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Von Blood & Honour zum Polizeichef?

Einleitung

Der US-Amerikaner Bart Alsbrook wurde kürzlich zum kommissarischen Polizeichef des nahe der texanischen Grenze gelegenen Örtchens Colbert im Bundesstaat Oklahoma ernannt. Seine Karriere geriet allerdings kurz darauf wieder ins Wanken, nachdem die Reporterin Rachel Knapp vom TV-Sender KXII Fox Channel 12 News begonnen hatte, Fragen zu stellen. Etwa die, ob es sich bei dem neuen Chief um den gleichen Bart Alsbrook handelt, der eine Neonazi-Musik-Webseite betreut.

Foto: Screenshot facebook

Bart Alsbrook (rechts) posierte in sozialen Medien mit B&H-T-Shirt. Foto von Ende der 1990er Jahre.

Bart Alsbrook distanzierte sich von den Vorwürfen und stritt Verbindungen zur "White Supremacy"-Szene ab. Er behauptete, eine Gruppe von Skinheads habe in den 1990er Jahren seine Brieftasche gestohlen und seitdem immer wieder seine Daten zur Anmeldung von Neonazi-Webseiten missbraucht.

Es ist bekannt, dass Identitätsdiebstahl Leben zerstören kann. 16 Milliarden Dollar Schaden von über 15 Millionen Opfern allein im Jahr 2016 – das ist laut einer Studie das Ausmaß des Phänomens Identitätsdiebstahl in den Vereinigten Staaten.

Während die Umstände jenes Diebstahls bei Bart Alsbrook nebulös bleiben, ist seine Geschichte in der organisierten Neonazibewegung recht gut dokumentiert:

Gruppenfoto mit der B&H-Spitze

Auf einem Foto – veröffentlicht in dem Neonazi-Strategiepapier mit dem Titel „Blood & Honour: The Way Forward“ – posiert Alsbrook (in der Bildunterschrift „Bart USA“ genannt) vor einem großen „Blood & Honour“ (B&H)-­Wandbild, flankiert von drei Aktivisten des neonazistischen Netzwerks: Marko „Jäsä“ Järvinen aus Finnland, Erik Blücher aus Norwegen und der 2001 verstorbene Marcel Schilf (Dänemark).

Die drei waren maßgeblich verantwortlich für Produktion bzw. Vertrieb der Ende der 1990er Jahre unter Neonazis sehr populären Videoreihe „Kriegs­berichter“, in der neben RechtsRock-Interviews und Konzertausschnitten Hinrichtungen von Afroamerikanern und politischen Gegnern gezeigt wurden. Sie waren zentrale Figuren des internationalen  RechtsRock-Business und der zugehörigen Subkultur, die als Rekrutierungsfeld für die Fußsoldaten des kommenden Rassenkrieges galt. Jeder von ihnen war  über Jahrzehnte wichtig für den Geldfluss in diese Szene und in eine ihrer gefährlichsten Netzwerke – "Combat 18" (C18).

Bekannte aus der Terror Szene

Der schwedische Antifa-Journalist Stieg Larsson beschrieb Erik Blücher1 als „Schlüsselfigur der internationalen Neonazi-­Szene“ und „wichtige Figur hinter den Kulissen“. In den 1970er Jahren war er ein Führer der norwegischen Neonazi-Szene. Nach seinem Umzug 1983 nach Schweden übernahm er Verantwortung für diverse neonazistische Projekte wie das RechtsRock Label „Ragnarock Records“, die englischsprachige Zeitung „Blood & Honour Scandinavia“ und das schwedische Neonazi-­Magazin „Viking Order“. Erik Blücher veröffentlichte unter dem Namen „Max Hammer“ Artikel für „White Power“- Zeitschriften und galt als Mitverantwortlicher für die B&H-Zeitung „Route 88“.2

Der in Dänemark lebende Deutsche Marcel Schilf leitete das RechtsRock-Label „NS 88“. Er stand Anfang der 1990er Jahre im Verdacht, in mehrere Briefbombenanschläge gegen Antifaschist_innen verwickelt gewesen zu sein. Nachdem 1992 eine Bombe in Kopenhagen den linken Aktivisten Henrik Christensen tötete, wurde das Haus von Marcel Schilf durchsucht. Die dänische Polizei fand bei ihm Materialien zum Bombenbau, eine große Bombe und mehr als zehn kleine Bomben.3 Ein Autor der englischen Antifa-Zeitung „Searchlight“ beschrieb Marcel Schilf mit den Worten: „Immer eine terroristische Strategie verfolgend, wurde er bald zu einem engen Verbündeten von Will Browning“, einem Anführer der Neonazi-Terror-Gang „Combat 18“ in England.3

Der finnische Neonazi Marko Järvinen (Jäsä) galt ab 1995 als Hauptproduzent der Neonazi-Videomagazine mit dem Titel „Kriegsberichter“. Hier wurden auch Tipps zur Herstellung von Bomben an Neonazis weitergegeben.4

