Rechte Gefahr in der DDR ?
Neonazi-Parolen in der DDR
In der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1989 wurde das Sowjetische Ehrenmal im Berliner Bezirk Treptow mit nationalistischen und antisowjetischen Parolen besprüht. Die UDSSR wurde als das größte Völkergefängnis bezeichnet, der „Nationale Befreiungskampf“ wurde gefordert und „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“. Am 3. Januar 1990 riefen die SED/PDS, das "Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer", FDJ und trotzkistische Gruppen zur Großkundgebung an Ort und Stelle auf. Geredet haben neben den Aufrufern auch Vertreter der rechten National Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und etwa der Liberal Demokratische Partei Deutschlands (LDPD). Obwohl Forderungen nach einer „Einheitsfront gegen Rechts“ immer wieder auftraten und von vielen DemonstrantInnen lautstark gefordert wurde, ist VertreterInnen der autonomen Antifa-Bewegung z.B. das Rederecht verweigert worden.
Zurecht wurde auf die wachsende Gefahr von Rechts in der DDR aufmerksam gemacht, die Schmierereien verurteilt und betont, das "Die Republikaner" (REPs) und Neonazis kein Raum gelassen werden darf. Von so gut wie keinem der RednerInnen wurde das Problem der in der DDR Bevölkerung weit verbreiteten AusländerInnenfeindlichkeit, bzw. des Rassismus thematisiert, oder auf andere Ursachen wie der erstarkenden Bewegung für Wiedervereinigung und den Einflussmöglichkeiten, die Neonazis durch diese Bewegung haben, eingegangen. Neben den Rufen nach „Einheitsfront“ wurde auch immer wieder "Nazis Raus“ und „Verfassungsschutz“ skandiert. Das Misstrauen, daß gerade mit der schnellen Einrichtung eines Verfassungsschutz sich der alte verhasste „Stasi Apparat“ (Ministerium für Staatssicherheit der DDR) etablieren würde und das die SED eine neonazistische Gefahr an die Wand male, um irgendwie an der Macht zu bleiben, also Wahlkampf mit dem Thema Antifaschismus betreibt, zog sich durch alle Oppositionsgruppen, auch den linken.
Diese bilden verstärkt neue Antifa-Gruppen und erkennen selbst die Gefahr. Neben vielen autonomen und partei-unabhängigen Gruppen beteiligen sich hauptsächlich die „Vereinigte Linke“ und regional unterschiedlich das „Neue Forum“ an dieser Arbeit. In den Jahren zuvor hat die SED behauptet, es gäbe keine faschistische Gefahr, was auch von Rednern als Fehler benannt worden ist, und heute wird die Gefahr an ein paar Sprühereien festgemacht. So haben das viele Menschen in der DDR wahrgenommen und wenn dann diejenigen, die den sowjetischen Soldatenfriedhof in Gera verwüstet haben noch vorher unbekannte Schüler waren, wird das von Vielen benutzt das ganze als Hirngespinst der SED/PDS abzutun. Allen voran, bis auf wenige Ausnahmen, die West-Medien, die nach der Treptower Kundgebung überall in der DDR Neonazis suchten, aber keine entdecken konnten (wollten). Übrigens ganz im Gegensatz zu den britischen Medien, die ausführlich darüber berichten und in Beiträgen auf eine neonazistische Gefahr in der DDR hinweisen.
