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Westberlin: Polizei-Einsatz gegen Anti-REP-Proteste

Einleitung

Die Wahlkampfveranstaltung der Berliner „Die Republikaner“ (REPs) am 18. Januar 1989 im "Internationalen Congress Centrum" mit REP-Chef Franz Schönhuber als Hauptredner zog etwa 700 Personen an. Über 8.000 Menschen kamen zu der Demonstration gegen die Veranstaltung der REPs. Für viele war die rassistische Hetze der REPs ein Alarmsignal: Alte Nazis, Rechte, Rassisten und und neue Nazis wollen sich in Westberlin breitmachen. Die zahlreichen Gruppen und Organisationen, die zu der Demonstration aufgerufen hatten, konnten mit der Mobilisierung zufrieden sein. Die Stimmung war gut. Nur Fahnen und Transparente ermöglichten einen Überblick über die Menschen die gekommen waren: Autonome, AusländerInnen, StudentInnen und eine große Zahl von SchülerInnen, MitgliederInnen aus verschiedenen Einzelgewerkschaften, der SEW, der AL, der SPD und viele andere organisierte und unorganisierte AntifaschistInnen.

Die Polizei hatte mit der großen Beteiligung wohl nicht gerechnet. Direkt zu Anfang beschlagnahmten sie eine Fahne, auf der eine Faust ein Hakenkreuz zerschlägt, mußten diese aber bald wieder rausrücken. Danach hielten sie sich ziemlich zurück. Ihre größten Kräfte hatten sie um das Internationale Congress Centrum (ICC) konzentriert. Bis zum Kundgebungsplatz lief die Demonstration ohne weitere Polizeiprovokationen ab. An ihrer Spitze hatte sich ein Block von Gruppen aus dem Antifa-Bündnis formiert.

Erst kurz vor dem Eintreffen des langen Demonstrationzugs gegen 19.00 Uhr riegelten die Polizei das ICC auf der Frontseite ab. Die beiden Spuren der linken Fahrbahnseite, waren durch Stoßstange an Stoßstange aufgereihte Polizeitransporter völlig dicht gemacht worden. Zwei Polizei-Busse ("Wannen"), mit riesigen (aber nicht unüberwindlichen) Gittern versperrten auf der rechten Fahrbahnseite den Weg auf die Kreuzung Neue Kantstr./Messedamm.

Die Kundgebung war vom Innensenat ausschließlich auf dem entfernten, gegenüber des ICC gelegenem, Parkplatz genehmigt worden. Dieser Platz wäre für die vielen Menschen nicht nur zu klein gewesen, er war von den Polizisten auch so umstellt gewesen, daß er durch zwei leichte Umparkmanöver der Polizei-Busse zu einem Kessel wird (einziger Fluchtweg bei einer Panik, war die tiefergelegene Autobahn, auf der der Verkehr tobte). Neben dem ICC standen zwei Wasserwerfer und gepanzerte Räumfahrzeuge bereit. Der materielle Aufwand der Polizisten zum Schutz der REP-Veranstaltung war kaum zu übersehen.

Aber es sollte noch schlimmer kommen. Die Spitze der Demonstration hielt sich auf der - bis zur Kreuzung freien - rechten Fahrbahn und ging bis kurz vor die Gitter, um den mittleren- und hinteren Teil der Demonstration nachkommen bzw. passieren lassen zu können. Dies war nötig, damit alle TeilnehmerInnen aufschließen konnten und um zu vermeiden, daß die Masse sich auf der zu überquerenden Brücke staut. Allerdings funktionierte die Verbindung zwischen dem vorderem- und dem hinterem Demonstrationsteil nicht, weshalb der Überblick über die gesammte Länge des Demonstrationszuges verloren ging. Die Kommunikationsstrukturen waren schlecht, zumal auch noch die Lautsprecheranlage des Bündniswagens ihren Geist aufgegeben hatte. Vor den Gittern fehlte der Spitzengruppe ein Megaphon. Es fing an etwas chaotisch zu werden, eine Koordinierung fand nicht mehr statt. Während sich der Parkplatz langsam füllte, mußte ein Weg gefunden werden, über den verhindert werden konnte, daß sich der vorbereitete Polizeikessel schließt. Der Sinn des Kessels hätte in der Erstickung des antifaschistischen Protests bestanden. 8000 AntifaschistInnen sollten mit dem wehrlosen Gefühl der Ohnmacht wieder nach Hause geschickt werden.

Um das Konzept der Polizei nicht aufgehen zu lassen, setzte sich ein (zu kleiner) Teil der vorderen Gruppe in Bewegung, um den Messedamm für die Demonstration offen zu halten. Weil die mündliche Vermittlung nicht über vier bis fünf Demonstrations-Reihen (Ketten) hinausging, schlossen sich nur wenige Menschen an. Außerdem wurden die Ketten beim übersteigen einer Barriere auseinandergerissen. Das Leittransparent war dabei verschwunden und nicht wieder auffindbar, als sich die Ketten auf dem Messedamm neu formieren wollten. Hier griffen die Polizeibeamten ein. Sie versuchten die Leute vom Damm zurückzudrängen, was ihnen aber nicht gleich gelang.

