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TERFs - Unheilvolle Allianzen

Julia Segantini
Einleitung

Antifeminismus gehört zum Kern rechter Ideologien. Umso paradoxer scheint eine Bezugnahme zwischen Rechten und Feminist:innen zu sein. Dabei handelt es sich jedoch nicht mehr nur um ein Randphänomen, sondern zeigt sich mittlerweile in einem erschreckend weitreichenden Netzwerk.

Screenshot YouTube/JF-TV

23. Oktober 2015: Die Sendung „JF-TV“ auf der Frankfurter Buchmesse zum Thema: Gender-Mainstreaming - den Widerstand organisieren“ mit Hedwig von Beverfoerde.

Seit den 1970er Jahren gibt es sogenannte „TERFs“, trans-exclusionary radical feminist, also radikal trans-ausschließende Feminist:innen. Die Biologie hat die Geschlechtervielfalt derweil längst  anerkannt, die gesellschaftswissenschaftliche Forschung zur Diversität verschiedener Geschlechtsidentitäten sowieso. „TERFs“ hingegen halten vehement am Zwei-Geschlechter-System fest und negieren dritte oder weitere Geschlechter.

Schon vor 50 Jahren riefen sie dazu auf, trans Menschen nicht anzuerkennen. Der Unterschied zu heute ist, dass sie damals kaum politische Macht hatten. Das erklärt Journalist und Buchautor Jude Ellison Doyle in einem Artikel für das Xtramagazine. Darin spürt er die Ursprünge und weitreichenden Verzweigungen der Allianz zwischen Feminist:innen und Faschist:innen auf. Doyle geht inzwischen davon aus, dass transexkludierende Feminist:innen eine globale Bedrohung darstellen.

Ein gemeinsamer Nenner: vermeintlich biologische Hierarchien

In ihrem verzerrten Weltbild nehmen „TERFs“ trans Frauen als in Wahrheit gewalttätige Männer wahr, die sich zur „Tarnung“ als Frauen verkleiden, um (sexualisierte) Gewalt an Frauen ausüben zu können, erklärt Doyle. In diesem Narrativ seien alle Männer verdorben und gewalttätig, alle Frauen zerbrechliche Opfer. Wer von dieser Hierarchie überzeugt sei, könne man leicht von anderen biologischen Hierarchien überzeugen. Das Narrativ vom verkleideten Gewalttäter könne vor allem als Waffe gegen nicht-weiße Männer eingesetzt „und in eine offene weiße Vorherrschaft verwandelt werden“, so Doyle. Hier kommen nicht nur Transphobie und Rassismus, sondern auch Antisemitismus zusammen. Das extrem rechte us-amerikanische Radix Journal beschrieb in einem Artikel, der Kampf für Rechte von „biologischen Frauen“, könne „die jüdisch geführte feministische Theorie“ bekämpfen. Das könne man auch transfeindlichen (vermeintlichen) Feminist:innen verkaufen. Extrem rechte Aktivist:innen benutzen diese Strategie also sehr bewusst.

Rassismus und Antisemitismus als Kitt

Es scheint daher auch nicht zufällig, dass die Positionen der in Amerika prominenten transphoben Feministin Jennifer Bilek deckungsgleich mit denen der (extremen) Rechten sind. Sie beschuldigt reiche jüdische Menschen wie George Soros gemeinsame Sache mit trans Frauen zu machen. Das Ziel: Die LGBTIQ-Community zu infiltrieren und den „medizinisch-industriellen Komplex“ zu beherrschen. Soros und reiche trans Frauen planten „Gesetze zu ändern, die Sprache zu entwurzeln und der Öffentlichkeit eine neue Sprache aufzuzwingen, zu zensieren, eine Atmosphäre der Bedrohung für diejenigen zu schaffen, die nicht der Ideologie der Geschlechtsidentität entsprechen“. Eine ominöse Elite wolle insgeheim die Menschheit dezimieren. Auch Rassismus spielt in diesem Kontext wieder eine Rolle, denn Transphobie wird häufig in einem Rahmen weißer Vorherrschaft gedacht. „Transition care“, also der Zugang und die Durchführung von geschlechtsanpassenden Maßnahmen, gelten dann als Angriff auf die weiße Fruchtbarkeit. Dahinter steckt die „White Replacement Theory“ – die Angst, von Schwarzen überrannt und ersetzt zu werden. „Es gibt immer mehr Propaganda über den ‚weißen Völkermord‘, zitiert Doyle Mallory Moore vom Trans Safety Network in Großbritannien. „Denn wir Queer- und trans Menschen und Feministinnen weigern uns, unserer nationalen Pflicht zur Fortpflanzung nachzukommen.“

