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Antifa.Fußball.Kroatien

Einleitung

In Kroatien versuchen Antifaschist_innen mit einem Fußballverein sowohl auf den Rängen als auch in der Region gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck vorzugehen.

Der FC Zagreb 041 ist ein kleiner Fußballverein aus der kroatischen Hauptstadt, der in der 3. Regionalliga spielt. Dort gibt es zwar unzählige Fußball-Clubs, aber wegen seiner politischen Aktivitäten auf und neben dem Platz ist der FC Zagreb 041 anders. Während die meisten Vereine oder Fangruppen versuchen, soziale und politische Probleme zu verschweigen oder gar extrem rechte Positionen fördern, kämpfen der FC Zagreb 041 und seine Fans gegen jegliche Form von Diskriminierung. Das Besondere daran ist die Tatsache, dass der Verein mit diesem Ansatz in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens einzigartig ist. Die heutige Republik Kroatien ist ein Land, das in den 1990er Jahren aus dem Wunsch nach Unabhängigkeit und einem starken Nationalismus entstand und dessen Identität maßgeblich durch den jugoslawischen Zerfallskrieg geprägt ist. Der explosionsartige Aufstieg des Nationalismus wurde gerade auch in Abgrenzung zum vorherigen sozialistischen Gesellschaftsprojekt noch stärker befördert. Seitdem dominieren in Bosnien & Herzegowina, Kroatien und Serbien nationalistische oder selbsternannte patriotische Bewegungen das öffentliche und politische Leben.

Die aktuelle Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Union)1 stellte in 22 von 28 Jahren die Regierung und spielte auch während des Krieges eine wichtige Rolle. Ihre Botschaften und Ideen – verbreitet durch staatliche Medien – formten die Vorstellung, dass ein „richtiger Kroate“ weiß, christlich, männlich und heterosexuell ist, der jederzeit bereit sein soll für sein Land zu sterben und wenn nötig auch zu töten. Der EU-Beitrittsprozess und eine sozialdemokratische Legislaturperiode waren zwar ein kurzzeitiger Dämpfer für den nationalistischen Diskurs, aber der europaweite Aufstieg konservativer und extrem rechter Strömungen kann auch in Kroatien beobachtet werden. Durch ihr populistisches Auftreten gelang es extrem rechten PolitikerInnen nicht nur Sitze im kroatischen Parlament zu erringen, sondern erstmals auch in der Zagreber Stadtversammlung.

Ähnlich wie in einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten wie Polen oder Ungarn, werden die rechten politischen Bewegungen von der katholischen Kirche gefördert. Eines der wichtigsten Beispiele ihres gesellschaftlichen Einflusses lieferte 2013 die Initiative „Im Namen der Familie“. Sie sammelte Unterschriften für ein Referendum, bei dem 66 Prozent für eine Definition der Ehe ausschließlich als Gemeinschaft von Mann und Frau votierten. Dieser Sieg diente als Ansporn für ähnliche Vereinigungen, aber auch für PolitikerInnen, um ihre mittelalterliche, chauvinistische und diskriminierende Rhetorik fortzusetzen. Seitdem wurden mehr oder weniger erfolgreiche Initiativen geschaffen, die darauf abzielten, die Rechte sexueller, ethnischer oder religiöser Minderheiten zu reduzieren, das Bild des antifaschistischen Kampfes zu zerstören oder die Zivilgesellschaft zu schwächen.

Die Zerstörung des antifaschistischen Erbes ging einher mit dem Aufstieg eines Geschichtsrevisionismus, in dem das faschistische Ustascha-Regime2 als Rechtsvorgängerin des heutigen Kroatiens dargestellt wird und ihre Verbrechen geleugnet oder kleingeredet werden. Das ist besonders schmerzlich, wenn man weiß, dass Jugoslawien das einzige europäische Land war, das sich selbst von der faschistischen Besatzung befreit hat und in der Nähe der kroatischen Stadt Sisak die erste antifaschistische Bewegung gegründet wurde. Heute versuchen sogenannte HistorikerInnen, PolitikerInnen und FilmemacherInnen die Opferzahlen der Konzentrationslager zu rela­tivieren und die Geschichte umzuschreiben. Da viele dieser Behauptungen von der Regierung nicht angefochten oder juristisch verfolgt werden, ist es fast schon Normalität, den kroatisch-faschistischen Gruß3   in der Öffentlichkeit zu hören  oder Menschen zu sehen, die Kleidung mit Ustascha- oder sogar Nazi-­Symbolen tragen.

Wie immer spiegelt sich die Gesellschaft auch auf den Rängen der Fußballstadien wider: Viele Fans, insbesondere Ultras zeigen regelmäßig extrem rechte Banner und Flaggen oder geben rassistische und andere diskriminierende Gesänge von sich. In der Regel spielen Clubgröße oder Vereinsgeschichte keine Rolle. Auf den Tribünen dominieren Nationalismus und nicht selten faschistische und diskriminierende Ansichten. Diese Probleme sind nicht nur bei den Fans, sondern auch unter den Spielern zu beobachten, vor allem während der letzten Fußball-WM der Männer.

