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Der CDU-Doppelpaß mit Rechtsaußen

Einleitung

Die Machtfrage in Hessen scheint fürs Erste geklärt. Mit der Unterschriftensammlung gegen die rot-grünen Pläne zur doppelten Staatsbürgerschaft und der damit verbundenen Totalmobilmachung des rechten politischen Spektrums gelang es der CDU, den Wahlkampf zu diktieren und alle anderen Parteien in die Defensive zu drängen. Die Wahl wurde zum Triumph für die CDU, die 43,4 % der Stimmen gewann und mit ihrem »Juniorpartner« FDP (5,1% der Stimmen) für die nächsten vier Jahre die Regierung stellt. Die Ergebnisse der "noch rechteren" Parteien wie NPD (0,2%), "Die Republikaner" (2,8%) und "Bund Freier Bürger" (0,4%) erscheinen demgegenüber genauso nebensächlich wie es deren Wahlkampfaktivitäten waren. Und die politische Linke, die durch die Kampagne beinahe überrollt wurde, bleibt weitgehend sprachlos und paralysiert zurück.

Bild: flickr.com; partykamera;/CC BY NC 2.0

Der CDU-Politiker Roland Koch mobilisierte mit einer Kampagne gegen den Doppelpaß RassistInnen.

Rassistische Mobilmachung

Der Rechtsruck und der rassistische Grundkonsens in der Bevölkerung, den der Wahlausgang letztendlich nur bestätigte, zeigte sich in besonderer Intensität auf den Straßen und vor allem auch in der "Multikulti-Hauptstadt" Frankfurt. Für das rassistische Klientel, welches sich in der Vergangenheit eher murrend dem multikulturellen Konsens der selbsternannten Weltstadt gefügt hatte, war die Unterschriftensammlung zweifelsohne ein Blockadebrecher. Der an den CDU-Ständen täglich vollzogene Schulterschluß zwischen hochmotivierten CDU-Fußtruppen, wertkonservativen BürgerInnen, alten und jungen (Neo-)Nazis und rassistischen Pöblern mit Jägermeister-Fahne ließ das dort versammelte Volk spüren: »Wir sind viele«.

Und gestärkt durch derlei Erkenntnisse ließen es sich manche nicht nehmen, in der nächsten U-Bahn oder am naheliegenden Info-Stand der Partei "Die Grünen" die rassistische Sau rauszulassen. Der kosmetische Zusatz »Ja zur Integration«, der sich auf der Unterschriftenliste und auf den CDU-Flugblättern befindet, dient(e) vor allem zur verbalen Abgrenzung vom offen neonazistischen Spektrum und verhinderte freilich nicht, daß die allermeisten UnterzeichnerInnen die Liste so verstanden, wie sie zu verstehen war: als eine Liste gegen Ausländer.

Einen recht ungewöhnlichen Nachweis hierfür brachte das Satireblatt Titanic. Unter dem Logo der CDU bauten deren MitarbeiterInnen in Frankfurt einen »eigenen« Stand mit Unterschriftenliste auf. Das fleißig unterschreibende Volk störte sich weder an den dort verwendeten Slogans »Zu viele Ausländer - schöne Scheiße« und »Schluß mit dem Doppelmoppel mit Ausländern« noch an den auf dem »Infotisch« ausliegenden Büchern - einem Standardwerk über deutsche Schäferhunde und dem Goebbels-Tagebuch.

...und eine paralysierte Linke

Das linke und liberale Spektrum hatte dem nicht sehr viel entgegenzusetzen. Zwar erreichte der von der "Frankfurter Rundschau" initiierte »Frankfurter Appell« bereits nach drei Wochen über 100.000 UnterzeichnerInnen und fanden in vielen Städten antirassistische Protestaktionen vor den CDU-Ständen statt. Doch stellte die Aggressivität der ganz gewöhnlichen Deutschen die AntirassistInnen vor eine neue Qualität der Auseinandersetzung und somit vor ein kaum lösbares Problem. Antirassistische Kundgebungen oder Blockadeaktionen wurden ständig provoziert und mehrfach auch angegriffen; sei es durch ausgewiesene rechte Schläger, die es offensichtlich nur aus diesem Grund zu den CDU-Ständen gezogen hatte, oder durch RentnerInnen, die in die Menge stürmten und von der Polizei entfernt wurden. Es gelang nicht, einen antirassistischen Widerstand auf die Beine zu stellen, der auch nur annähernd das Selbstbewußtsein und die Dynamik des rechten Mobs erreicht hätte.

