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Zentrum Automobil - ArbeitnehmerInnenvertretung von Rechts

Einleitung

Von März bis Mai 2018 wurden über 180.000 Betriebsräte für vier Jahre neu gewählt. In verschiedenen Betrieben standen (extrem) rechte Listen zur Wahl, die von einer breiten Kampagne in einschlägigen Medien unterstützt wurden. Mit dem Erstarken der AfD, die diese Listen als Einfallstor in die traditionellen IG-Metall-Betriebe nutzen könnte, wächst die Gefahr einer dauerhaften Etablierung.

Bild: Screenshot YouTube; saxon 8072

Oliver Hilburger (links) und Lutz Bachmann (rechts) bei einer PEGIDA-Kundgebung in Dresden.

Dass auch Gewerkschaftsmitglieder keineswegs immun gegen rechte Ideologie sind, haben Studien schon 2005 nachgewiesen. Bei der Bundestagswahl 2017 sollen 15 Prozent von ihnen die "Alternative für Deutschland" (AfD) gewählt haben — und damit mehr als im Bundesdurchschnitt. Verschiedene rechte „Gewerkschaften“ gründeten sich in den letzten Jahren: die „Arbeitnehmer in der AfD (AidA)“ (2014), „Alternative öffentlicher Dienst“ (2015), „Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer AVA“ (2015) oder „Alternative Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland ALARM“ (2017). Bei der Demonstration von Siemens-Arbeiter_innen in Erfurt 2017 marschierte die AfD offen mit und auch bei der 7. COMPACT-Konferenz in Leipzig am 25. November 2017 war das Thema präsent. „Alle Räder stehen still, wenn der blaue Arm es will“ verkündete Jürgen Elsässer. Zu erwähnen ist auch die Unterstützung durch Simon Kaupert und „EinProzent“, der mit der Homepage „werdebetriebsrat.de“, Social-Media-Kampagnen und einer auf PEGIDA-Aufmärschen verteilten „Alternativen Gewerkschaftszeitung“ ebenfalls für eine rechte Offensive in den Betrieben wirbt.

Zentrum Automobil

Die Liste „Zentrum Automobil“ (ZA) erscheint, sehr salopp gesagt, als eine Art Projekt in die Jahre gekommener Neonazis, die irgendwann auch an ihre Rente denken und daher Gitarre, Besäufnisse und Neonaziaufmärsche gegen Schichtarbeit bei Daimler eintauschen bzw. um Betriebsrat-Posten dort erweitern mussten. Ihre alte Ideologie und ihre Netzwerke haben sie dennoch meistens nicht aufgegeben.

Auch auf historische Vorbilder kann man sich stützen: „Hinein in die Betriebe“ war das Motto der „Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation“ (NSBO) 1931. Bis auf einzelne öffentlichkeitswirksame Erfolge, wie z.B. der BVG-Streik in Berlin 1932, war diese „Arbeitnehmervertretung“ der NSDAP aber für die Partei weitgehend unbedeutend. Bei den Betriebsratswahlen 1930/31 bekam die NSBO in der Metallindustrie nur durchschnittlich ein Prozent der Stimmen.

Bei den Wahlen im Mercedes-Betrieb in Untertürkheim war ZA seit 2010 durchaus erfolgreich, und konnte seine Mandate stetig steigern (2010: 2; 2014: 4 von insgesamt 45; 2018: 6). Auch bei Mercedes in Sindelfingen wurden zwei, in Rastatt drei Betriebsräte von ZA gewählt. Doch trotz weiterer kleiner Erfolge rechter Gewerkschaften bei BMW und Porsche Leipzig, Siemens Görlitz und dem schwäbischen Motorsägenproduzenten Stihl: Nirgendwo konnten rechte Gewerkschaften in den Betriebsratswahlen der IG Metall ernsthafte Konkurrenz machen.

Die Akteure

Das derzeit prominenteste Mitglied von ZA und gleichzeitig Vorsitzender ist Oliver „Olli“ Hilburger, geboren in Backnang, seit vielen Jahren im Rems-Murr-Kreis lebend. Hilburger fungierte 20 Jahre als Gitarrist der Neonaziband „Noie Werte“. In den 1990er Jahren betrieb er das Label „German British Friendship“, das Teil des „Blood & Honour“ (B&H)-Netzwerkes war. 2001 beantragte Hilburger einen Besuch bei dem in der JVA Oldenburg inhaftierten Jan Werner ­— Sektionschef Sachsen von B&H Deutschland und mutmaßlicher Organisator von Waffen für den NSU. Bei Mercedes als Maschinenschlosser tätig, wurde Hilburger zunächst Betriebsrat für die "Christliche Gewerkschaft Metall" (CGM) bis er sie wegen seiner „Noie-Werte“-Aktivitäten verlassen musste. Auch seine Amtsenthebung als ehrenamtlicher Arbeitsrichter 2008 (weil er in seinen Liedern Rudolf Heß glorifizierte und „Deutschland den Deutschen“ forderte) machte Hilburger wohl deutlich, dass eine bürgerliche Karriere mit offenen Neonaziaktivitäten schlecht kompatibel ist. Schließlich verließ Hilburger 2008 „Noie Werte“. Die Band löste sich wenig später auf (2010).

