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In Tradition von Wehrmacht und Waffen-SS

Einleitung

Auch über fünf Jahrzehnte nach der deutschen Kapitulation gibt es eine Reihe von Zusammenschlüssen von Teilnehmern des letzten Weltkriegs. Die Spannbreite reicht von den Traditionsverbänden der Wehrmacht über die elitäre Vereinigung der Ritterkreuzträger bis hin zu Strukturen der eigentlich aufgelösten SS-Nachfolgeorganisation HIAG. Mit der soldatischen Traditionspflege als Hauptschwerpunkt ihrer Aktivitäten wirken sie bis in die Bundeswehr, aber auch in die militante NS-Szene hinein.

Bild: attenzione-photo.com

Hajo Herrmann signiert als ehmaliges Mitglied im NS-Luftwaffenführungsstab beim 50. Jahrestag der OdR ein Buch. Er ist oft als Redner auf NPD-Veranstaltungen und Neonaziaufmärschen aufgetreten.

Alte und neue Kameraden

Die Arbeitsgemeinschaft für Kameradenwerke und Traditionsverbände e.V. besteht seit über 50 Jahren als Dachverband von etwa 70 Zusammenschlüssen ehemaliger Angehöriger der Wehrmacht. Diese reichen von den Traditionsverbänden, Hilfswerken und Kameradschaften einzelner Wehrmachtseinheiten wie Divisionen bis zu Verbänden von Angehörigen verschiedener Waffengattungen. Aufgrund der natürlich schwindenden Zahl der Mitglieder befinden sich nicht nur ehemalige Soldaten in den Reihen dieser Gruppierungen, sondern auch die Ehepartnerinnen und Nachkommen der Weltkriegsteilnehmer.

Die zahlreichen Treffen der Mitglieder und die Herausgabe der Vereinsblätter dienen nicht nur der Traditionspflege und Erhaltung der sozialen Verbindungen untereinander, sondern auch der gegenseitigen Vergewisserung der soldatischen Tugenden der Wehrmacht und deren Ehrenrettung entgegen dem »kritischen Zeitgeist«.

Den Schwerpunkt legt die Arbeitsgemeinschaft auf die Herausgabe der Monatszeitschrift Kameraden seit 1953. Die im Jahre 1997 erfolgte Umbenennung von Alte Kameraden in den heutigen Namen steht symbolisch für die thematische Öffnung des Blattes, aber auch der einzelnen Verbände. Junge Soldaten sind zunehmend die zentrale Zielgruppe für die Traditionsvermittlung und -pflege im Sinne der Wehrmacht. Neben Berichten über die Arbeit der einzelnen Verbände, zahlreichen Suchanzeigen und den unvermeintlichen Berichten der »Erlebnisgeneration« sind auch zahlreiche Beiträge von rechten Historikern zur Kriegsgeschichte im Heft zu finden. So wird den Lesern erklärt, »daß es die Wehrmacht war, die Westeuropa vor der Eroberung durch die Rote Armee bewahrt hat«, die Zeitschrift Kameraden stehe »für eine objektive Geschichtsschreibung und Dokumentation«.1 Das Zusammentreffen von verschiedenen Generationen als Autoren und Leser machen die Kameraden zum wichtigen Medium der militärischen Traditionspflege im Sinne der Wehrmacht.

Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger

Ganz im Zeichen der höchsten deutschen Militärauszeichnung im Zweiten Weltkriegs steht die »Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernen Kreuzes e.V. – Förderkreis der Tradition des Eisernen Kreuzes« (OdR) als Zusammenschluss der Ordensträger und ihrer Angehörigen. Parallel zu den meisten Traditionsverbänden verfügt der 1995 gegründete Verein OdR mit dem Hilfswerk Ritterkreuz über einen eigenen Verein zur Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder und derer Familien. Auf der Mitgliederversammlung beim 47. Bundestreffen im Oktober 2001 wurde ausgeführt, dass die Gemeinschaft über insgesamt 848 Mitglieder verfügt. Von den etwa 915 damals noch lebenden Ritterkreuzträgern waren 385 Träger zu diesem Zeitpunkt in der Ordensgemeinschaft organisiert.2