In Anbetracht dessen ist das Projekt eines linken, autonomen Fußballklubs in den Händen der Fans, der aktiv eine inklusive Gesellschaft fördert sowie Rassismus und Diskriminierung bekämpft, noch wichtiger. Der FC Zagreb 041 wurde 2014 gemeinsam von der Fangruppe „White Angels“, mehreren linken und antifaschistischen Initiativen und einigen Einzelpersonen gegründet, die in ihrer Stadt und ihrem Land eine andere Art von Fußball und Fans sehen wollten. Die „White Angels“ waren zunächst Anhänger des FC Zagreb, entschieden sich jedoch, einen eigenen Club zu gründen, da sie unzufrieden damit waren, wie der Eigentümer die Tradition des Vereins zerstörte. In ihren Bemühungen, gegen jede Art von Diskriminierung vorzugehen, bekamen sie keine Unterstützung vom Präsidenten oder von Vereinsmitgliedern. So setzen sie die Tradition ähnlicher Bewegungen in ganz Europa fort, bei denen die Fans beschlossen, den Fußball unter dem Slogan „gegen den modernen Fußball“ zurück zu den Wurzeln und den Menschen zu bringen.

Der neu gegründete FC Zagreb 041 – 041 ist die alte Vorwahl der Stadt – behandelt Probleme sowohl im modernen Fußball als auch in der Gesellschaft im Allgemeinen. So hat der Verein keinen Präsidenten oder eine verantwortliche Person, was im kroatischen Fußball die Ausnahme ist. Die meisten Entscheidungen über Gegenwart und Zukunft des Clubs werden auf Versammlungen getroffen, die durchschnittlich einmal im Monat stattfinden. Für Routine- und Alltagsentscheidungen gibt es Arbeitsgruppen, an denen sich die Mitglieder auf freiwilliger Basis beteiligen, beispielsweise in einer „Arbeitsgruppe für Waren oder Logistik“. Aufgrund dieser in der Region nahezu einzigartigen Art, einen Fußballverein zu leiten, brauchte es auch einige Zeit, um ihn offiziell anzumelden, da die Idee eines Klubs ohne Präsidenten die Stadtbeamten mehr als irritierte.

Durch die Einbeziehung von Geflüchteten in den Verein, die Beteiligung an Initiativen wie der „Zagreb Pride“, einer „Antifaschistischen Nacht“ oder den feministischen 8. März-Protesten zeigen der Verein und seine Fans, dass sie in einer offeneren und inklusiveren Gesellschaft leben wollen. Vom ersten Tag an gab es auch die Idee, dass der Club neben der Männermannschaft auch ein Frauenteam haben und Jugendmannschaften gründen sollte. Ein Frauenteam ist besonders wichtig, da Frauen in Kroatien nicht viele Gelegenheiten haben, Fußball außerhalb einiger professioneller Vereine zu trainieren und zu spielen. Zudem gibt es ein Team mit dem Namen FC Zencad (Ženčad) 041, das in der Amateur-Futsal-Liga spielt und es gibt mittlerweile Pläne, eine eigene Amateur-Liga zu gründen. Die Resonanz war großartig und es gibt ständig Anfragen bezüglich der Praxis des Frauenteams. Durch die Unterstützung einiger NGOs, die mit Geflüchteten arbeiten, konnte es ermöglicht werden, Kinder von Refugees einzubeziehen. Seitdem sind diese auf dem Rasen und in den Rängen zu sehen. Ihre Familien loben diese Gelegenheit oft und der Club wurde als gutes Beispiel für eine erfolgreiche Integration von Geflüchteten anerkannt. Seit Beginn wächst der Club und es kommen neue Leute mit neuen Ideen, die in die Praxis umgesetzt werden, aber es gibt auch Herausforderungen. Obwohl es bislang keine Angriffe auf Verein, Fans oder Spieler gab, kam es zu Bedrohungen, die bisher vor allem durch Graffiti-Sprühereien ausgedrückt wurden. Auch die Situation in der Öffentlichkeit ist durch den Aufstieg der extremen Rechten besorgniserregend. Aber das ist nicht nur ein kroatisches Problem. Sowohl Club als auch Fans schätzen die Zusammenarbeit mit Freunden aus ganz Europa und jeder weiß, dass nur Einheit und Solidarität Veränderungen bewirken können- zuerst in der lokalen Gemeinschaft, dann in größeren sozialen Gruppen. Also rufen die Fans des FC Zagreb 041 alle, die ihre Ideen teilen, dazu auf, sie zu unterstützen und ihre Geschichte zu verbreiten: „Damit wir miteinander in Kontakt treten und voneinander lernen können“.

  • 1Am ehesten vergleichbar mit der CDU
  • 2Nazi-Marionettenregierung im Zweiten Weltkrieg
  • 3„Za Dom – Spremni!“, „Für die Heimat – Bereit!“