Ein Oberbürgermeister als Oberrassist
»Der Marsch der Roma: Wo wird er enden?« Effekt heischend warb die Düsseldorfer BILD im August diesen Jahres für eine ihrer Ausgaben. Indes, die Frage ist berechtigt, wenngleich der Begriff »Marsch« einmal mehr eine feindliche Invasion suggeriert. Am 27. April 2002 waren ca. 500 Roma von Essen aus aufgebrochen, um in diversen deutschen Städten gegen ihre drohende Abschiebung zu protestieren und Öffentlichkeit für ihre Bleiberecht-Forderung zu schaffen. Als vorläufig letzte Station steuerten sie am 20. Juni 2002 die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt an, »immer eine gute Adresse«, wie es in städtischen Werbeblättern heisst. Hier aber stiessen sie auf einen Oberbürgermeister (OB), der zur Begeisterung der extremen Rechten und des rassistischen Mobs alles daran setzt, den Roma das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Die Lage der Roma ist denkbar schlecht. Zwar stossen sie bei ihrem Demonstrationsmarathon auch auf Unterstützung, die entscheidenden Reaktionen aber reichen von heuchlerischer Anteilnahme, über mehr oder minder offene Ablehnung bis hin zu blankem Hass. Viele von ihnen leben seit zehn bis fünfzehn Jahren in Deutschland, fallen aber dennoch aus der »Altfallregelung« heraus, da diese für Jugoslawien und Rumänien nicht gilt. Eine Rückkehr nach Serbien und Montenegro bedeutet jedoch erhebliche Gefahr, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden. So teilte selbst das Auswärtige Amt dem Verwaltungsgericht Freiburg am 22. Januar 2002 mit, Roma stießen »in der gesamten jugoslawischen Gesellschaft traditionell auf Ablehnung und werden häufig diskriminiert«.
Nachdem die Roma den Platz ihres ersten Düsseldorfer Protestcamps wegen eines Zirkus verlassen mußten, wurde das Camp in einen anderen Stadtteil verlegt. Sofort organisierten AnwohnerInnen ihren Protest, indem sie z.B. 500 Unterschriften im Wohngebiet gegen die Anwesenheit der Roma sammelten. Auch organisierte Neonazis der Kameradschaft Düsseldorf und die REPs zeigten Präsenz und versuchten mittels Flugblättern, Aufklebern und persönlicher Ansprache den deutschen »Volkszorn«, der sich auch schon mal »Ausländer raus!«-gröhlend am Platzrand artikulierte, zuzuspitzen.
OB Erwin baut Barrikaden
Doch nicht nur vor Teilen der Nachbarschaft und vor Neonazis, auch vor Düsseldorfs OB Joachim Erwin (CDU) müssen sich die Roma schützen. Dieser war nämlich nicht nur der Auffassung, dass die Demonstration der Roma ein »Affentheater« sei, sondern auch, dass ihnen kein Demonstrationsrecht zustünde, da das diesbezügliche im Grundgesetz verbriefte Grundrecht nur für Deutsche gelte. Dieses ging selbst dem Düsseldorfer Polizeipräsidenten Michael Dybowski zu weit, der den OB öffentlich scharf kritisierte, da sich dieser unbefugt in seinen Zuständigkeitsbereich eingemischt hatte. Erwin soll dafür gesorgt haben, dass die Roma den Rathausplatz nicht als Kundgebungsort im Rahmen einer genehmigten Demonstration nutzen konnten. Wie aus dem Nichts heraus wurden städtische LKW auf den Platz gefahren und der Weg versperrt.
