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In Riesenschritten: Noch mehr Entrechtung von Asylsuchenden

Dorothea Lindenberg
Foto: Christian-Ditsch.de

Am 19. Sep­tem­ber entschied der Bun­des­rat über eine Ver­schär­fung des Asyl­rechts. Ser­bi­en, Ma­ze­do­ni­en und Bos­ni­en-​Her­ze­go­wi­na wurden per Ge­setz zu „si­che­ren Her­kunfts­staa­ten“ er­klärt, ob­wohl be­son­ders Roma und LGBT in die­sen Län­dern er­heb­li­cher Dis­kri­mi­nie­rung aus­ge­setzt sind. Laut Bundesregierung soll mit diesem Gesetz darauf reagiert werden, dass Asylsuchende aus diesen Ländern nur eine sehr geringe Anerkennungsquote haben. Angesichts stark gestiegener Flüchtlingszahlen wolle man gegen „offensichtlich unbegründete“ Asylanträge vorgehen, um dem Schutz­­anspruch anderer Asylsuchender gerecht werden zu können.

„Ein Schlag ins Gesicht für verfolgte Roma,“ kommentiert der Bundes Roma Verband e.V. „Wir haben in den vergangenen Jahren unzählige Stellungnahmen, Berichte und Interviews veröffentlicht, die belegen, dass es kein sicheres Leben für Roma in diesen Ländern gibt — und auch keine Pers­pektive darauf.“

Auch andere Stellungnahmen u.a. von Amnesty International und PRO ASYL haben deutlich gemacht, dass es massive Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung von Roma und anderen Minderheiten, insbesondere von LGBT in diesen Ländern gibt. Trotzdem wird die bisherige, rechtlich fragwürdige Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, im Schnellverfahren fast alle Asylsuchenden aus diesen Ländern abzulehnen, nun legitimiert.

KritikerInnen, wie der Flüchtlingsaktivist Bruno Watara sahen deshalb als Ziel des Gesetzentwurfes, „die unerwünschten asylsuchenden Roma abzuschrecken, sie möglichst rasch wieder in ihre Herkunftsstaaten abzuschieben oder in die Illegalität zu drängen.“
Zunächst hatten Bündnis 90/Die Grünen angekündigt, dem Gesetzentwurf im Bundesrat ihre Zustimmung zu verweigern. Verhandlungen mit der Bundesregierung ließen jedoch bald vermuten, dass sie im Tausch gegen Zugeständnisse im Sozialrecht oder beim Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende zur Zustimmung bereit sind.

Darüber waren viele empört: „Wir Flüchtlinge lassen uns nicht spalten in richtige und falsche Asylsuchende, in erwünschte und unerwünschte Asylsuchende. Wir haben alle ein Recht auf Schutz,“ so der Online-Appell von Bruno Watara, der in wenigen Tagen von rund 750 Flüchtlingen und Menschenrechtsaktivist*Innen unterzeichnet wurde.

Die Flüchtlingsfrauengruppe „Women in Exile“, die gerade den taz-Panter-Pub­li­kums­preis erhielt,  wies darauf hin, was der Gesetzentwurf für Flüchtlingsfrauen bedeutet: Serbien und Mazedonien sind (neben der Russischen Förderation) die Herkunftsländer von Asylsuchenden mit den höchsten Frauenanteilen und gleichzeitig mit den niedrigsten Schutzquoten. Elisabeth Ngari kommentierte: „Im Prinzip ist es immer das Gleiche. Mit der absurden Konstruktion von angeblich sicheren Herkunftsländern oder si­cheren EU-Staaten schiebt Deutschland die Verantwortung für den Schutz von Frauen vor Verfolgung einfach ab.“ Deshalb forderte sie anlässlich der Preisverleihung am 13. September 2014 zum Aktiv werden auf: „Wir bitten alle, die uns dabei un­terstützt haben, den taz-Panterpreis zu gewinnen: Bitte nutzen Sie alle ihre Einflussmöglichkei­ten, um die Unterzeichnung dieses Ge­setzes im Bundesrat zu verhindern.“

Diese und zahlreiche andere Proteste und Appelle verhallten ungehört: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stimmte im Bundesrat der Entrechtung von Asylsuchenden zu.

„Ausgehandelt“ wurden im Gegenzug ein paar Lockerungen für andere Asylsuchende. Die nächsten Entrechtungen für Asylsuchende sind bereits geplant: Mehr Inhaftierung von Flüchtlingen, Arbeitsverbote, Wiedereinreisesperren für abgelehnte Asylsuchende… All das sieht ein neuer Gesetzentwurf vor, über den als nächstes entschieden wird.
 

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