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Tatort Porz: Prozess gegen CDU-Lokalpolitiker Bähner in Köln

„Initiative Tatort Porz“ (tatort-porz.org)
Einleitung

Im Saal 210 des Kölner Landgerichts begann am 5. November 2021 der Prozess gegen den CDU-Lokalpolitiker Hans-Josef Bähner. Er ist angeklagt im Dezember 2019 einen Jugendlichen in Köln-Porz rassistisch beleidigt und angeschossen zu haben: Krys M., das Opfer, überlebte die Tat (Vgl. AIB Nr. 126).

Der Prozess sollte ursprünglich im März 2021 beginnen, wurde aber mit Verweis auf die Corona-­Pandemie und das Alter des Angeklagten kurzfristig abgesagt. Dass der Prozess nicht auf unendlich verschoben wurde, ist wohl vor allem den steten Nachfragen an das Gericht und den öffentlichen Forderungen nach Gerechtigkeit für Krys zu verdanken. Zuvor hatte ein Anwalt Bähners offenbar eine Verzögerung des Prozesses zu erwirken versucht.

In den ersten drei Prozesstagen wurden – nach Verlesung von Anklage und einer Einlassung Bähners – zunächst Krys sowie seine drei Freunde, mit denen er in der besagten Nacht unterwegs war, als Zeugen vernommen. Im Anschluss sagten drei von zehn geladenen Polizeibeamten aus.

Hans-Josef Bähner ist angeklagt, mittels einer Waffe Krys M. lebensgefährlich verletzt und ihn beleidigt zu haben sowie gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben. Er soll – laut Anklage der Staatsanwaltschaft – in der Nachtruhe gestört, mit einer Schusswaffe sein Haus verlassen haben, und durch Vorzeigen der Waffe die vier jungen Männer aufgefordert haben, sich von seiner Grundstücksgrenze zu entfernen. Er habe sie rassistisch beleidigt, daraufhin habe es ein Wortgefecht gegeben und es fielen weitere Beleidigungen. Hans-Josef Bähner soll dann nach den vier Männern geschlagen und versucht haben, sie auf sein Grundstück zu locken, um schießen zu können. Dann habe er laut Anklage aus maximal fünf Zentimeter Entfernung mit einer unregistrierten Waffe geschossen und Krys auf Höhe des Oberarms getroffen. Danach habe er von weiteren Schüssen abgesehen, weshalb ihm kein versuchtes Tötungsdelikt vorgeworfen wird.

Die Nacht in Porz

Krys schilderte als Angeschossener und Zeuge die Tatnacht im Detail. Seine Beschreibung wurde von den drei Freunden als Zeugen im Großen und Ganzen bestätigt: Die vier Männer hatten sich in der Nacht spontan verabredet, zusammen etwas Alkohol zu trinken und gemeinsam einen circa einstündigen Spaziergang nach Hause zu machen, der am Rheinufer in Köln-Porz entlang führte. Der schmale Weg läuft an Wohnhäusern entlang, eine halbhohe Mauer trennt das Wohnhaus vom Weg. Als die Vier dort kurz anhielten, um sich Alkohol nachzuschenken bellte sie ein Hund an, der von Krys verbal zurecht gewiesen wurde. Als Bähner aus dem Haus kam folgte ein hitziges Wortgefecht mit gegenseitigen Beleidigungen. Plötzlich zog Bähner die Waffe, welche von zwei der Freunde zwar gesehen, aber als ungefährliche Schreckschusspistole eingeschätzt wurde. Ein Schuss fiel, die Männer entfernten sich und stellten bald fest, dass Krys einen Durchschuss an der Schulter hatte. Dann riefen sie die Polizei.

