Subcultural Records - Musik für unpolitische Neonazis
Sebastian Lipp„Das für den 28.10.2017 geplante ,Oi! im Gau‘ fällt aus, da wir auf einmal nicht mehr ins kulturelle Programm der Stadt passen“, jammert die Band "Prolligans" am 21. Juli 2017 unter der Überschrift: „Viel Feind, viel Ehr“ auf Facebook. Natürlich sei man davon „nicht sonderlich beeindruckt oder von künftigen Planungen“ abgehalten. Keine zwei Wochen später berichtet die Band von ihrem nächsten Rückschlag: „Das Konzert fällt für uns flach, da wir auch diesem Veranstalter nicht angepasst genug sind“. Am 27. Januar 2018 wollten die „Prolligans“ zusammen mit den Bands „Bombecks“ und „Loi!chtfeuer“ beim „Live im Woodys“ in Schleiz in Thüringen auftreten.
Die seit 2004 in unterschiedlichen Besetzungen aktiven „Prolligans“ vermitteln nach außen gerne den Eindruck einer unpolitischen Oi!-Combo. Tatsächlich handelt es sich um ein RechtsRock-Bandprojekt, das auf eindeutige Aussagen verzichtet. Mehrere Mitglieder der Kapelle aus dem Allgäu und Oberschwaben spielen zugleich in anderen einschlägigen RechtsRock-Bands wie „Faustrecht“, „Hard As Nails“ und „Smart Violence“ mit.
Rechts-Rock-Label
Sämtlich wurden diese Bands von „Oldschool Records“ produziert und vertrieben. Das ist kein Zufall. Benjamin Einsiedler, der Betreiber des Allgäuer RechtsRock-Plattenlabel „Oldschool Records“ (OSR), versucht sich seit 2014 mit seiner Label-Ausgründung „Subcultural Records“ (SCR) neue Absatzmärkte zu erschließen. SCR gibt sich betont subkulturell und sucht Anschluss an Oi!-Skins. Das Projekt erweist sich als ein Versuch, diese vorgeblich unpolitische Skinhead-Szene mit eindeutigen RechtsRock-Bands zusammenzubringen.
Für den Verkauf von Tonträgern mit gewaltverherrlichendem, neofaschistischem Inhalt über „Oldschool Records“ musste sich Einsiedler 2016 mehrere Monate lang vor dem Amtsgericht Memmingen verantworten. Die Polizei ermittelte rund 900 einschlägige Verkäufe. Bereits zuvor war Einsiedler wegen ähnlicher Taten ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten. Dieses Mal gehen die Probleme mit der Justiz auf eine Anzeige wegen eines Pullovers mit SS-Totenkopf im Shop des Angeklagten im Jahr 2012 zurück.
Bei 88 der sichergestellten Produktionen erkannte die Staatsanwaltschaft einen volksverhetzenden, Gewalt- und Straftaten billigenden, das Naziregime verherrlichenden oder sonstigen bei Verbreitung strafbaren Inhalt. In manchen der Machwerke wird zum Mord an Juden, Kommunisten oder Schwulen aufgerufen. Darunter sind teils indizierte Titel einschlägig bekannter Bands wie „Stahlgewitter“, „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“, „Skrewdriver“, „Sturmwehr“ oder „Weisse Wölfe“. „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ hatten die Taten des NSU schon 2010 – also vor dessen Selbstenttarnung – in ihrem Song „Döner-Killer“ gefeiert und sich über die Ahnungslosigkeit der Polizei lustig gemacht. Auch Eigenproduktionen von „Oldschool Records“ waren Gegenstand der Anklage.
Nicht zum Teil der Anklage gemacht wurde der Vertrieb von teils selbst produzierten Textilien wie Klamotten mit eindeutigen Botschaften wie „I love NS“ und anderen den Nationalsozialismus verherrlichenden Motiven.
Einsiedler ist zudem gut in die örtliche Neonaziszene eingebunden. Er gilt als Führungsfigur der Skinheadkameradschaft „Voice of Anger“.1
Bands die von OSR selbst produziert werden sind zum Teil international zu Konzerten unterwegs. Einige dieser Konzerte wurden von früheren Akteuren des „Blood & Honour“-Netzwerkes organisiert. Gleiches gilt zum Teil auch für Bands, die Einsiedler mit dem Label „Subcultural Records“ versieht.
„Unpolitische“ RechtsRocker
Eine der ersten Bands bei SCR waren „Pitbullfarm“ aus Schweden. Man spiele nicht auf „politischen Gigs, egal ob rechts oder links“, heißt es auf einer Seite der Band. Mit Iro- und Flatfrisur präsentierten die Rocker dennoch 2014 auf dem RechtsRock-Open Air „This one’s for the Skinheads Vol. 3“ in Nienhagen (Sachsen-Anhalt) vor hunderten von Neonazis ihren Psychobilly-Sound. Den vorigen Abend sollen die Musiker der Band laut Recherchen von Journalist_innen gemeinsam mit Anhängern der Neonazi-Partei „Die Rechte“ in einer Kneipe im Rotlichtmilieu von Braunschweig verbracht haben.