Von den Regierungsparteien, SPD und GRÜNE, war dies am allerwenigsten zu erwarten. In der irrigen Annahme, die Kampagne der CDU würde ins Leere laufen, setzte die argumentative Verteidigung der geplanten Staatsbürgerschaftsreform erst sehr spät - zu spät! - ein, wobei von einem offensiven Auftreten schon gar nicht die Rede sein kann. Ihr Wahkampf war geprägt durch Siegeszuversicht und Selbstgefälligkeit. So zeigte das beherrschende Plakat der SPD lediglich das Konterfei von Hans Eichel übertitelt mit der unheimlich inhaltsschwangeren Aussage »Der Ministerpräsident.« Politisch, so mochte mensch annehmen, gab es kaum etwas zu vertreten.

Von Hinterbänklern zu Landesvätern - Die Landesregierung des Roland Koch

Die Strategie, die Partei weit nach rechts zu öffnen, um politischen Druck zu erzeugen und um drohende Wahlerfolge ultra-rechter und neonazistischer Parteien zu verhindern, hat in Hessen eine besondere Tradition. Schon 1969 gelang es Alfred Dregger mit einem ultrarechten Wahlkampf die ihrerzeit auf einer Erfolgswelle schwimmende NPD in Schach zu halten. Die daraus erwachsene Problematik besteht jedoch darin, die (Un)geister, die man rief, nachfolgend loszuwerden oder zu disziplinieren - vorausgesetzt, man will es überhaupt.

Daß derartiges ausgerechnet dem neuen Ministerpräsidenten Roland Koch gelingen soll, mag bezweifelt werden. Koch dient seit Jahren schon als ein Aushängeschild des rechten Flügel der in Hessen sowieso schon weit rechts stehenden CDU. Im Ringen um den CDU-Landesvorsitz lehnte er sich 1992 mit der Forderung, rechts von der Union auf Stimmenfang zu gehen und nach Koalitionspartnern zu suchen, weit aus dem Fenster, unterlag jedoch gegen den späteren Innenminister Manfred Kanther.

Roland Koch trat hierbei als Frontmann des „Petersberger Kreis“ auf, einer »wertkonservativen Sammlung« innerhalb der hessischen CDU, deren offenes Eintreten für eine Koalition mit der rechten Partei "Die Republikaner" noch 1992 innerhalb der eigenen Partei als »Stammtischweisheiten einiger Hinterbänkler«1 abgetan wurde.

Zunehmende Bedeutung erlangten die »Wertkonservativen« schließlich über die CDU-nahe Rechtsaußentruppe "Christlich-Konservative Deutschland-Forum" (CKDF), für das der "Petersberger Kreis" in Hessen den Boden bereitete. Zu einem CKDF-Sprecher wurde auch Rudolf Karl Krause aus Sachsen-Anhalt gewählt, der dann aber 1993 doch lieber zu der rechteren Partei "Die Republikaner" wechselte. Der weitere CKDF-Sprecher Claus Jäger aus Baden-Württemberg hielt 1993 das Einleitungsreferat der ersten "Junge Freiheit"-Sommeruniversität, wo u.a. bekannte Rechtsaußen wie Andreas Mölzer und Rolf Schlierer auftraten.

Die Bedeutung des CKDF in Hessen bestand vor allem darin, daß das CKDF eine Schnittstelle zu den Ultra-Rechten vornehmlich aus den Kreisen um die rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" darstellte und diese auf deren Marsch in die Institutionen maßgeblich unterstützte.