Ein Blick hinter die Mauer
Wir haben uns daraufhin noch mal näher in der DDR umgesehen und mit Menschen aus der autonomen und SED-unabhängigen Antifa-Bewegung gesprochen und versucht die Gefahr genauer zu untersuchen. Es ist noch Tatsache, das sich die Anzahl der organisierten Neonazis auf einem für BRD-Verhältnisse relativ geringem Level bewegt. Doch es gibt in vielen Städten organisierte konspirativ arbeitende neonazistische Gruppen. Dies bestätigte etwa der jetzt in Augsburg lebende „Klaus B.“ im Spiegel- TV. Er stamme aus Erfurt und verstehe sich in der BRD als "politischer Flüchtling“, da er in der DDR als NS-Rädelsführer gesucht wird. Durch gute Kontakte zur Volkspolizei der DDR hätte er von der anstehenden Verhaftung erfahren und sei geflüchtet. Nach seinen Angaben sind die Neonazis in Gruppen von 7-10 Personen organisiert, in den größeren Städten gäbe es mehrere Gruppen, deren "Gruppenführer" untereinander in Kontakt stünden. Die Stasi hätte sie über die Jahre solange in Ruhe gelassen, wie sie nicht öffentlich aufgetreten seien. Die Existenz solcher Gruppen, die Anfang Januar noch selten offen auftraten, wurde uns von den schon länger arbeitenden Antifa-Gruppen bestätigt, ebenso die Tatsache, das diese Gruppen anwachsen und das sich neue bilden.
Es ist kein Wunder, das der große Teil der West-Presse auf der Suche nach martialisch auftretenden uniformierten Neonazis enttäuscht wurde und bei den Skinheads feststellen musste, daß sie zwar gewalttätig und ausländerfeindlich, aber nicht gerade NS-Kader sind. Sie stellen tatsächlich in der Regel das Fußvolk dar, sind meistens rechts und gegen Linke, AusländerInnen, Homosexuelle offen gewalttätig. Diese extrem rechte Skinheadbewegung wächst in der DDR. Schützenhilfe erhalten die DDR Neonazis aus dem Westen. An der DDR Grenze wurden Tonnen an Propagandamaterial und Ende Dezember 1989 wurden im Raum Brandenburg 50kg REP-Flugblätter und NSDAP- Propaganda beschlagnahmt. Die „Republikaner“ (REPs) vermeldeten die Gründung von 15 Kreisverbänden und ein großes Interesse bei DDR Bürgern. Die Bewegung von Befreiung, zum Konsum, zur Nation entwickelt sich zum jetzigen Zeitpunkt in einer rasanten Geschwindigkeit. An den Leipziger Montagsdemonstrationen nehmen bis zu 150.000 Leute teil. Die Hauptparole, wie in vielen anderen Städten der DDR, ist „Deutschland einig Vaterland“, Transparente, die Deutschland in den Grenzen von 1937 fordern werden mitgeführt, unter den DemonstrantInnen treten verstärkt Gruppen von Neonazis oder SympathisantInnen auf, die versuchen die Stimmung anzuheizen und ihre Parolen schreien, wie „Heim ins Reich“.
Aufgrund dieser Stimmung hat das „Neue Forum “ die Schirmherrschaft über die Demonstration abgelehnt, da alles was nicht 'Deutschland' fordert niedergeschrien wird. Damit haben sie nur die Schirmherrschaft abgegeben, die Rechten und Neonazis stoßen weiter vor. Nichts zu lachen haben dagegen die wenigen GegnerInnen der Wiedervereinigung, die sich noch Montag abends auf die Straße wagen. Etwa 50 an der Zahl werden sie von DemonstrationsteilnehmerInnen wütend beschimpft und als „Stasi-Kinder“ bezeichnet. Das gerade viele von ihnen schon während der Stasi-Zeit verfolgt wurden und sie unter den Ersten waren, die demonstriert haben als es noch gefährlich war, scheint wenige zu stören. Nach den Kurzbesuchen im „Freien Westen“ wollen sie endlich mehr Konsum, die Gesellschaft, die das scheinbar verspricht, ist die BRD, man will „keine Experimente“ mehr, also Anschluss an den Westen. Nicht alle Leute die „Deutschland einig Vaterland“ rufen sind überzeugte Nationalisten, geschweige denn Neonazis. Sie wollen die „einfache Lösung“ und das möglichst schnell. Dazu kommt jedoch noch eine weit verbreitete AusländerInnenfeindlichkeit gegen PolInnen, VietnamesInnen und KubanerInnen. Seit die neuen Gesetze von der Regierung Modrow erlassen sind, das Nicht DDR-BürgerInnen verbietet subventionierte Waren zu verkaufen, wissen viele der in der DDR arbeitenden VietnamesInnen, PolInnen und Andere nicht, ob sie Waren verkauft bekommen oder nicht. Sie bekommen nach Berichten oft die Willkür der VerkäuferInnen zu spüren, die ihnen ungesetzlich den Verkauf verweigern. In Gesprächen mit vielen DDR-BürgerInnen und Interviews wird dieser Rassismus immer wieder deutlich. Da steht die Behauptung die AusländerInnen würden bevorzugt behandelt immer wieder im Raum und die „Hamsterkäufe“ der polnischen Nachbarn. Schon lange vorhanden, bricht sich ein genereller Rassismus in der DDR bahn.