Das LGBTIQ-feindliche Netzwerk um Beatrix von Storch

Doch auch in Europa und Deutschland stellen trans Menschen in den Augen (extrem) rechter und konservativer Akteur:innen eine existentielle Bedrohung dar. Der Kampf der Rechten gegen die sogenannte „Gender-Ideologie“ ist deshalb präzise organisiert, finanziell gut ausgestattet und global vernetzt. Das bestätigt auch ein Bericht des Europäischen Parlamentarischen Forums für sexuelle und reproduktive Rechte (EPF) aus dem Jahr 2021. Demnach wurden allein in Europa zwischen 2009 und 2018 707,2 Millionen US-Dollar für „Anti-Gender-Finanzierung“ ausgegeben. Der Bericht zeigt: Geld aus Wirtschaftselite und von deutschen Aristokrat:innen fließt in Initiativen gegen Abtreibung und LGBTIQ-Rechte. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch wird als Schlüsselfigur im fundamentalistischen Anti-Gender-Aktivismus in Deutschland benannt. Viele Fäden laufen bei ihr zusammen, denn sie ist direkt oder indirekt mit diversen Vereinen, Kampagnen und Initiativen mit LGBTIQ- und frauenfeindlicher Agenda verbunden.

Zentral ist dabei der von ihr gegründete Verein „Zivile Koalition“, deren Erste Vorsitzende sie ist. Ihr Mann Sven ist Zweiter Vorsitzender. Er ist auch Vertreter und Herausgeber vom Autorenblog "Freie Welt.net". Dort finden sich Beiträge von etlichen Autor:innen aus der rechten Szene, unter anderem von Birgit Kelle. Die Publizistin sieht ihren selbsternannten feministischen Auftrag darin, Frauen in eine traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter zurückzudrängen. Schwangerschaftsabbrüche und gleichgeschlechtliche Ehen verurteilt sie. Für massiv transfeindliche Aussagen erhielt sie vergangenes Jahr eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung.

Nicht nur durch die von Storchs, auch durch Hedwig von Beverfoerde hat Birgit Kelle Verbindungen zum deutschen Klerus und Adel.

Mit Geld und Adel gegen Gender

Zur „Zivilen Koalition“ gehört u.a. die „Initiative Familienschutz“. Deren Vertreter ist Sven von Storch, Sprecherin ist Hedwig von Beverfoerde. Die Adelige ist außerdem Mitorganisatorin der homo-und transphoben „Demo für alle“. Diese koordiniert sie gemeinsam mit Birgit Kelle. Auf ihrer Homepage schreibt die „Initiative Familienschutz“: „Wir tragen familienfreundliche politische Standpunkte in die öffentliche Meinung und kämpfen für die Interessen der Familie in der Politik.“ Darunter verstehen sie eine Rückkehr zu traditionellen Familienmodellen. Die Familie sei heute „existenziell bedroht“, heißt unheilschwanger. Die „Initiative Familienschutz“ setzt sich deshalb vor allem gegen Schwangerschaftsabbrüche ein.

Für den deutschen Adel geht es dabei vor allem darum, die Erbschaft zu schützen. „Die Familie soll ‚heilig‘ sein, weil Familie Familienerbschaft verspricht. Nicht nur im Sinne von Privateigentum, sondern auch im Sinne der ‚höheren‘ Herkunft. ‚Lebensschutz‘ in diesem Sinne ist ‚Adelsschutz‘.“ Das schreibt der Soziologe Andreas Kemper, unter anderem Experte für den Anti-Genderismus der AfD. Die deutschen Adelsfamilien sind oft nicht nur genetisch miteinander verwandt, sondern teilen sich mitunter auch das rechte Gedankengut. Beatrix von Storch Cousin 2. Grades, Pastor Philip Kiril von Preußen, Ururenkel von Kaiser Wilhelm II, vergleicht Abtreibung mit Sklaverei und schreibt auf Twitter, „Gender“ sei eine „Lüge bzw Verblendung und (versuchte) Kindesmisshandlung“.

Fazit: Anti-Genderismus gefährdet die Demokratie

Die Allianz zwischen Feminist:innen und (extremer) Rechter speist sich aus einem rassistischen und antisemitischen Weltbild, Hass auf und Angst vor trans Menschen sowie einem reaktionären Verständnis von Geschlechterrollen und Familie. Errungenschaften durch feministische und queere Bewegungen geraten damit in Gefahr. Aktuell zeigt sich das am gekippten „Roe vs Wade“-Urteil, dass sichere Schwangerschaftsabbrüche in den USA massiv erschwert. Zudem werden queere Menschen immer häufiger Opfer von rechten Gewaltdelikten.

Rechte Netzwerke und „TERFs“ propagieren ihre Agenda entweder mit verbaler bzw. körperlicher Brutalität oder verkleiden sie als vermeintlich familienfreundliche Politik. Beide Kräfte wissen damit loyale Anhänger:innen an sich zu binden sowie Unentschlossene und Opportunist:innen zu überzeugen. Wichtig ist deshalb eine kompromisslose Positionierung. Denn letztendlich gefährdet  diese Allianz nicht nur die LGBTIQ-Community, sondern auch die Demokratie.