Bei der Gründung des CKDF-Landesforums Hessen in Friedberg wurde der damals 22jährige Frank Bötzkes Vorsitzender, welche auch als Autor in der rechten Zeitung "Junge Freiheit" publizierte. Vordenker des Frankfurter Leserkreises der JF war zu dieser Zeit der Student Thilo Stratemann der seine spätere Aufnahme in die CDU einer Bürgschaft der Frankfurter CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach zu verdanken haben soll. Das er zu den Gründern des CDU-nahen "Ring Christlich Demokratischer Studenten" (RCDS) an der Fachhochschule Frankfurt/Main gehört hatte, dürfte sich auch positiv ausgewirkt haben. Das er auch als "Senior des Vereins Deutscher Studenten zu Frankfurt am Main" namentlich einen Aufruf der "Initiative 3.Oktober" aus den Kreisen des ultra-rechten "Bündnis konstruktiver Kräfte Deutschlands" (BKKD) in der rechten Zeitung "Das Ostpreußenblatt" 2 unterstützte war offenbar kein Problem.

Heute engagiert sich Stratemann für den rechtsintellektuellen Zirkel "Staatspolitischer Club Rhein-Main" und betätigt sich als Souffleur für den neugewählten Frankfurter Landtagsabgeordneten Boris Rhein. Der 28-jährige Rhein, Kreisvorsitzender der "Jungen Union" in Frankfurt und Mitglied des Landesvorstandes, hatte in seiner noch jungen politischen Karriere schon für die eine oder andere Schlagzeile gesorgt.

1996 stellte er sich mit Erika Steinbach an die Spitze der KrikerInnen gegen das Ansinnen der CDU-Führung, zu den Kommunalwahlen 1997 auf den CDU-Listen auch EU-BürgerInnen zuzulassen. Dem jüdischen CDU-Funktionär Michel Friedman soll er nahegelegt haben, ein Angebot der Jüdischen Gemeinde in Berlin wahrzunehmen, denn in Frankfurt würde ihn niemand vermissen. Ähnlich Ausfälle sind auch vom neuen Landesvater Roland Koch überliefert. Nach dem verpatzten Polizeieinsatz beim neonazistischen Rudolf-Heß-Marsch 1993 in Fulda soll er er sich die Kritik jüdischer Verbände verbeten haben, da dies kein jüdisches, sondern ein rein deutsches Problem sei.

Zu den Mitstreitern im "Petersberger Kreis" zählte auch der CDU-Landtagsabgeordnete Bernd Hamer aus Bad Homburg (Taunus). Er half 1993 durch einen Auftritt vor dem "Junge-Freiheit"-Leserkreis Frankfurt tatkräftig mit, diesen salonfähig zu machen. In der damaligen »Asyldiskussion« verbreitete er ungeniert »Das Boot ist übervoll«-Parolen und warf Flüchtlingen vor, sie wollten »lediglich das soziale Netz Deutschlands in Anspruch nehmen«. Selbst in Kreisen der Union wurde gegen Bernd Hamer der Vorwurf der Volksverhetzung laut. Und konservative Medien betitelten ihn als »Scheuklappenpolitiker, der mit billigen Populismus und Hetze gegen Flüchtlinge ins Horn der Republikaner stößt«.3

Bei den Landtagswahlen 1999 gelang Bernd Hamer in seinem Wahlkreis ein Erdrutsch-Sieg, über 53% der WählerInnen des Hochtaunus-Kreises votierten für ihn. Der latente bis offene Rassismus in Teilen der hessischen CDU und die beinahe zwangsläufigen Folgen zeigten sich in den letzten Monaten auch in der Kommunalpolitik.

Der Ortsbeiratsfraktions-Vorsitzende des Stadtteils Fechenheim, Wolfgang Bodenstedt, nebenbei Mitglied des des CKDF und der rechts-konservativen "Frankfurter Tafelrunde", kommentierte einen rassistischen Brandanschlag auf ein von Roma bewohntes Haus damit, daß diese sich nicht angepaßt hätten. Obwohl Wolfgang Bodenstedt von Teilen seiner Partei Rückendeckung bekam, stellte er sein Amt zur Verfügung. Als Nachrücker auf dem freigewordenen Platz im Ortsbeirat folgte Thilo Stratemann.

  • 1FAZ, 23.7.1992
  • 2"Das Ostpreußenblatt" 23.9.1999
  • 3Oberurseler Kurier, 26.9.1992