In der gegenwärtigen Stimmung (Mitte Januar) finden die REP-Flugblätter. Anstecker und Plakate reißenden Absatz. Es entstehen Bürgerinitiativen für die Wiedervereinigung, wie z.B. die „Bürgernahe Volksvertretung- Geeintes Deutschland / Deutsche Volkspartei“ aus Leipzig. Ein "neutrales Deutschland im Haus Europa" wird gefordert usw. Die Machart dieses Aufrufes ähnelt denen der sog. Bürgerinitiativen für 'Lebensschutz', 'nationale Identität' usw., die in der BRD und Westberlin später zu Ortsverbänden der REPs geworden sind.
Leipzig: Mekka des „nationalen Lagers“
Da ja fast alles, was deutschnationale Politik betreibt, sich in Leipzig sehen lässt, von der „Jungen Union“ bis zur CSU, deren nördlicher Verband sich schon den Beinamen "Vorpommern" (Pommern liegt in Polen) gegeben hat, dürfen auch die militanten Neonazis nicht fehlen. Die „Wiking Jugend“ aus der BRD hat Flugblätter mit der Deutschlandhymne in drei Strophen verteilt und ihre Kontaktadresse bekanntgegeben. Das 'Bekenntnis zu Deutschland' scheint diesen Neonazis erst mal zu reichen, um sich bekannt zu machen, so knüpfen sie an die Massenstimmung an. Es treten immer häufiger auch Flugblattverteiler anderer neonazistischer Organisationen, hauptsächlich noch in den südlichen Städten der DDR, auf. Da sind die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP), die „Nationalistische Front“ (NF), die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) und die „Patrioten für Deutschland“ zu nennen. Sie sind schon seit Jahren dabei Kontakte zu knüpfen, doch in der jetzigen Situation können sie diese ungestört weiter ausbauen. Der alte staatliche Repressionsapparat funktioniert nicht mehr und die Volkspolizei hütet sich davor dagegen vorzugehen, man kann das auch als 'rechtsfreien Raum' bezeichnen.
Die „Republikaner“ als Gewinner
"Wir sind das Original, die anderen die Fälschung" tönte Franz Schönhuber auf dem REP-Bundesparteitag in Rosenheim, noch vor Monaten sagte Bundeskanzler Helmut Kohl die Wiedervereinigung stünde nicht auf der Tagesordnung. Unter dem Motto 'Deutschland einig Vaterland' kann auch der Ex-Waffen SS-Mann behaupten, das für die REPs in der DDR ein noch größeres Potential vorhanden sei, als in der BRD. Als "Mitteldeutschland"-Beauftragter der REPs wurde der Bad Tölzer REP-Kreisvorsitzende Reinhard Rade ernannt.1 Kontakte in die ČSSR und Rumänien zu deutschen Volksgruppen seien bereits geknüpft. Dabei wollen die REPs in Ost und West auf das Thema "Ausländerproblematik" setzen, da auch die "Bevölkerung der DDR den Import von Asiaten und Afrikanern als Arbeitskräfte" ablehne.