Als Ehrenmitglieder der OdR werden u.a. Großadmiral Karl Dönitz als der direkte Nachfolger Adolf Hitlers und der Schriftsteller Ernst Jünger in ihren Reihen geführt.3 Auch die OdR hat sich gegenüber der Nichtweltkriegsgenerationen geöffnet und jüngere Mitglieder in ihre elitäre Gemeinschaft aufgenommen. Dazu gehört neben zahlreichen ehemaligen Bundeswehrangehörigen auch Peter Agte, der seines Zeichens Herausgeber des ehemaligen HIAG-Blattes Der Freiwillige ist. Auch wenn in der Vereinssatzung »die Vertiefung der Verbindungen zu den ehemaligen Kriegsgegnern im Rahmen der Völkerverständigung« als angestrebtes Ziel festgeschrieben ist, dient die »Förderung der kriegsgeschichtlichen und wehrwissenschaftlichen Forschung«4 vor allem zur Heroisierung der Taten der Ritterkreuzträger als der Elite der Wehrmacht und Waffen-SS. Nicht nur das Vereinsblatt »Das Ritterkreuz«, auch die Treffen des Bundesverbandes und der regionalen Strukturen dienen der generationsübergreifenden Traditionspflege der Teilnehmer.5

Auch das vom Bundesverteidigungsminsterium verhängte Kontaktverbot zwischen der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger und der Bundeswehr ist keine Hindernis für die Anziehungskraft und die Aussenwirkung der OdR.  

Der Freiwillige

Als eine der ältesten bundesdeutschen Naziorganisationen wurde die Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS (HIAG) Anfang der 1950er Jahre auf regionaler Ebene gegründet. Der Bundesverband formierte sich 1959 und konnte in seinen Hochzeiten bis zu 16.000 Teilnehmer auf seinen Treffen versammeln. Im verbandseigenen Munin-Verlag erschien ab 1953 die Zeitschrift Der Freiwillige. Der Schwerpunkt der Arbeit der HIAG war in den Anfangsjahren neben dem Suchdienst vor allem die Integration der SS-Mitglieder in die Nachkriegsgesellschaft und die Rehablitierung der SS. Der Munin-Verlag entwickelte sich in den Jahrzehnten seines Bestehens durch die Veröffentlichung einer Vielzahl von pseudowissenschaftlichen und verherrlichenden Büchern zur SS zu einem der wichtigsten apologetischen Militärverlage der (Neo-)Nazi-Szene.

Die inhaltliche Linie des Verlags und des Verbandes spiegelte sich auch in der Verbandszeitschrift wieder. Suchanzeigen nach verschollenen SS-Mitgliedern waren genauso an der Tagesordnung wie Selbstzeugnisse von Kriegserlebnissen ehemaliger SS-Männer. Auch nach der Auflösung der HIAG als Bundesverband im Jahre 1992 existierten zahlreiche regionale Strukturen weiter, genauso wie die Zeitschrift Der Freiwillige weiterhin erschien und der Verlag Bücher veröffentlichte. Im Januar 2000 vollzog sich der Generationswechsel im Blatt mit der Übernahme der Herausgabe und Geschäftsführung durch den ehemaligen Berufssoldaten der Bundeswehr Patrick Agte. Doch ein Traditionsbruch fand bei weitem nicht statt. »Wenn gleich ›Der Freiwillige‹ nun nicht mehr das offizielle Organ der HIAG ist, bleibt seine Aufgabe, das Mitteilungsblatt aller Soldaten der frühren Waffen-SS darzustellen, unverändert.«6

Zum neuen festen Autorenstamm gehört auch die Führungsfigur der Freien Kameradschaften in NRW, Ralph Tegethoff. Tegethoff schreibt auch regelmäßig in der NPD-Zeitung Deutsche Stimme herosierend über bekannte Wehrmachtsangehörige und Ritterkreuzträger. Auf Demonstrationen und Veranstaltungen der NPD und der Kameradschaften sind auch immer wieder Vertreter der »Erlebnisgeneration« wie der Ritterkreuzträger Hajo Herrmann als Redner anwesend.

Traditionspflege für alle

Obwohl die Zeitschriften Kameraden und Der Freiwillige sowie die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer Traditionspflege haben, eint sie, dass ihre Arbeit generationsübergreifend und von der Erhaltung sowie Vermittlung des alten soldatischen Geistes gekennzeichnet ist. Die Verbände der Arbeitsgemeinschaft für Kameradenwerke und Traditionsverbände versuchen über zahlreiche persönliche Kontakte, ihr Anliegen der Rehabilitierung der Wehrmacht massiv in die Bundeswehr hineinzutragen. Der Freiwillige verfügt nicht nur über zahlreiche Verbindungen zu ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS, sondern auch über eine enge Anbindung an das militante Neonazi-Spektrum.