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Neues Gutachten im Fall Oury Jalloh

Einleitung

Scheinheilige Überraschung bei der Dessauer Staatsanwaltschaft

Foto: Danny Frank

Der Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann klang, als sei plötzlich ein lange verschollenes Beweisstück aufgetaucht. »Das sind sehr ernste, überraschende und zum Teil erschreckende Informationen«. Man müsse »jetzt sehr genau prüfen, wie man weiter vorgeht. Das kann nicht einfach weggewischt werden«.  Er stellte neue Ermittlungen in Aussicht.

30.000 Euro hatten Aktivist_innen für ein unabhängiges Brandgutachten bei Unterstützer_innen gesammelt. Es war die letzte Chance, die sie sahen, den Feuertod Oury Jallohs in einer Dessauer Polizeizelle am 7. Januar 2005 aufzuklären. Mit dem Geld bezahlten sie den britischen Brandgutachter Maksim Smirnou. Er sollte eine  Antwort auf die Frage finden, wie Oury Jalloh trotz Fesselung an Armen und Beinen auf einer feuerfesten Matratze vollständig verkohlen konnte. Er kommt zu dem Schluss: Die schnelle und völlige Zerstörung der feuerfesten Matratze, auf der Oury Jalloh fixiert war, das Ausmaß und die Intensität der Verkohlung des Körpers bis in tiefe Hautschichten sei nur durch fünf Liter eines Brandbeschleunigers, etwa Benzin, möglich.

Die Ergebnisse des Gutachtens sind in einem Video festgehalten. Die Aktivist_innen haben darin auch Bilder geschnitten, die das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt direkt nach dem Brand in der Zelle mit der noch gefesselten Leiche gemacht hat. »Wir haben diese Bilder seit acht Jahren und sie bislang nicht gezeigt. Wir haben das aber jetzt für notwendig gehalten«, sagt Nadine Saeed von der »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh«. Dies sei nicht geschehen, »um Schockeffekte zu erhaschen und Druck aufzubauen, sondern um sie den Bildern aus den neuen Brandversuchen gegen­über­zu­stellen. Nur so kann man verstehen, was geschehen sein muss, damit ein solches Brandbild entsteht wie in der Dessauer Polizeizelle.« In dem Video wird auch deutlich, dass die Justiz von Beginn an nur in eine Richtung ermittelt hat: Noch bevor er den Gewahrsamstrakt betritt, ist ein Polizist mit den Worten zu hören: »Ich begebe mich jetzt in den Keller, in dem sich ein schwarzafrikanischer Bürger in einer Arrestzelle selbst angezündet hat.«

Als die verstörenden Bilder von Oury Jallohs Leiche zeitgleich mit der Präsentation des Brandgutachtens ins Netz gestellt wurden, war der Erklärungsdruck groß. Medien von Berlin über London bis nach New York interessierten sich wieder für den Fall. Der Oberstaatsanwalt Folker Bittmann sagte »Spiegel Online«: »Von Anfang an stand natürlich die Frage im Raum, ob vielleicht ein Dritter die Finger im Spiel hatte.« Es habe dazu bislang aber keine Anhaltspunkte gegeben. »Wenn es jetzt etwas ganz Neues gibt, werden wir das natürlich aufgreifen.«

»Eine Unverschämtheit«, sagt Saeed zur Einlassung der Anklagebehörde. »Die Staatsanwaltschaft in Dessau tut jetzt so, als ob es ihr nicht möglich gewesen wäre, das herauszufinden, was wir herausgefunden haben. Dabei haben wir jahrelang im Prozess auf genau so ein Gutachten gedrängt und sie haben das immer abgelehnt.« Am 11. November hat die Initiative beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe »Straf­anzeige wegen Totschlag oder Mord gegen unbekannte Polizeibeamte« erstattet. Sie begründete die Anrufung der obersten Strafverfolger damit, dass es sich um eine »besonders schwere Straftat mit Bezug zur inneren Sicherheit und Verfasstheit der Bundesrepublik handle und die Täter notwendigerweise Polizisten sein müssen«. Die Justiz in Sachsen-Anhalt habe »acht Jahre Zeit« gehabt, sagt Saeed. »Sie hat bewiesen, dass sie nicht gewillt ist, Oury Jallohs Tod aufzuklären. Der Rechtsstaat hat da versagt. Wir wollen, dass das jetzt außerhalb von Sachsen-Anhalt gemacht wird.«

Mehr Informationen: initiativeouryjalloh.wordpress.com
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