Bähners Versionen

Seine Einlassung zur Sache hatte der Angeklagte Hans-Josef Bähner zu Beginn über seine Anwälte Boris Krösing und Mutlu Günal verlesen lassen: Bähner sei in der Tatnacht mit dem Hund draußen gewesen und habe seine Waffe in die Hose gesteckt, zunächst Magazin und Waffe ­getrennt. Draußen habe er Leute rangeln sehen und sei hinausgelaufen um zu fragen, ob er helfen könne oder die Polizei rufen solle. Dann hätten die Männer angefangen, auf seine Hand zu schlagen, er ­habe davon eine schmerzhafte Quetschung und einen Bruch am linken Mittelfinger davongetragen. Er habe dann die Waffe genommen und die Männer gewarnt, dass die Waffe geladen sei und er sie benutzen würde, sollten sie sein Grundstück betreten. Da einer der Männer auf die Mauer geklettert sei, habe er die Waffe geladen und entsichert. Bähner habe einen Warnschuss in die Luft abgeben wollen, sei aber gegen den Arm geschlagen worden. Dabei habe sich ein Schuss gelöst und die Männer hätten sich entfernt. Bähner habe gedacht, der Schuss sei in den Boden gegangen, sei ins Haus zurückgekehrt und habe sich schlafen gelegt.

Bähner ließ seine Anwälte betonen, er habe niemanden rassistisch beleidigt, er sei kein Rassist und wolle auch nicht als solcher verstanden werden. Seine Facebook-Seite möge vielleicht einen solchen Eindruck machen, dies sei aber nicht von ihm intendiert. Die nicht auf seiner Waffenbesitzkarte eingetragene Waffe habe er als Andenken an verstorbene Freunde verwahrt. Beide – die Tatwaffe und einen Revolver – lagerte er aus Angst vor möglichen Angreifern im Schlafzimmer. Am Porzer Rheinufer ginge er grundsätzlich nur bewaffnet mit dem Hund spazieren.

Als Person gab sich Bähner verantwortungsbewusst und im Dienste des Gemeinwohls: Er habe nach einer Ausbildung Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet und sei zudem über Jahrzehnte in zahlreichen Schützenvereinen aktiv gewesen. Er habe die Erlaubnis Schützen auszubilden, Prüfungen abzunehmen und einen Schießstand zu beaufsichtigen. Bähner war sechs Jahre in der Bezirksvertretung Porz aktiv und außerdem ehrenamtlich bei einer Wohnungsgesellschaft.

Diese anwaltliche Version unterscheidet sich beträchtlich von der Anklageschrift, den Aussagen aller Zeugen und auch Bähners ersten eigenen Darstellungen gegenüber der Polizei. Einem Polizisten zufolge habe Bähner in der Tatnacht keine eigene Verletzung erwähnt. Bähner habe zudem behauptet, dass er die Tatwaffe in seinem Garten gefunden habe, nachdem er draußen einen Schuss hörte. Blöd nur, dass die Originalverpackung der Pistole später im Keller des "Waffennarrs" gefunden wurde.

Täter-Opfer-Umkehr

Bähners Verteidiger nutzen die Befragung von Krys und den drei anderen jungen Männern vornehmlich zu einer Art „Diskreditierung“ der Zeugen. Beide Anwälte bedienten sich dabei taktischer Mittel wie der versuchten Verunsicherung von Zeugen („Sie lügen!“) und der Nebenklage. Bei einigen Beobachter_innen entstand hierbei der Eindruck von Respektlosigkeit, Überheblichkeit sowie der Ausnutzung juristischer Spitzfindigkeiten, um die jungen Männer aus dem Konzept zu bringen und in Widersprüche zu verwickeln.

Indes erreichten sie dieses Ziel nicht. Den rassistischen Hintergrund der Tat versuchen die Anwälte zu beseitigen, indem sie Krys und den drei Freunden unterstellen, sich die rassistischen Worte Bähners erst nachträglich ausgedacht zu haben. In der am frühen Morgen nach dem Schuss durchgeführten ersten polizeilichen Vernehmung hatten der verletzte Krys im Krankenhaus und die anderen drei zwar allgemein von den rassistischen Beleidigungen Bähners berichtet, aber die beleidigenden Worte nicht einzeln aufgezählt. Das folgte erst in einer Vernehmung im Polizeipräsidium einige Tage später.

