrist Seibert teil.

Dadurch wird deutlich, dass es für Mitglieder von „Extrem Unangenehm“ nie einen Bruch mit der Neonazi-Szene gab. Nur drei Monate vor Seiberts Konzertbesuch in Ostritz war die Band für das 25-jährige Jubiläum der Grauzone-Band „Krawallbrüder“ angekündigt - neben etlichen weiteren Bands der Grau- und Braunzone. Auch dieses Konzert fand nicht den Weg in die Statistik für rechte Konzerte. Dabei wäre ein weiteres Argument dafür gewesen, dass der zweite Gitarrist von „Extrem Unangenehm“, Lars Groll, ebenfalls bei einer RechtsRock-Band mitwirkte, die sich „Rachezug“ nannte. Der Sänger von „Extrem Unangenehm“ trägt wiederum eine großflächige Tätowierung eines stilisierte Keltenkreuzes, welches als Symbol der „White Power“-Bewegung gilt und in Deutschland strafbar ist.

Der Schritt der alten Neonazi-Band „Gegenschlag“ hin zur vermeintlich „unpolitischen“ Szene, wo heute ehemalige „Gegenschlag“-Musiker unter dem Namen „Extrem Unangenehm“ wirken, kann durchaus auf den Wandel des Images der rechten Skin-Szene Hessens zurückgeführt werden. Denn 2004 gab es für die „Berserker Kirtorf“ mit dem Nutzungsverbot der Scheune, in der Veranstaltungen und RechtsRock-Konzerte stattfanden, einen Einschnitt. Statt sich auf Aufmärschen und Neonazi-Konzerten zu bewegen, fielen die ProtagonistInnen u.a. bei „Onkelz-Partys“ im nahegelegen Gießen auf. Mit jüngeren Neonazis schloss sich der Kreis um die „Berserker“ zu einer Gruppe namens „Jungs für Grobe“ zusammen und fand sich vorrangig auf Feiern in Grillhütten und bei Kirmesveranstaltungen ein. Das soziale Gefüge reichte demnach aus, um die rechte Szene zusammen zu halten. Dies ist auch anhand von vermeintlich unpolitischen Veröffentlichungen wie dem Sampler „Skins and Punks-Action Tour Vol. III“ von 2015 zu erkennen, auf dem einige Bands aus dem hessischen Vogelsberg zu finden sind. Neben „Extrem Unangenehm“ wurde dort auch das Lied „Scheiß Extremisten“ von „Gegenschlag“ platziert. Rund zehn Jahre zuvor veröffentlichte die Band noch Songs wie „Rock für‘s Vaterland“ oder „Nationaler Widerstand“. Des weiteren befand sich auf dem Sampler die damals noch junge Oi-Band „Birdmountain BootBoys“. In der Besetzung befanden sich mit Groll und Dressler zwei Mitglieder von „Extrem Unangenehm“ bzw. „Gegenschlag“ und „Rachezug“. Die „Birdmountain BootBoys“ haben nun im April ihre erste CD beim rechten Label „Subcultural Records“ veröffentlicht.

Im Verborgenen

Doppel-und Dreifachmitgliedschaften, einerseits in „Grauzone“-, andererseits in neonazistischen Bands scheinen heute völlig normal zu sein. Kritik an dem vermeintlichen „unpolitischen“ Gebahren beruht dabei oft weniger auf der sogenannten „Kontaktschuld“, denn tatsächlich nehmen die Beteiligten aktiv am Geschehen der RechtsRock-Szene teil. Es erstaunt dabei kaum, dass diese auf entsprechende Kritik eine andere Perspektive haben: „wir [haben] mit NAZI-Bands (Bands, die das NS-Regime verherrlichen (…) nichts am Hut. Dass du eventuell eine andere Definition für diese diffamierende Kategorisierung wählst, ist anzunehmen,“ kontert „SchuldSpruch“ auf die Vorwürfe, sie seien mit der extrem rechten Band „Berlin Breed“ eng verbandelt.

Ein treffendes Statement, dass den Zustand der „Grauzone“ 2019 bestens beschreibt. „Rechts“ ist eben Ansichtssache, sowohl für die Szene, als auch in der Einschätzung durch Behörden. Rechte Inhalte in Bezug zu Herkunft und Heimat sind längst kein Tabu, während „politisch unkorrektes“, non-konformes Handeln gar als Ritterschlag gilt. Wie braun diese Non-Konformität ist, legte jüngst die „Exif-Recherche“ dar, die das RechtsRock-Großevent „Defend Europe“ am 20. April 2019 in Italien fotografisch dokumentierte. Denn Mitglieder der „unpolitischen“ Band „Crophead“ aus Sachsen-Anhalt waren dort ebenfalls zu Gast wie Musiker der mittlerweile aufgelösten „Prolligans“. Zusammen mit mehr als 2.000 Neonazis aus den Netzwerken von „Blood & Honour“ und „Hammerskins“ feierte man gemeinsam den 130. Geburtstag Adolf Hitlers.