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Erfurter NPD-Chef war V-Mann

Einleitung

Kai-Uwe Trinkaus war jahrelang einer der Spitzenfunktionäre der Thüringer NPD und spionierte gezielt Antifaschist_innen aus. Später trat er der DVU bei und wurde deren Thüringer Landesvorsitzender. Vor wenigen Wochen outete er sich gegenüber dem MDR THÜRINGEN als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Dieser bestätigte, was nicht mehr zu leugnen war: Trinkaus habe sich selbst angeboten und sei von Mai 2006 bis September 2007 V-Mann im Bereich Rechtsextremismus gewesen. Trinkaus gab hingegen an, unter dem Decknamen »Ares« fast fünf Jahre lang Informationen aus der rechten Szene und der NPD geliefert zu haben, bis er 2010 vom Thüringer VS abgeschaltet worden sei.

V-Mann Kai Uwe Trinkaus (links) beim Nahkampftraining mit Erfurter Neonazis im Herbst 2007, sein Übungspartner in Schwarz: der Spitzel Andy F., den er in die Linksfraktion des Thüringer Landtages entsandte.

Trinkaus war bis zu einem parteiinternen Machtkampf neben dem früheren NPD-Landeschef Frank Schwerdt und seinem damaligen Landesgeschäftsführer Patrick Wieschke einer der führenden NPD-Funktionäre in Thüringen. (Vgl. AIB Nr. 79) Er war während seiner Spitzeltätigkeit ein Motor der Neonazi-Partei, eröffnete ein NPD-Bürgerbüro in Erfurt, gab die Zeitung »Bürgerstimme« heraus und gründete oder unterwanderte zahlreiche Vereine. (Vgl. AIB Nr. 78) Im Sommer 2007 schleuste er seinen Kameraden Andy F. als Spitzel in die Linksfraktion des Thüringer Landtages ein. Andy F. war als Praktikant in einem sogenannten Mentoren-Programm der Fraktion tätig und arbeitete dabei für einen Abgeordneten. Auch bei den Thüringer Jusos war der Neonazi-Spitzel zeitweilig  Gastmitglied. Trinkaus berichtete dem MDR, dass sein V-Mann-Führer ihn bei dieser Aktion bestärkt habe. »Es gab da im Vorfeld der ganzen Aktion ein Brainstorming darüber, was man so machen könnte«, berichtete Trinkaus. Er gab zu, vertrauliche Behördenunterlagen über Antifaschist_innen von seinem V-Mann-Führer bekommen zu haben.

Im Juni 2007 waren Antifaschist_innen gegen einen bekannten Neonazi-Treffpunkt in Erfurt vorgegangen. Die Polizei nahm damals einige Antifaschist_innen als potentielle Tatverdächtige fest. Im Oktober 2007 tauchten die Namen und Adressen von elf dieser Festgenommenen auf der Internetseite der Erfurter NPD auf. »Ich habe gesagt, die Namen hätte ich schon gerne, und zwei Tage später hatte ich sie.« erklärte Trinkaus dem MDR. Als er die Liste von seinem V-Mann-Führer bekommen habe, hätte ihm dieser noch gesagt: »Was Sie daraus machen, ist Ihre Sache.« Für seinen Spitzeljob beim VS wurde Trinkaus gut bezahlt. Er hätte über mehrere Jahre monatlich rund 1.000 Euro erhalten, die er u.a. in seine Vereine und in die Arbeit des Erfurter NPD-Kreisverbandes gesteckt habe. In Thüringen wurden bereits mehrere führende Neonazi-Kader als gut bezahlte V-Männer bekannt. So erhielt Tino Brandt vom Thüringer Heimatschutz rund 200.000 DM für Spitzeldienste, die er in die politische Arbeit investiert haben soll. Der V-Mann Thomas Dienel von der »Deutsch Nationalen Partei« und der NPD konnte durch seinen VS-Lohn von 25.000 DM u.a. eine Kampagne gegen einen antifaschistischen Gewerkschafter finanzieren. (Vgl. AIB Nr. 94) Der Schatzmeister der »Deutschen Partei« (DP) in Thüringen erhieltbis 2003 als V-Mann mehrere Zehntausend Euro. Der Geraer Blood & Honour-Sektionsleiter und -Bundeskassenwart Marcel Degner bekam unter der Codierung »Quelle 2100, Deckname Hagel« eine fünf bis sechsstellige Summe. Im September 2012 wurde bekannt, dass alle »Treffberichte« mit dem V-Mannführer aus seiner Verfassungsschutzakte verschwunden sind. Inzwischen räumte der Thüringer Verfassungsschutz ein, mindestens 16.200 EUR in knapp 15 Monaten an Kai-Uwe Trinkaus gezahlt zu haben. Dokumentiert seien 41 Treffen mit seinem V-Mannführer »Lutz«. Obwohl Thüringens Innenminister Jörg Geibert beteuert, dass seine V-Manntätigkeit keinen Einfluss auf ein NPD-Verbotsverfahren hätte, weil Trinkaus im Jahr 2007 abgeschaltet worden sei und nur Informationen ab 2008 darin einfließen würden, gibt das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz zu, dass noch im Frühjahr 2008 ein »Nachsorgetreffen« mit Trinkaus stattgefunden hat. Grund seiner Abschaltung sei nach Thüringer VS-Angaben unter anderem gewesen, dass er im Jahr 2009 versucht habe, Kontakt zu zwei anderen Verfassungsschutzbehörden aufzunehmen. Einen letzten Telefonkontakt mit dem Thüringer Inlandsgeheimdienst habe es am 19. Oktober 2012 gegeben. Trinkaus sprach hier von seiner Angst, durch die Aktenübermittlung an die NSU-Untersuchungsausschüsse enttarnt zu werden. Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bemüht sich nach der Enttarnung um vermeintliche Transparenz und bot den Thüringer Untersuchungs­ausschuss­mit­glie­dern per Pressemitteilung eine »uneingeschränkte Einsichtnahme« in die V-Mann-Akte von Trinkaus an.