Studienzentrum Weikersheim : Ganz Rechts um, kehrt Marsch
Eine »bemerkenswerte Schwenkung zurück ins konservative und national-freiheitliche Lager« erkennt das völkische »Ostpreußenblatt« beim Studienzentrum Weikersheim (SZW) und selbst die neofaschistische Monatszeitschrift »Nation & Europa« hat »Erwartungen«: Der ultrarechte Politikprofessor Klaus Hornung und langjährige SZW-Referent hat im Mai den Vorsitz des Studienzentrums übernommen. Er löst den CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang von Stetten ab, unter dessen Führung das SZW – so das »Ostpreußenblatt« – wegen der »Austauschbarkeit seiner Themen fast aus der Öffentlichkeit verschwunden« sei. Nun heißt die Devise also: Back to the roots.
Nach Jahren des Niedergangs des ehemals einflussreichen Think Tanks des rechten Rands der CDU soll nun offenbar der Versuch unternommen werden, dem SZW wieder das seit dem Ende der Kohl-Regierung zunehmend gesunkene Ansehen zu verschaffen: Der neue Vorsitzende Klaus Hornung vertritt einen Konservatismus, für den die vermeintlichen Übel der Moderne mit der Französischen Revolution anfangen. Hornungs Sympathien gelten statt dessen Männern wie dem jüngst von ihm biografierten Gerhard von Scharnhorst, dessen »Leistung« darin besteht, den deutschen »Volkskrieg« gegen Frankreich und gegen die Errungenschaften der Französischen Revolution im Jahr 1813 massgeblich mit vorbereitet und dabei der völkischen Ideologie im späteren Deutschland zum Durchbruch verholfen zu haben. Hornungs politische Aktivitäten und seine zahlreichen Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften Rechts der Union haben ihm auch in der radikalen Rechten weithin Akzeptanz verschafft.
Die Mehrheit der übrigen Mitglieder des neuen SZW-Vorstands sind CDU-Parteifunktionäre, wie die SZW-Vizepräsidenten Philipp Jenninger1 und der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm. Hornungs Attraktivität innerhalb der radikalen Rechten soll also offenkundig für deren Anbindung an die CDU sorgen. Entsprechend ist schon jetzt der Starredner für den SZW-Jahreskongress 2002 – rechtzeitig zum Bundestagswahlkampf – auf der SZW-Website angekündigt: Der Hoffnungsträger des rechten CDU-Flügels, der hessische Ministerpräsident Roland Koch. Konzipiert wurde das SZW ursprünglich als Denkfabrik nach dem Vorbild konservativer Think Tanks in den USA. Sein Gründer, der 1913 geborene Jurist Hans Filbinger, hatte 1978 den Job des baden-württembergischen Ministerpräsidenten an den Nagel hängen müssen, nachdem mehrere Unrechtsurteile bekannt wurden, die er noch 1945 als Militärrichter des Nazistaates verhängt hatte. Die Denkfabrik SZW sollte vor allem einen Konservatismus stärken, der sich aus den reaktionärsten Quellen christlicher Tradition, Militarismus und völkisch-deutschem Nationalismus speist.
Förderung deutsch-nationaler Identität und Politik gegen MigrantInnen, Verschärfung des § 218, eine machtvolle Bundeswehr zur Durchsetzung aussenpolitischer Interessen, Einsatz für klerikale Moralvorstellungen und starker Staat sind Programmpunkte, für die »Weikersheim« steht. Kein Wunder also, dass auf SZW-Veranstaltungen gelegentlich REPs, ehemalige NPDler oder Mitarbeiter des »Nation Europa«-Verlages anwesend waren, und dass manche SZW-ReferentInnen punktuell mit NeofaschistInnen zusammenarbeiten. Der emeritierte Politikprofessor Hans-Helmuth Knütter etwa, der ein Bündnis aller Rechten auf der Basis des Anti-Antifaschismus anstrebt, referierte nicht nur in Weikersheim, sondern auch bei der neofaschistischen »Gesellschaft für Freie Publizistik«. Wolfgang Strauss, rechter Russlandspezialist, schwärmte in Weikersheim ebenso wie in »Nation & Europa« für die Gedankenwelt der russischen Rechten. Die Liste liesse sich problemlos verlängern.
