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Düsseldorfer Wehrhahn-Anschlag aufgeklärt?

Lotta NRW
Einleitung

Am 1. Februar 2017 wurde im Düsseldorfer Umland Ralf Spies festgenommen. Dieser soll am 27. Juli 2000 auf dem Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn „in fremdenfeindlicher Absicht“ einen selbst gebauten TNT-Sprengsatz zur Detonation gebracht haben. Helfer_innen hätte er bei der Planung und Durchführung nicht gehabt, möglicherweise aber habe es — so die Ermittlungsbehörden — „Mitwisser“ gegeben.

Bild: Screenchot „Abenteuer Wissen“, ZDF via Recherche Nord

Ralf Spies trat in einem Fernsehbeitrag des ZDF als selbsternannter „Piraten-Abwehrtrainer“ auf.

Ziel des Anschlags war eine Gruppe Migrant_innen aus der ehemaligen UdSSR, die meisten von ihnen Jüdinnen und Juden. Zehn von ihnen wurden teilweise lebensgefährlich verletzt, eine im fünften Monat schwangere Frau verlor ihr ungeborenes Kind. Ralf Spies soll zuvor die Alltagsroutine der Besucher_innen eines Sprachkurses „ausbaldowert“ haben. Motivgebend soll ein Vorfall im Zusammenhang mit anderen Schüler_innen der Sprachschule im Herbst 1999 gewesen sein. Ein Zusammenhang mit dem NSU würde nicht bestehen.

Spies wohnte damals in der Nähe des S-Bahnhofs, bot Security- und Wachschutzdienste an, betrieb ein Ladengeschäft für „Polizei-Armee-Sicherheit-Zusatzausrüstungen“ und Militaria und war eng mit der Düsseldorfer Neonazi-Szene und dem loka­len Kameradschaftsführer Sven Skoda verbunden. Fest in der „Kameradschaft Düsseldorf“ eingebunden war der Waffennarr und ehemalige Zeitsoldat aber offenbar nicht, auch Antifa-Gruppen galt er eher als „Einzelgänger“.

Die wenige Tage nach dem Anschlag ein­gerichtete „Ermittlungskommission Acker“ („EK Acker“) verfolgte nach Hinweisen als eine unter vielen Spuren auch die Spur Ralf Spies. Im Frühjahr 2002 fasste die Staatsanwaltschaft zusammen, dass sich keine „objektivierbaren Anhaltspunkte für eine Beteiligung“ von Spies „an der Straftat“ ergeben hätten. Dieser sei „nicht in der Lage“ gewesen, „ausgefallene Gegenstände aus dem Waffenbereich herzustellen oder auf Bestellung zu besorgen“. Ein Gutachten hatte zuvor festgestellt, dass bezüglich der Fertigung des Sprengsatzes eine „erhebliche Sachkunde“ nötig gewesen sei. Ein möglicher rechter Hintergrund des Wehrhahn-Anschlags war damit aus dem Rennen. Nicht recherchiert worden war offenbar unter anderem, dass Spies während seiner vierjährigen Bundeswehrzeit eine Sprengstoffausbildung genossen hatte und sich mit Sprengfallen auskannte.

Ende 2014 wurde dann hinter den Kulissen die „EK Furche“ eingerichtet. Anlass war, dass sich Spies während der Verbüßung einer Haftstrafe 2014 gegenüber einem Mithäftling damit gebrüstet hatte, den Anschlag begangen zu haben. Die „EK Furche“ bemühte sich von nun an mangels Beweisen darum, ausreichend Indizien zu sammeln, um eine Anklage zu ermöglichen. Um hierbei nicht vom Ende 2014 in NRW eingerichteten Parlamentarischen NSU-Untersuchungsauschuss (PUA) behindert zu werden, wurde mit diesem eine Art Geheimabkommen geschlossen. Der PUA verzögerte die Behandlung des Themas „Wehr­hahn“, bis der Zugriff erfolgt war. Für eine gründliche „Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden“ im Fall „Wehrhahn-Anschlag“ blieb angesichts der Landtagswahlen im Mai 2017 anschließend jedoch keine Zeit mehr.

Bekannt wurde jedoch, dass Anfang 2012 ein streng geheimes Gespräch zwischen dem VS NRW und dem "EK-Acker"-Leiter stattgefunden hatte. Diese Zusammenkunft wurde im PUA kurz thematisiert, aus Gründen des „Geheimschutzes“ aber nicht der Inhalt. Stattdessen enthüllte „Der Spiegel“, dass der VS über einen V-Mann informiert hatte, den dieser zum Tatzeitpunkt im direkten Umfeld von Spies geführt hatte.

Bei Andre M. handelt es sich um einen damaligen Aktivisten der „Kameradschaft Düsseldorf“. Als V-Mann tätig gewesen sein soll er von August 1999 bis Mai 2000, er habe aber keine Infos zum Anschlag liefern können. „Allerdings halten sich in Sicherheitskreisen Zweifel“, so „Der Spiegel“, „ob der Informant tatsächlich im Frühjahr 2000 abgeschaltet worden war. Ein V-Mann-Führer will sich nämlich auch später noch mit seinem Schützling getroffen haben: Er sei ‚zur Tatzeit‘ mit M. zusammengewesen.“