Der 1971 geborene Frontmann Joakim „Jocke“ Karlsson spielte zuvor bei verschiedenen RechtsRock-Bands. Er ist großflächig tätowiert, auf seiner Brust prangt ein Hakenkreuz, darunter ist eine Odalrune von den Worten „White Power“ umrahmt. Die „unpolitischen“ Schweden verkündeten im April 2014 via Facebook, „from now, pitbullfarm is signed to Subcultural Records!“
Erst Anfang Oktober 2017 richtet das Label selbst einen Facebook-Account ein. Später kam ein Onlineshop hinzu. Der ist offenkundig eine schlecht frisierte Kopie des Shops von „Oldschool Records“. An einigen Stellen vergaß der Betreiber anfangs sogar den Namen anzupassen. Als Kontoverbindung wird die von „Oldschool Records“ angegeben. Auch das Angebot an einschlägigen RechtsRock-Bands wird teils einfach übernommen. So sind etwa Produkte von „Abtrimo“2
oder „Endstufe“ (Vgl. AIB Nr. 91: "Einfach nur eine Skinhead-Band") erhältlich.
„for all the Skins, Punx and Drunks“
Eines der ersten Logos zeigt aber, wo die Reise hingehen soll. Man will sich „from the beautiful south of Germany for all the Skins, Punx and Drunks“ nicht-rechten Subkulturen anbiedern. Das Logo zeigt einen Skinhead und ein Renee-Girl neben einem Punk und einem Psychobilly.
Weitere Bands kommen hinzu. Die „Prolligans“ dienen als bekanntester Name des Labels als Zugpferd und versprechen kommerzielle Erfolge. „Loi!chtfeuer“ bewegen sich ebenfalls in einer Grau- bis Braunzone zwischen „unpolitisch“ und stramm rechts, wie Sören Kohlhuber berichtet: „Deren Sänger, Michael Schäfer, war NPD-Funktionär in Bremerhaven, sein Mitmusiker Lasse Krüger Aktivist der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN).“ In ihrem Lied „Die Regenbogenfahne brennt“ besingt die Band ihre Vernichtungsphantasien gegenüber Homosexuellen: „Die Zeit zum Aufwachen ist da […] Wir wollen nicht mehr länger mit schwulem Terror leben […] werden niemals Schwule akzeptieren […] ihre Tuntenbar stürmen […] Homos […] können nun die Radieschen von unten sehen“.
Der Druck wächst
Durch kritische Berichterstattung, die langsam auch in der Szene anzukommen scheint, wächst der Druck auf „Subcultural Records“ und seine Bands. „Loi!chtfeuer“ mussten ihren Fans verkünden, dass der Gig im Januar 2018, von dem zuvor bereits die "Prolligans" ausgeladen wurden, geplatzt ist. „Unser 5 Jahreskonzert wurde nun wegen massiven Druck seitens einer bekannten bookingagentur abgesagt .. Andere „Szene“ Bands drohten mit einer Absage für kommende Konzerte im Woodys. Aufgrund dessen ist saß Konzert vom Woodys abgesagt worden“, schrieb die Band am 5. September 2017 auf Facebook (Fehler im Original). Ein Ausweichtermin sei in Planung. Bis Anfang Oktober 2017 war aber davon noch nichts zu hören.
Bislang schien die Anbiederung an nicht explizit rechte Subkulturen gut zu klappen. Mit den „Southern Rebels“ aus Landsberg am Lech stand im April eine junge Band mit den „Prolligans“ auf der Bühne, die sich selbst als „not brown, not red, just Skinhead“ bezeichnet und deren Mitglieder sogar in „Against Racism & Hate“-Shirts posierten. Der Auftritt mit der RechtsRock-Combo habe den Landsbergern gefallen, wie sie im Nachhinein schrieben. Inzwischen seien sie bei „Subcultural Records“ untergekommen.
(Nachtrag: Bandmitglieder der „Southern Rebels“ sah man laut Presseberichten3 im Oktober 2017 auf einem konspirativ organisierten Konzert der Kameradschaft „Voice of Anger“ aus dem Großraum Memmingen, an dem etwa 250 Neonazis teilnahmen.)
- 1Vgl. AIB Nr. 114: Das Clubhaus von „Voice of Anger“
- 2Vgl. AIB Nr. 112: "Abtrimo: Über das rechte Netzwerk einer Hamburger Band"
- 3Vgl. bnr.de: "Zu rechts für's Oi-Konzert" von Sebastian Lipp, 12.10.2017