Massive Schlagstockeinsätze

Die Ketten blieben noch zusammen bis weitere Polizisten auftauchten, die knüppelnd versuchten einzelne Personen herauszugreifen. Ein Teil der Leute vom Damm fand sich inzwischen auf die andere Straßenseite abgedrängt wieder. Die Polizei griff weiter den anderen Teil an, der sich schon fast auf den Parkplatz zurückgezogen hatte, der mittlerweile mit CS-Gas-Granaten beschossen wurde. Es folgten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und DemonstrantInnen. Hinter den aufgzogenen Polizeiketten sammelte sich eine EbLT-Einheit1 , die kurz darauf eine Kostprobe ihrer berüchtigten Einsätze startete: In Keilformation griffen sie mehrmals die Kundgebung auf dem Parkplatz an, wo sich die Situation schon einigermaßen beruhigt und der erste Redebeitrag begonnen hatte. Bei diesen Angriffen rissen sie große Löcher in die Menschenmenge und prügelte auf die Menschen ein. Die Energie, die die Polizei bei dem Einsatz entwickelten, provozierte bei zahlreichen DemonstrantInnen den Eindruck, daß sie dies für den Schutz "ihrer" Lieblingspartei taten.

Die bis 21.00 Uhr angemeldete und "genehmigte" Kundgebung ist (trotz ständiger Unterbrechungen durch die Polizei Übergriffe) durchgesetzt worden. Auch die Wasserwerfereinsätze konnten die Teilnehmer nicht mehr vertreiben. Einige Polizisten wurden mit gezogener Waffe gesehen und selbst gekennzeichnete Demonstrationsordner sollen von Polizisten verletzt worden seien. An der Ecke Neue Kantstraße/ Herbartstraße raste laut Augenzeugen-Berichten ein VW-Bus der Polizei mit hoher Geschwindigkeit in die Menschenmenge, wobei zwei Leute angefahren worden sind. Einer erlitt schwere innere Verletzungen. Das Verhältnis der Zahl der Verletzten zu der Zahl der festgenommenen DemonstrantInnen, läßt Rückschlüsse auf das Einsatzkonzept der Polizei zu. Wie auch schon bei vorherigen Einsätzen zum Schutz von REP-Veranstaltungen, war kolportiert worden, auch REP-Anhänger bzw. gar REP-Mitglieder seien in der Einsatzleitung beteiligt gewesen.2 Die Zahl der Verletzten AntifaschistInnen dürfte wohl weit über Hundert liegen. Zahlreiche Kopfverletzungen, Nierenquetschungen, Rippen-, Bein- und Armbrüche, Atembeschwerden und Hautausschlag durch Tränengaseinsatz sind die Bilanz des Polizeieinsatz zum Schutz der REPs. Allein im Klinikum Westend mußten über fünfzig Menschen behandelt werden.

Unter den sieben Festgenommenen befanden sich zwei Neonazis. Die beiden gehörten zu einer Gruppe, die sich in der Nähe der Kundgebung aufhielten, provozierten und mit Steinen auf die KundgebungsteilnehmerInnen warfen. Einer der beiden trug eine Übungshandgranate bei sich. Auf dem Nachhauseweg wurde eine Gruppe Jusos, wahrscheinlich von der selben Grupee angegriffen.

  • 1Die „Einheit für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training“ (EbLT) war eine Polizeieinheit die der CDU-Innensenator Wilhelm Kewenig 1987 aufstellte und die nach mehrfachen problematischen Einsätzen 1989 wieder aufgelöst werden musste.
  • 2Der Berliner REP-Chef Andres erklärte im ICC: „Alles, was Uniform tragen kann, steht heute draußen und schützt die Republikaner!“ ("die tageszeitung" 20.1.1989.). Auf einer Pressekonferenz am 1. Februar 1989 verkündete Franz Schönhuber, daß „fast alle Sicherheitskräfte der Republik mit uns sympathisieren und uns deutsche Polizisten schützen“ , um im April unter Berufung auf Schätzungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu verkünden, daß in manchen Städten 70 – 80 % der Polizisten REPs wählen würden. (FAZ, 29.  April 1989). In Berlin ist der REP-Landesvorsitzende aktiver Polizeioberwachtmeister, ein weiterer Polizist sitzt neben Andres im Abgeordnetenhaus als REP-Vertreter. Anfang 1989 veröffentlichte die TAZ das Foto eines zivilen Polizei-PKWs, an dem ein REP-Aufkleber angebracht war (TAZ, 14. Februar 1989).