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Die Thüringer NPD im Landtagswahlkampf

Kai Budler
Einleitung

Nachdem der „symbolische Einzug“ in den Landtag als NPD Wahlkampfauftakt verhindert wurde, plant der Landesverband um Patrick Wieschke bis zur Landtagswahl 87 Kundgebungen in Thüringen.

Foto: Kai Budler

Die Thüringer NPD im Landtagswahlkampf.

Vollmundig hatte der Vorsitzende des NPD-Landesverbandes, Patrick Wieschke, angekündigt, die NPD werde während der letzten Sitzung vor der Sommerpause in den Thüringer Landtag einziehen und meinte damit eine Stippvisite von NPD-Funktionären auf der Besuchertribüne. Doch dazu kam es im Juli nicht, denn in ungewohnter Einigkeit übertönten Abgeordnete mit Unterstützung von Antifaschisten erst die NPD-Kundgebung vor dem Gebäude und blockierten danach den Zugang der sieben NPD-Spitzenkandidaten in den Landtag.

Nach der Kommunalwahl in Thüringen im Mai hat die NPD im Freistaat guten Grund sich gestärkt zu fühlen und mit Rückenwind in den Wahlkampf zu gehen. Für ihre weitere Etablierung kann die NPD nun mit rund 60 Mandaten die Kommunalparlamente verstärkt als Bühne nutzen, bei den letzten Wahlen 2009 waren es noch 25 Sitze. Die Gewinne zeigen, dass die NPD auf ein stabiles und teils wachsendes Stammwähler-Potenzial zurückgreifen kann. So holte der NPD-Landesgeschäftsführer Tobias Kammler in seinem Wohnort Urnshausen aus dem Stand 19,5%, der mehrfach rechtskräftig verurteilte Neonazi Thorsten Heise erzielte in seinem Wohnort Fretterode rund 15% der abgegebenen Stimmen.

Doch anders als bei den Wahlen auf kommunaler Ebene muss die NPD bei der Landtagswahl die 5% Hürde überwinden, an der ihr Landtagseinzug 2009 noch knapp gescheitert war. Dafür hatte der Landesverband Ausgaben in Höhe von rund 193.000 Euro für Wahlkämpfe und Öffentlichkeitsarbeit eingeplant, knapp doppelt so viel wie die Gesamtausgaben der NPD in Thüringen im Jahr 2012. Damit klafft im NPD-Haushalt ein Loch von knapp 90.000 Euro, das mit Spenden und Darlehen für die „anvisierte Materialschlacht“ gedeckt werden soll. Eine weitere Geldquelle der obligatorisch klammen Partei sind die Einnahmen aus den Rechtsrock-Open Airs, deren Saison in diesem Jahr mit dem „Eichsfeldtag“ von Thorsten Heise begann. Doch einbrechende Zuschauerzahlen und eine kurzfristige Absage des „Thüringentag der nationalen Jugend“ vor der Wahl könnten der NPD einen Strich durch die Rechnung machen. Um den propagandistischen Mehrwert zu nutzen und doch noch Geld in die Parteikasse zu spülen, hat Tommy Frenck nun ein fünftes Rechtsrock-Open Air in Thüringen angemeldet.

Ziel der NPD ist nach eigenen Angaben der „Einzug in den Landtag von mindestens sieben Abgeordneten“. Folgerichtig belegen die ersten sieben Plätze auf der Landesliste langjährig erfahrene Funktionäre und NPD-Kommunalpolitiker wie Patrick Wieschke, Thorsten Heise, Tobias Kammler und Patrick Weber. Für die praktische Unterstützung appellierte hatte Wieschke bereits auf dem Landesparteitag im März an „Kameraden“ außerhalb der NPD appelliert, „an einem Strang zu ziehen“. Damit meint Wieschke beispielsweise das „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ um den Neonazi Tommy Frenck, die „Aktionsgruppe Nordhausen“ oder den vom V-Mann und ehemals aktiven Neonazi Kai-Uwe Trinkaus initiierten Verein „Pro Erfurt“. Deren Vertreter erhielten mit dem NPD-Ticket in der Tasche Kommunalmandate und unterstützen die NPD beim Landtagswahlkampf vor Ort, nachdem die Zahl der NPD-Mitglieder nach einem kurzfristigen Anstieg im letzten Jahr wieder leicht gesunken ist. Trotz ihrer gespielten Seriosität ist die NPD also auch auf die Hilfe gewaltbereiter Neonazis zurückgreifen angewiesen, deren Zahl konstant und ihre Bereitschaft zur Gewalt ist unverändert hoch geblieben ist. 2013 wurden im Freistaat mehr als doppelt so viele Gewalttaten von rechts registriert als im Vorjahr.

Flankiert wird der Wahlkampf mit Sonderausgaben der mittlerweile 16 kostenlos verteilten vierseitigen NPD-„Regionalzeitungen“ in Thüringen, die der 2012 gegründete Tarnverein „Thüringer Medienverbund e.V.“ für eine „ungefilterte patriotische Massenaufklärung“ herausgibt. Nach eigenen Angaben verteilt die NPD in Thüringen insgesamt 170.000 Exemplare des Blattes und nutzt vor allem im ländlichen Raum die Lücke, die der Niedergang der Lokalzeitungen hinterlässt. So ist die verkaufte Auflage lokaler und regionaler Abonnementzeitungen im Bundesgebiet innerhalb von acht Jahren um mehr als ein Viertel auf 13 Millionen Exemplare gefallen. Wie in ihren Publikationen setzt die NPD im Wahlkampf vor allem auf Law and Order Parolen, Rassismus und Islamfeindlichkeit, dabei hat der Freistaat den bundesweit geringsten Anteil von Personen mit Migrations-Hintergrund. Dessen ungeachtet will die Partei offenbar von dem gewachsenen Rassismus profitieren, der sich auch in Thüringen in Übergriffen auf Asylbewerberunterkünfte niederschlägt. In einer Stellungnahme der Landesregierung ist die Zahl der registrierten Übergriffe allein in den ersten 33 Tagen dieses Jahres höher als in den letzten zwei Jahren zusammen. In diesem Zusammenhang wundert es nicht, dass bei der angekündigten NPD Landtagswahlkampftour auch Kundgebungen in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften geplant sind. Gleich 87 Kundgebungen an insgesamt 26 Tagen hat der Landesverband unter dem Motto „Thüringenrundfahrt 2014 – Wir helfen Thüringen“ bis zum Wahltermin am 14. September angekündigt. Ob die Aktion ähnlich wie der „symbolische Landtagseinzug“ für die NPD um Wieschke zum Debakel werden wird, bleibt abzuwarten. Bei einem der angemeldeten Orte in Erfurt bleibt Antifaschisten vor allem eine NPD-Kundgebung am selben Ort vor der Kommunalwahl im Gedächtnis, bei der die NPD ihre bürgerliche Maske fallen ließ. Drei Neonazis hatten Gegendemonstranten in einer Sitzblockade attackiert, ein NPD-Ordner mit Wucht gegen den Kopf jungen Mannes getreten. Offenbar kein Zufall, denn auf dem Facebook-Profil des Angreifers hieß es: “Tötet gleich drei Zecken auf einmal”.