Ein zufälliger Schnappschuss dreier zufällig nebeneinanderstehender Personen erscheint höchst unwahrscheinlich. Die von Erik Blücher angeführte „Blood & Honour Division Scandinavia“ übernahm 1998 den Versand „NS 88“ von Marcel Schilf. Von Schweden aus wurden auch die „Kriegsberichter“-Videos vertrieben. In diesen traten neben dem Deutschen Jens Uwe Arpe von der RechtsRock-Band „Kraftschlag“  immer wieder „Jäsä“ aus Finnland und „Bart“ aus den USA auf.4 Auch das Fachbuch „RechtsRock“ stellte das Netzwerk dar: „Schlüsselfigur der Blood & Honour-Corporation war bis zu seinem Tod im Januar 2001 (er starb an einer Stoffwechselkrankheit) der gebürtige Brandenburger und dänische Staatsbürger Marcel Schilf. Zusammen mit Erik Blücher dirigierte er von Skandinavien aus das internationale Versandnetz.“5

Das internationale Netzwerk

Die 1992 in England aus einer Schlägertruppe hervorgegangene Terrorzelle „Combat 18“ (C18) stand unter dem Einfluss von Harold Covington, einem zu jener Zeit in London ansässigen US-amerikanischen Rassisten. (Vgl. AIB Nr. 107 / 2.2015: "Das Label „Combat 18“") Covington’s Ideen verfingen bei den C18-Gründern, insbesondere bei Paul „Charlie“ Sargent, der später gemeinsam mit einem C18-Mitstreiter den C18-Unterstützer Chris Castle ermordete.

C18 basierte ganz auf der Ideologie vom „führerlosen Widerstand“ und galt als militanter Arm von „Blood & Honour“.  C18 trug den Beinamen „Terrormachine“ nicht umsonst: Die Gruppe zeichnet verantwortlich für zahllose Gewalttaten, Mord, Hinrichtung, Terrorpläne – auch innerhalb der eigenen Szene – und beeinflusste den NSU in Deutschland. C18 dient Neonaziterroristen als Inspiration, wie zum Beispiel Douglas Copeland, der im Jahr 2000 für seine zweiwöchige Nagelbombenanschlagsserie in migrantisch geprägten Vierteln Londons verurteilt wurde. Auch im Konzept „Blood & Honour: The Way Forward“ findet sich ein Abschnitt zu der Notwendigkeit von C18.

Alsbrook als C18 Aktivist aus den USA?

Alsbrook ist wohl einer von einigen wenigen US-Neonazis, die mehr als alle anderen den Mythos und die Botschaft von C18 in den Staaten verbreiten halfen. Neben ihm benennen amerikanische FachjournalistInnen außerdem Jon Pressley (North Carolina), Kevin Kislingbury (Ohio), Josh „Hachet“ Steever (New Jersey) und Brian „Scorch“ Haizlip (Virginia/North Carolina). Alsbrooks Engagement für „NS88“ und „ISD Records“, das früher von dem Engländer Will „The Beast“ Browning betriebene Label, unterstreicht seine Bedeutung.

Alsbrooks Story vom geklauten Ausweis kann das gemeinsame Foto mit der B&H-Elite nicht erklären. Sie erklärt auch nicht die Tatsache, dass er in dem Dokumentarfilm „White Terror“ aus dem Jahr 2005 auftaucht6 . In einer Szene sieht man Alsbrook beim Videochat mit „Jäsä“, wobei er einen Satz über seine „Rolle“ in oder seinen „Anteil“ an „NS88-Videos“ tippt. An anderer Stelle trägt er ein B&H-Shirt und schwadroniert über die Auslöschung der weißen Rasse.

Ein anderes Foto aus dem B&H-Pamphlet zeigt einen vermummten Mann, der mit C18-Terrormachine-Shirt und einem M16-Sturmgewehr posiert. Die Tattoos des Porträtierten gleichen denen Albrooks, die man in dem Dokumentarfilm erkennt. Laut dem blog „nsu-watch.info“ galt Alsbrook im Spektrum von B&H als potentieller Waffenbeschaffer und eine Art „Experte“ für Sprengstoff. Demnach war er vermutlich auch der Autor eines Textes im deutschen B&H-Magazin zum „leaderless resistance“. „Patrioten“ müssten sich laut des Autors mit „geheimen Strukturen“ auf den „Rassenkrieg“ vorbereiten.7

Neonazi-Vergangenheit kein Problem?

Die Reporterin Rachel Knapp berichtete nach der Enthüllung, dass der Stadtrat von Colbert nicht vorhabe, Alsbrook zu entlassen, obwohl dieser seinen Rücktritt angeboten hatte. Der Sprecher des Ortes, Jerry Harrell, habe gesagt, es gebe keine Gründe für eine Amtsenthebung und der Recherche nach zu urteilen, sei Alsbrook qualifiziert für den Job.

Der Artikel basiert in großen Teilen auf dem Text „Protect and Serve? Oklahoma Police Chief Bart Alsbrook‘s White Power Ties“ auf www.splcenter.org vom 30. August 2017.

  • 1Stieg Larson: „racism inc.“;  in „White Noise“, rat 2000
  • 2Olle Meuring: „Die Eskalation des White-Power-Terrors“ in „White Noise“, rat 2000
  • 3 a b Nick Lowles: „Goldesel des White Power“ in „White Noise“, rat 2000
  • 4 a b Nick Lowles: „Die Internationale des Hasses“ in „RechtsRock“, rat 2002
  • 5Michael Weiss: „Deutschland im Herbst“ in „RechtsRock“, rat 2002
  • 6www.youtube.com/watch?v=AFDiUBfwFDs Alsbrook taucht ungefähr bei Minute 38:00 auf.
  • 7Michael Weiss: "Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Gesamtversion" auf nsu-watch. info, 08.06.2015