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Salem, Wunsiedel Schwedens?

schwedischen AntifaschistInnen (Gastbeitrag)
Einleitung

Im Stockholmer Vorort Salem findet jedes Jahr im Dezember eine der größten und wichtigsten Neonazidemonstrationen Nordeuropas statt. Jedes Jahr nehmen an dieser Demonstration zwischen 1000 und 2000 Personen teil, darunter Neonazis aus Dänemark, Finnland, Norwegen, Estland, Russland, Polen, England, Frankreich, Belgien, Holland, der Schweiz, Italien und Deutschland. Anlaß ist der Tod eines jungen Neonazisympathisanten. Unter dem Deckmantel eines Trauermarsches wird versucht, junge Menschen enger an die Neonaziszene anzubinden.

Robert Vesterlund organisierte den Neonazi Aufmarsch in Salem

Ende der 90er Jahre war die Neonazibewegung in Schweden sehr klein, machte aber durch Anschläge auf Linke, Gewerkschafter, Journalisten und Polizisten von sich reden, bei denen mehrere Menschen ums Leben kamen. Am 9. Dezember 2000 kam in Salem der junge Neonazisympathisant Daniel Wretström bei einer Auseinandersetzung mit schwedischen und migrantischen Jugendlichen ums Leben. Die Neonazis sahen ihre Chance, einen Märtyrer zu schaffen und an diesem Datum eine gemeinsame Demonstration aller in Schweden vorhandenen Strömungen der extremen Rechten zu etablieren. Die seitdem jährlich stattfindende Demonstration dient einerseits als niedrigschwelliges Angebot an noch nicht organisierte, sympathisierende Jugendliche, aber auch als Gelegenheit, organisierte Neonazis aus anderen Ländern zu treffen.

Das an Salem grenzende Viertel Botkyrka gilt als »Problembezirk« mit hoher Armutsrate und vielen MigrantInnen. Die Neonazis haben es geschafft, ein Bedrohungsszenario durch die multikulturelle Gesellschaft aufzubauen und ihre Strukturen dort und in anderen Teilen Stockholms zu stärken. Sie mobilisieren für den Aufmarsch unter dem Motto: »Gegen Schwedenfeindlichkeit«. Mit dieser Selbststilisierung als Opfer »rassistischer Gewalt« gegen Schweden versuchen sie, Jugendliche für ihre Sache zu gewinnen.

Wie jedes Jahr gab es auch dieses Jahr eine Vielzahl von antifaschistischen Aktivitäten gegen die Demonstration in Salem: Es wurde versucht, den Marsch durch Blockaden wichtiger Bahnhöfe zu verhindern. Desweiteren gab es eine große Bündnisdemonstration, organisiert von Gewerkschaften, linken Parteien, Migrantengruppen und außerparlamentarischen Linken, an der 1500 Personen teilnahmen. Tagsüber wurden die Neonazis an ihren Schleusungspunkten von Antifaschisten angegriffen. An den Aktionen gegen den Aufmarsch waren 2000-2500 AntifaschistInnen, auch aus Norwegen, Dänemark und Deutschland, beteiligt. Aufgrund der massiven Proteste konnte der Aufmarsch nur mit einiger Verspätung starten. 1300 Neonazis liefen dieses Jahr durch Salem, darunter Engländer, Norweger und Dänen.

Rund 100 Deutsche aus Hamburg, Rostock, Berlin und Südwestdeutschland konnten beim Salem-Marsch 2004 unter den den TeilnehmerInnen ausgemacht werden. Der stellvertredende Chef der NPD-Jugend, Stefan Rochow, hielt eine Rede. Deutsche Neonazi-Aktivisten wie Lars Jacobs, Riccardo Sturm, Malte Redeker und Rene Rodriguez Teufer repräsentierten hier die spektrenübergreifende Mobilisierungsfähigkeit des Events.

Der Aufmarsch wird unter dem Label »Salemfonden« organisiert, hinter dem sich die Kameradschaft »Info14« verbirgt. Der Anführer dieser Gruppe ist Robert Vesterlund, der auch als Anmelder fungiert. Seit Anfang der 90er Jahre ist er in der militanten Neonaziszene Schwedens aktiv und mehrfach vorbestraft. Unter anderem gab er den Auftrag für den Mord an dem Gewerkschafter Björn Söderberg im Jahre 1999 (siehe AIB 50: »Schweden: Geht der Terror weiter«).