Im März und April 1990 gründeten sich mehrer REP-Kreisverbände in Brandenburg (Schwedt, Brandenburg und Fürstenwalde). Im Beisein von Franz Schönhuber war der REP-Landesverband Brandenburg schon im Februar in Westberlin aus der Taufe gehoben worden. Weiterhin kündigte Hans Rudolf Gutbrodt, ein Sprecher der REPs aus "Mitteldeutschland" , die Gründung eines Landesverbandes Mecklenburg Ende Januar und für Mitte Februar die Gründung eines Landesverbandes mit mehreren tausend Mitgliedern an und forderte ein Deutschland in den Grenzen von 1937. Er schätze das Potential der REPs in der DDR auf 20 bis 30 Prozent. Erst einen Tag vorher hatte die BILD-Zeitung dem Maschinenbauschlosser aus Parchim (DDR) zugesetzt und ihn als Agenten der Stasi bezeichnet.2 Der sächsische REP-Landesvorsitzende Ulrich Sorek wurde auf einem REP-Parteitag in Ruhstorf als kooptiertes Mitglied in den west-deutschen REP-Bundesvorstand aufgenommen. Der brandenburgische REP-Landesvorsitzende Peter Gillian trat auf dem Ruhstorfer Parteitag hingegen als Kritiker des REP-Vorsitzenden Franz Schönhuber auf und drohte hier mit einer Eigengründung namens "Die deutschen Republikaner".
Streit in REP-Kreisen gab es in Sachsen. Der REP-Kreisverband Dresden löste sich aus Protest gegen den sächsischen REP-Landesgeschäftsführer Andreas Thiemann auf. Er soll mit der Parteiarbeit angeblich "nur persönliche Vorteile" als Immobilienhändler verfolgt haben. Der sächsische REP-Schatzmeister Frank Kaden wurde als angeblicher Stasi-Spitzel aus den REPs ausgeschlossen.3 . In Berlin agiert der frühere CDU-Politiker Frank Schwerdt als Pate beim Aufbau der ersten Ostberliner REP-Kreisverbände. Mitte März 1990 wurde formell ein REP-Kreisverband Ostberlin in Westberlin gegründet.
Hass auf Linke in Erfurt und Leipzig
Auf den Donnerstagdemonstrationen in Erfurt werden GegnerInnen der Wiedervereinig angegriffen und verprügelt. Junge autonome AntifaschistInnen und die „Vereinigte Linke“ werden als "Stasi-Schweine" beschimpft. Nach Berichten aus Erfurt haben die organisierten Neonazis aus der Umgebung diese Gerüchte mit gestreut. So muss die „Vereinigte Linke“ ihre Versammlungen mit Saalschutz abhalten. Die Tatsache, daß sie schon vor der "Wende" auf der Straße waren, schützt sie nicht vor den Ausbrüchen "gegen die SED", womit dort die Linke gleichgesetzt wird. Das „Neue Forum“ der Stadt wendet sich gegen diese Angriffe, die anderen Oppositionsgruppen sind für die Wiedervereinigung und tragen die Hetze mit. Gegen die 'Leipziger Volkszeitung' (Zeitung der SED) gab es eine anonyme Bombendrohung, Redakteure sind bei Umfragen auf der Straße tätlich angegriffen worden. In der Zeit um den Jahreswechsel wurde auf ein Leipziger Antifa Cafe ein Brandanschlag verübt. Ein von ausländischen StudentInnen bewohntes Haus wurde überfallen und eine Angriffsdrohung gegen ein linkes Studentenzentrum gerichtet. Die Volkspolizei versucht dort anscheinend nicht aufzufallen und hält sich aus allen Sachen raus. So lehnte sie auch den Schutz des Zentrums ab.