Irving und MND in Leipzig
Im letzten Antifaschistischen Infoblatt (AIB) haben wir ausführlicher über die Anfänge der Entwicklung rechter und neonazistischer Gruppierungen in der DDR berichtet. Ob in Ostberlin oder Leipzig, fast jedesmal sind auch Funktionäre aus dem Westen beteiligt.
Rechte auf den Montagsdemonstrationen
Nicht nur die Parteien auch die sogenannten Theoretiker und »Historiker« der Neuen und Alten Rechten tummeln sich in Leipzig und anderswo in der DDR.
Die neonazistische Zeitung „Nation Europa“ verteilte einen neonazistischen Text ihres Gründers Arthur Ehrhardt unter dem Titel „Die 6-Millionen-Legende: Arthur Ehrhardts unwiderlegter Offener Brief vom Dezember 1961“. Etwa 2.000 dieser Blätter wurden, nach Augenzeugenberichten, von vielen jungen Leuten begeistert aufgenommen und gelesen.
Auf anderen Flugblättern wurde zu einem Vortrag des englischen Revisionisten David Irving eingeladen. Der Vortrag „Ausflug in die geschichtliche Wahrheit“ einer „Deutsch-Europäische Gemeinschaft der Verfolgten totalitärer Systeme“ fand am 6. Juni 1990 vor etwa 100 ZuhörerInnen in der Kongreßhalle auf dem AGRA Gelände in Leipzig statt. Irving reist seit Jahren im Auftrag verschiedener Neonazi-Organisationen durch Europa, um die Lüge zu verbreiten, das die Neonazis am 2. Weltkrieg unschuldig seien und der Holocaust in den Lagern von Auschwitz und anderswo eine Diffamierung sei - erst kürzlich wurde er aus Österreich ausgewiesen.
Bei einem großen Revisionistentreffen unter dem Motto „Wahrheit macht frei“ im Münchener Löwenbräukeller trat David Irving am 21. April 1990 vor rund 800 ZuhörerInnen auf. Hier traf er auf den Leipziger Neonazi-Aktivisten Riccardo Sturm, der sich auch zeitweilig auf dem Präsidium der Veranstaltung befand.
NPD als MND
Auch die NPD darf beim »Nationalen Taumel« auf den Leipziger Montagsdemonstrationen nicht fehlen und verteilte ihrerseits zunächst Flugblätter mit einer Stuttgarter Kontaktadresse, in denen der Rückzug Deutschlands aus den militärischen Blöcken gefordert wird. Einer der NPD Leute erschien als Hauptredner vor der Demonstration und forderte die Menge auf als »wahre deutsche Patrioten für ein Deutschland der Deutschen zu kämpfen« und wies daraufhin, daß es »zu viele Türken« in der BRD gäbe. Die West-NPD-Kader Udo Voigt und Walter Seetzen versammelten nach einer Montagsdemonstration erste NPD-Interessierte zu einem Treffen.
Am 24. März 1990 wurde im „Kulturhaus Albert Norden“ in Leipzig die „Mitteldeutschen Nationaldemokraten“ (MND) mit Unterstützung von Winfried Krauß (NPD-Frankfurt) als Ost-NPD gegründet. Die MND sind über ein Leipziger Postfach zu erreichen und verbreiten Flugblätter und Aufkleber mit den altbekannten rechten Symbolen und Parolen der BRD -Neonazis, z.B. »Deutschland ist größer als die Bundesrepublik«, mit einem schwarzen Adler hinter dem Brandenburger Tor.
MND-Vorsitzender wurde der Magdeburger Rainer Prigge. Mike Zimmermann aus Leipzig wurde zum MND Pressesprecher ernannt. Weitere Vorstandsmitglieder waren Jürgen Schön und Werner G.. Eine Art Parteizentrale wurde in der Wohnung des MND-Aktivisten Jürgen Schön in Leipzig-Möcken eingerichtet. In Thüringen trat Andre Bracke aus Gera als eine Art MND Verantwortlicher auf, in der Sächsischen Schweiz Uwe Leichsenring. 1
Antifaschistischer Widerstand
Am 1. Mai versuchte die MND mit 150 Neonazis eine Kundgebung in Leipzig durchzuführen. Rund 500 AntifaschistInnen besetzten den Kundgebungsplatz. Eine Gruppe von Neonazis um den Leipziger Neonazi-Aktivisten Riccardo Sturm versuchte erfolglos den Platz zu stürmen. Trotz dieser Flut neonazistischer Aktivitäten, die von einer steigenden Zahl gewalttätiger Übergriffe begleitet werden, gehen immer noch AntifaschistInnen auf die Straße. Am 10. März demonstrierten circa 500 autonome AntifaschistInnen durch Leipzig und auch an den Montagsdemonstrationen nahmen trotz der Übermacht der Neonazis eine kleine Anzahl GegendemonstrantInnen teil.
- 1Nachtrag AIB: Am 7. Oktober 1990 folgte in Erfurt der Vereinigungsparteitag von NPD und MND. Es kam zur Nachwahl eines MND-Stellvertreters in den NPD-Parteivorstand (Rainer Prigge) und zur Nachwahl von MND Vertretern zu den Beisitzern (Jürgen Schön, Harry Piel, Thorsten Keil, Thomas Dienel)