Fest an der Seite der Eliten
Für die guten Kontakte zur Bundeswehr sorgt SZW-Gründungsmitglied Heinz Karst, der in den 80er Jahren zum Bundesvorstand der Pan Europa Union Deutschland gehörte. Brigadegeneral a.D. Karst – an den Überfällen der deutschen Wehrmacht auf Polen und auf die Sowjetunion beteiligt und seit 1952 beim Aufbau der Bundeswehr dabei – steht für das Interesse des SZW an »der Truppe«. Nachdem er 1970 aus Protest gegen die sozialliberale Militärpolitik die Bundeswehr verlassen hatte, fand er im SZW-Präsidium ein neues Betätigungsfeld; u.a. organisierte er die »Offizierstagungen« des SZW. Heute findet der Dialog der »WeikersheimerInnen« mit der Bundeswehr im Rahmen der jährlich stattfindenden »Wehrpolitischen Tagungen« statt. Grosses Interesse hatte »Weikersheim« – bis die Geschäftsstelle des Studienzentrums 1998 Stuttgart verließ – auch an der baden-württembergischen Wirtschaft. Bis in die 90er Jahre veranstaltete das SZW in Zusammenarbeit mit den Neckarwerken jährlich Wirtschaftssymposien, bei denen rechte Konzepte mit »Führungskräften aus dem Neckarraum« besprochen wurden.
Daimler-Benz dankte mit großzügigen Spenden, die Badenia Bausparkasse wurde Ende 1991 gar (zahlendes) Mitglied des SZW, das Ende 1992 auf immerhin 23 Firmenmitgliedschaften verweisen konnte. Doch auch Bundesmittel flossen in die Weikersheim-Kasse. Von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) gab es zwischen 1992 und 2001 insgesamt 193.255 D-Mark für »Veranstaltungen der Erwachsenenbildung«. Vom Bundespresse- und Informationsamt (BPA) wurde das SZW zwischen 1991 und 1998 mit mehr als 217.000 D-Mark gefördert.2 Die Eröffnung des Berliner Büros erfolgte 1999 im Gebäude der Dresdner Bank am Pariser Platz. Zu den geladenen Gästen, die Hans Filbinger lauschten, gehörten u.a. die CDU-Politiker Heinrich Lummer, Günter Nooke und Rupert Scholz. Auch Hermann Kreutzer, Vorsitzender des Kurt-Schumacher-Kreises der SPD, erschien. Zu diesem Zeitpunkt zählte das Studienzentrum deutschlandweit 634 Mitglieder.3 Seine grösste Bedeutung hatte das SZW zwischen 1989 und 1992, als es die Umbrüche in Ost- und Südosteuropa im Sinne deutscher Interessen begleitete. Zahlreiche, meist konservative OsteuropäerInnen nutzten es als Diskussionsforum und als Kontaktbörse.
Tiit Matsulevits, estnischer Separatist und ab 1991 estnischer Botschafter in Bonn, konnte 1990 als Redner beim Jahreskongress des SZW - ebenso wie übrigens bei der PEU Deutschland - Kontakte aufbauen, die ein Jahr später von grossem Nutzen waren, als deutsche Konservative - darunter der spätere SZW-Präsident Wolfgang von Stetten - die Loslösung Estlands von der Sowjetunion unterstützten. France Bucar, slowenischer Separatist und 1991 erster Präsident des unabhängigen slowenischen Parlaments, knüpfte seine Kontakte nach Deutschland nicht nur über die PEU, sondern auch über das SZW, an dessen Jubiläumskongress er 1989 teilnahm. Ähnlich lief es mit den kroatischen Separatisten Marko Veselica und Zarko Domljan4 , die beide noch während der Vorbereitungsphase zur Zerschlagung Jugoslawiens durch Treffen der PEU Deutschland und des SZW geschleust wurden.