Am 28. März 2009 gründete Hilburger in der gutbürgerlich-schwäbischen Gaststätte Luginsland in Stuttgart „Zentrum Automobil“. Bei den ersten Betriebsratswahlen 2010 in Untertürkheim erhielt ZA zwei Mandate (Hilburger und Christian Schickardt). Ihre Liste umfasste insgesamt 43 Personen — darunter auf Platz 21 Rico Heise, ebenfalls ehemaliger Neonazi-Skinhead und (Mit)Veranstalter von Neonazi-Konzerten. 2014 kamen zusätzlich noch Hans Jaus und Vidoje Anicic in den Betriebsrat. 2018 startete ZA mit 187 KandidatInnen auf der Liste.

Die Vorstandsmitglieder von ZA bieten einen breiten Querschnitt durch die (extreme) Rechte Deutschlands seit den 1990er Jahren. Aus den Strukturen von "Zentrum Automobil" waren Antifaschist_innen neben Hilburger u.a. Jens Ackermann, Thomas Scharfy, Andreas Ziegler und Tobias Gerstner als (frühere) rechte Aktivisten oder Neonazis bekannt. Thomas Scharfy (stellvertretender Vorsitzender von ZA ) unterstützte in den 1990er Jahren mit dem Mailboxnetzwerk Empire BBS das neonazistische Thule-Netz. Heute ist er Webmaster für Zentrum Automobil — 2014 kandidierte er auf Platz sechs und verpasste nur knapp den Einzug. Jens Ackermann war Teilnehmer diverser NPD-Veranstaltungen und des lokalen extrem rechten „Deutschen Kreis von 1972 e.V.“ Andreas Brandmeier, bis vor kurzem ebenfalls Vorsitzender des „Zentrum“, soll laut Medienberichten auch schon mal mit Haken­kreuzen im Attachment korrespondiert haben — Insider berichten auch von antisemitischen und rassistischen Äußerungen. Der 56-jährige Hans Jaus war 1991 Bundesschatzmeister der „Wiking Jugend“ (WJ) und verwaltete bis zu derem Verbot 1994 den „Gaubereich Schwaben“. Bei ZA stand er 2018 auf Platz 3. Nur auf Platz 14, und damit ohne Chance auf einen Betriebsratsplatz kandidierte Sascha W.: in den 1990er Jahren „Kreuzritter für Deutschland“, einer „Blood & Honour“-­Struktur aus Stuttgart. Doch nicht nur in Untertürkheim, auch in Rastatt sind bei "Zentrum Automobil" (ehemaligen) Neonazis dabei: So war z.B. Tobias Gerstner Teil der badischen Neonaziszene.

Die Politik

ZA steht vor der Herausforderung, rechte Politik in Autobetrieben machen zu wollen — wo aber in bestimmten Bereichen der Produktion mehr als die Hälfte der Beschäftigten einen Migrationshintergrund hat. Mit offenem Rassismus würde ZA daher schnell scheitern. Stattdessen gibt man sich als „Kümmerer“, geht durch die Halle, Händeschütteln links, Witzchen rechts, Glückwünsche zum Geburtstag, schimpfen über die „korrupte IG Metall“ und Warnung vor dem „Tod des Verbrennungsmotors“, berichteten Gewerkschafter der Zeitung „Express“. Mit einem guten Gespür für Befindlichkeiten und Bedürfnisse konnte ZA mehr AnhängerInnen gewinnen — auch aus Serbien, Kroatien, Griechenland und der Türkei. Aber ZA kann auch deutlicher werden: „Patrioten schützen Patrioten“ und Schutzschild für PEGIDA-Aktivisten und AfD-Mitglieder ist einer der zentralen Slogans, mit denen man in Videos für sich wirbt.

Strohfeuer oder Dauerbrenner?

Die Liste von ZA-Mitgliedern mit (extrem) rechter Vergangenheit und Gegenwart ließe sich fortführen. Fest steht: ZA ist eine von (ehemaligen) Neonazis (mit)gegründete Liste, um Einfluss in Konzernen und auf Beschäftigte ausüben zu können. Nicht alle ihrer WählerInnen sind Neonazis, aber alle ihre WählerInnen wissen, dass sie eine im Kern gewerkschaftsfeindliche und natio­nalistische Gruppierung wählen.

Interessant ist eher die Frage, ob sich ZA halten kann und ob ein dauerhafter Brückenschlag zur AfD gelingt. Letztere scheut bislang eine zu große Nähe und ließ Hilburger nicht eintreten. Gleichzeitig buhlt der Rechtsaußen-Flügel der AfD um ZA und unterstützt es gemeinsam mit „EinProzent“ und dem COMPACT-Magazin auf breiter Front. Die IG Metall scheint das Problem erkannt zu haben. Der Versuch des AfD-Politikers Björn Höckes, am 24. April in Eisenach an Opel-Proteste anzudocken, scheiterte kläglich. IG Metall-Vertrauensleute drängten Höcke und seine Entourage von der Demonstration.

Mit einem nicht unerheblichen Bodensatz von extrem rechten Betriebsräten in einzelnen Betrieben wird in den kommenden Jahren dennoch zu rechnen sein. Gefährlich sind dabei aber weniger die konkreten Positionen des ZA und ähnlicher Organisationen — die, betrachtet man die Gesamtsumme aller Betriebsräte, nur eine verschwindende Minderheit sind. Bedeutsamer ist, dass die Latenz rechter Denkmuster unter Gewerkschaftsmitgliedern eine offene Konfrontation mit der AfD und breite linke Bündnisse gegen diese erschweren könnte.

Wenn sich eine „exklusive Solidarität“ (Klaus Dörre) durchzusetzen beginnt, wird es auch schwieriger, Bündnisse für die Rechte von Flüchtlingen, gegen Hartz IV oder die Gleichstellung von migrantischen Arbeitnehmer_innen zu schließen.