Aufklärung und Konsequenzen

Insgesamt ging es in dem Prozess bislang wenig um den Täter oder die Tat selbst. Doch leiden Krys und seine Freunde bis heute unter den Folgen der Tat. Krys hat noch Schmerzen in Arm und Schulter, Albträume und Flashbacks. Auch seine Freunde berichten von andauernden psychischen und psychosomatischen Folgen. Edith Lunnebach, die Nebenklageanwältin, erklärte nach dem ersten Prozesstag, ihr Mandant Krys fühle sich als Angeklagter und nicht als Zeuge.

Diese Täter-Opfer Umkehr kennen wir aus dem NSU-Komplex und anderen Fällen rassistischer Gewalt. Der Polizei zufolge wurde das Haus Bähners nach der Tat nicht von einem Sondereinsatzkommando (SEK) gestürmt, ­­wie ansonsten üblich, sondern umstellt und der Schütze hinausgebeten – Bähners Privileg als weißer, konservativer Lokalpolitiker?

So unwahrscheinlich es zunächst klingen mag, fürchten wir doch, dass die Verteidigung mit ihrer Version von einem seriösen Lokalpolitiker Gehör findet, der nur zur Waffe greift, um in seinem „Veedel“ für Sicherheit zu sorgen. Die perfide Strategie setzt dabei auf vorherrschende rassistische Bilder und zielt genau auf eine Täter-Opfer-­Umkehr. 

Wir fordern  dagegen die vollständige Aufklärung der Tat mit allen nötigen Konsequenzen: Diese beinhalten die Entwaffnung Bähners und ein Waffenverbot für RassistInnen. Wir fordern ein Schuldeingeständnis und eine Entschuldigung des Täters sowie dessen Verantwortungsübernahme z.B. durch die finanzielle Übernahme aller Therapiekosten von Krys und den drei mitbetroffenen Freunden. Wir fordern endlich eine ehrliche gesellschaftliche Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Rassismus und Respekt für Betroffene rassistischer Gewalt. Denn Rassismus ist der gesellschaftliche Boden, auf dem rassistische Angriffe gedeihen und Menschen sich das Recht nehmen, durch Waffen für Selbstjustiz sorgen zu wollen.

Nachtrag

[Köln, 12.01.2022] Der Prozess gegen Hans-Josef Bähner ging am Montag, den 10. Januar 2022 überraschend schnell zu Ende. Das Landgericht Köln befand Bähner der gefährlichen Körperverletzung, der Beleidigung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz für schuldig und sprach eine Haftstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten aus. Als strafverschärfend wurde dabei u.a. ein „fremdenfeindliches“ Motiv nach §46 StGB herangezogen. Das Urteil – insbesondere die Anerkennung des rassistischen Tatmotivs – führte zu Erleichterung und Aufatmen bei den Betroffenen und allen Prozessbeobachter:innen.

Die Erleichterung über das Urteil kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Prozess auch an vielen Stellen institutionellen Rassismus offenbart hat. Insbesondere das Vorgehen der Polizei, die an vielen Stellen den Täter privilegierte und die Aussagen des Überlebenden zu den rassistischen Beleidigungen nicht als relevant erachtete, muss kritisch aufgearbeitet werden. Auch die fehlende Sensibilität des Gerichts im Umgang mit den Betroffenen, insbesondere dem Überlebenden Krys hat uns sprachlos zurück gelassen.

Errungenschaften wie die Anerkennung von Rassismus in Anklage und Urteil müssen sich in allen Fällen rassistischer Gewalt wiederfinden. Aber wir müssen auch weiter machen: der institutionelle Rassismus muss bis ins letzte Detail bekämpft und überwunden werden!“, so Berena Yogarajah von der Initiative Tatort Porz nach der Urteilsverkündung.