Info14 verfügt über gute Kontakte zu Blood & Honour, Nationaldemokraterna (Nationaldemokraten), Nationalsocialistisk Front (Nationalsozialistische Front – NSF) und der Svenska Motstandsrörelsen (Schwedische Widerstandsbewegung). Die neonazistischen Kameradschaften sind sehr aktivistisch ausgerichtet und verantwortlich für viele Überfälle auf Migranten und Linke. Dieses Jahr waren schwedische Neonazis von Info14 nach Deutschland gereist, um auf dem Rudolf-Heß-Marsch in Wunsiedel für die Demonstration in Salem zu werben, während die meisten ihrer schwedischen Kameraden in Stockholm und in Dänemark an den dortigen Heß-Märschen teilnahmen. Sie liefen nach den verschiedenen Verboten schließlich bei einer Ausweichdemonstration in Peine mit.

Die Kontakte zu den deutschen Kameraden wurden über die Internetseite des »Nordischen Hilfswerks« hergestellt. Hinter der Seite verbirgt sich der 31 jährige Stephan Günther, der in Kopenhagen lebt. Er ist ebenfalls für die Reisen schwedischer und dänischer Neonazis zu den Rudolf-Heß-Märschen der letzten Jahre verantwortlich. So nahmen 2002 und 2003 Neonazis der NSF und der Schwedischen Widerstandsbewegung an den Demonstrationen in Wunsiedel teil, Vertreter der NSF hielten dort auch Reden.

Interne Streitereien

In den letzten Jahren war der gewünschte Charakter der Demonstration in der schwedischen Neonaziszene umstritten. Die Nationaldemokraten wollten in erster Linie einen »unpolitischen« Trauermarsch durchführen, während die freien Kameradschaften eine offensivere Demonstration anstrebten. Im Sommer 2004 hatten die Nationaldemokraten aufgrund interner Querelen mit massiven Mitgliederverlusten zu kämpfen. Viele Mitglieder wanderten zu den Schwedendemokraten und zur NSF ab, die Kader und Aktivisten vor allem zur letzteren. 2004 beteiligten sich die Nationaldemokraten nicht an am Aufmarsch. Zusätzlich gab es viele Streitereien innerhalb des Vorbereitungsbündnisses, so dass 2004 mit 1400 Teilnehmern 600 weniger als im Vorjahr den Weg nach Salem fanden.

Dieses Jahr wurden die internen Streitereien vorerst beigelegt und die Nationaldemokraten waren wieder dabei. Es wurde sich darauf geeinigt, dass in Salem ein Trauermarsch mit Fackeln ausgerichtet wird, an dem sich auch Bürger und Jugendliche beteiligen können. Zum Demonstrieren der eigenen Militanz und Radikalität gibt es seit diesem Jahr eine andere Gelegenheit, den »Marsch des Volkes« der freien Kameradschaften am 6. Juni, dem schwedischen Nationalfeiertag, der seit neuestem auch offizieller Ruhetag ist. Die beiden extrem rechten Parteien, Nationaldemokraten und Schwedendemokraten, setzen vor allem auf den Parlamentarismus.

Sie haben Mandate in einigen Kommunen und betreiben dort rassistische Politik. Die letzten Wahlen im Jahr 2002 waren für beide Parteien ein großer Erfolg. Die Nationaldemokraten arbeiten eng mit den freien Kameradschaften zusammen, während die Schwedendemokraten versuchen, sich ein konservatives Image zu geben und vor allem Hetze gegen MigrantInnen betreiben. Wegen der erfolgreichen Wahlen 2002 sind beide Parteien finanziell gut aufgestellt, einerseits durch die Wahlkampfkostenrückerstattung, andererseits durch die Diäten ihrer Abgeordneten. Dadurch wird es ihnen möglich sein, bei den Wahlen 2006 massiv Propaganda zu betreiben. Dass die beiden Parteien erfolgreich sind, zeigt sich daran, dass die regierenden Sozialdemokraten viele rassistische Forderungen der Nazis umgesetzt haben. So sind die eher liberalen Migrationsgesetze in den letzten Jahren stark verschärft worden und es ist für Nicht-EU-Bürger erheblich erschwert worden, die schwedische Staatsbürgerschaft zu erlangen.       
 

Anmerkungen:
Einige Stunden nach den Protesten wurden neun Antifaschisten aus Deutschland von der Polizei festgesetzt, zwei von ihnen befinden sich immer noch in Untersuchungshaft.

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