Als polizeilicherseits ein Umzug der Roma zurück auf ihren ursprünglichen Platz genehmigt wurde, soll Erwin initiiert haben, dass hieraus ebenfalls nichts wurde, da der Platz urplötzlich zum Ablagern von Baumaterial für eine weiter entfernte Baustelle benötigt wurde. Schliesslich zogen die Roma auf die Rheinwiesen. Auf Anzeige des PDS-Ratsherrn Frank Laubenburg leitete die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft am 3. September 2002 ein Ermittlungsverfahren gegen Erwin wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, schwerer Nötigung und Untreue durch nicht gerechtfertigte Nutzung städtischer Fahrzeuge und den Einsatz städtischen Personals ein. Unterstützung erhielt dieser einmal mehr von den REPs, deren Ratsherr Jürgen Krüger mitteilte: »Von uns hat der OB die volle Rückendeckung«. Auch die Düsseldorferin Hilde Hülsmeyer, ehemalige Landesbeauftragte NRW des Bund freier Bürger und zuletzt Rednerin auf einer Kundgebung der extrem rechten Bürgerbewegung Pro Köln am 9. März in der Domstadt, sprang öffentlich für Erwin in die Bresche.
Sich aber nachsagen zu lassen, er habe Kontakte zur extremen Rechten, müsse der OB nicht, entschied kürzlich das Amtsgericht Düsseldorf und verurteilte Torsten Lemmer, Begründer mehrerer RechtsRock-Firmen, zu einer Geldstrafe. Dieser hatte provokant kundgetan, dass er Verständnis dafür habe, dass Erwin sich nicht öffentlich zu ihm bekennen könne, es aber als beruhigend ansehe, »dass Gemeinsamkeiten und Kontakte über andere, dritte Personen, hervorragend funktionieren« würden. Schon zuvor hatte er eine »Satire Promotion-CD« mit dem Song »Erwin – du und ich für immer« eingespielt.
Wie weit des Oberbürgermeisters Kontakte tatsächlich reichen, ist zwar nicht bekannt, seine häufigen Auftritte bei Veranstaltungen der »Vertriebenenverbände« – erst am 8. September wurde er vom Landesverband des BdV mit dessen höchster Auszeichnung geehrt –, seiner Laudatio beim 50. Jahres-Jubiläum des Landesverbandes des »Verbandes Deutscher Soldaten«, seiner Ankündigung, alles zu tun, um die Präsentation der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht in Düsseldorf zu verhindern, seiner Rede am 9. November 2000 vor dem Stadtrat, in der er anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht auch von verletzten »Ariern, die helfen wollten,« zu berichten wusste und vieles mehr haben ihm zu großer Anerkennung beim potentiellen Wahlvolk der extremen Rechten verholfen, sehr zum Leidwesen der REPs, deren politischer Raum bedrohlich eng geworden ist. Wie lange Erwins ungeschminktes Vorgehen noch in der Wirtschaft auf Gegenliebe stösst, ist jedoch ungewiss. Hier – und in der Folge auch in der CDU selbst – regen sich kritische Stimmen, die nicht zu Unrecht befürchten, dass Erwin jede Chance, dass Düsseldorf bzw. die Rhein-Ruhr-Region den Zuschlag für die erwünschte Austragung der Olympiade 2012 erhält, gegen Null schwinden lässt.
Die Abschiebemaschinerie läuft weiter
Die Roma indes werden in Düsseldorf weiterhin von Platz zu Platz (ab)geschoben. Erst Anfang September wurden sie in einen weit abgelegenen Stadtteil vertrieben. Der Druck wird von Tag zu Tag größer. Immer mehr erhalten keine längere Duldung mehr. Mehrere von ihnen wurden bereits abgeschoben. Mit Genugtuung berichtete die konservative »Rheinische Post« am 17. September, dass Otto Schily aufgrund der anfänglich »zögerlichen Kooperation der jugoslawischen Behörden« nun »ein ‚bilaterales Abkommen‘ zur beschleunigten Rückführung« mit seinem jugoslawischen Amtskollegen gefertigt habe.
Der der SPD-»Linken« zugerechnete Düsseldorfer Michael Müller (MdB) seinerseits versuchte sich kurz vor den Bundestagswahlen dadurch zu profilieren, indem er anmahnte, die Abschiebungen solange auszusetzen, bis das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt. Was dieses Gesetz aber für die Roma bedeutet, hat die rot-grüne Bundesregierung mehr als klargemacht: »Das neue Zuwanderungsgesetz ist gut für Deutschland. – Vorrang für deutsche Arbeitnehmer: [...] Abgelehnte Asylbewerber können nicht in ein Zuwanderungsverfahren wechseln.«