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Das alljährliche Ustaša-Gedenken in Bleiburg

"AK Bleiburg/Pliberk" (Gastbeitrag)
Einleitung

Jedes Jahr im Mai pilgern tausende Reak­­tionäre aller Couleur nach Bleiburg/Pliberk im Süden Österreichs. Konservative, FaschistInnen, alte und neue Nazis, dazu kirchliche WürdenträgerInnen, Nonnen und Kleriker finden sich hier ein — alle im Geschichtsrevisionismus vereint. Offizielle Veranstalterin ist die katholische Kirche, Schirmherrschaft trägt das kroatische Parlament und die Organisation übernimmt der Verein „Bleiburger Ehrenzug“. Das post­nazistische Österreich zeigt sich von seiner besten Seite: Die Behörden wollen nicht handeln, Ausreden folgen auf Ausreden und überhaupt sei das ja ein legitimes Totengedenken. Dieses Jahr gab es eine größere mediale Debatte und erstmals seit zehn Jahren eine Gegenkundgebung.

Bleiburg 2017: Blick auf die Messe. Ein Besucher mit einem T-Shirt mit dem Slogan "Za dom spremni" ("Für die Heimat bereit"), einem faschistischer Gruß der Ustascha. Das Symbol ist eine Mischung aus deutschem Reichsadler und dem Wappen des faschistischen NDH-Staates.

Der Bleiburger Opfermythos

In Erwartung der bevorstehenden Niederlage des Nationalsozialismus im Mai 1945 schlossen sich aus dem mit den Achsenmächten verbündeten NDH-Staat, dem kroatischen Ustaša-Staat, zahlreiche Personen den ins Reich flüchtenden Wehrmachts- und (Waffen-)SS-Einheiten an, darunter Soldaten der Ustaša, Domobranen und NDH-Armee, Funktionäre, Sympathisant_innen, KZ-Wachmannschaften. Um sich den vorrückenden Partisan_innen und deren Vergeltung zu entziehen, wollten sie die britische Armee erreichen, die bereits in Kärnten/Koroška stand. Die Ersten erreichten am 14./15. Mai das Loibacher Feld/Libuško polje bei Bleiburg/Pliberk, wo die britischen Truppen die Kapitulation jedoch mit Verweis auf alliierte Abmachungen ablehnte. Von der jugoslawischen Volks­befreiungsarmee wurden die Zurückgewiesenen auf jugoslawisches Staatsgebiet gebracht, wo es zu Racheaktionen kam: Zehntausende wurden getötet, ein kleiner Teil in Jugoslawien vor Gericht gestellt.

Aus diesen Ereignissen wurde der Bleiburger Opfermythos konstruiert, maßgeblich getragen von den Communities im Exil. Laut diesem soll es auf dem Loibacher Feld/Libuško polje nach dem „Verrat der Briten“ zu einem Massaker an Hunderttausenden Soldaten, Frauen und Kindern gekommen sein. Fakt ist jedoch, dass es vor Ort nie zu einem solchen kam. Die einzigen Toten auf diesem Feld waren Ustaša, Soldaten der "Nezavisna Država Hrvatska" (NDH) und Offiziere, die Selbstmord begingen, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Als Beispiel sei hier der Ustaša-General Tomislav Rolf genannt, der vor Ort seine Familie und sich mit Gift ermordete.

Bleiburg/Pliberk, die kroatische Emigration und die Republik Kroatien

Das Gedenken bei Bleiburg/Pliberk wurde bis in die 1990er Jahre ausschließlich von exilkroatischen Gruppen organisiert. Die Errichtung eines ersten Gedenksteins am Feld 1987 wurde vor allem aus Australien finanziert. Der "Bleiburger Ehrenzug" ("Počasni Bleiburški vod"; PBV) — Organisator der Bleiburg­gedenkfeiern — wurde in den 1950er Jahren in Klagenfurt/Celovec gegründet. Bis 1990 nahmen an diesem Gedenken höchstens einige hundert Menschen teil. In diesem Jahr wurden  erste freie Wahlen in Kroatien abgehalten, die die „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ ("Hrvatska demokratska zajednica"; HDZ) unter Franjo Tuđman für sich entscheiden konnte.

Seine Politik war von völkischem Nationalismus, Autoritarismus, eingeschränkter Pressefreiheit und Geschichtsrevisionismus geprägt. Die 1991 gegründete Republik bezog sich fortan offen positiv auf den Ustaša-Staat und griff zur Legi­timation den Bleiburg-Mythos dankbar auf. Partisan_innendenkmäler wurden ent­fernt, Antifaschismus diskreditiert, die Währung und das Parlament wurden umbenannt (Kuna, Sabor). Kroatien ging nun aktiv auf die Exil-Communities zu. Das Gedenken in Bleiburg/Pliberk wurde Teil der offiziellen kroatischen Politik und Symbol des „Leidens des kroatischen Volkes“. Im Jahr 1995 über­nahm das kroatische Parlament dann offiziell die Schirmherrschaft.

Diese besteht, mit einer kleinen Unterbrechung von 2011-2015 durch eine sozialdemokratische Regierung, bis heute. Ab 1991 stieg die Anzahl der TeilnehmerInnen am Treffen in Bleiburg/Pliberk massiv an. 1991 waren es 1100, 1993 mehrere Tausend und 1995 schon 15.000. Das Gedenken wurde 1995 auf „alle für Kroatien Gefallenen“ erweitert, womit die Soldaten des Kroatienkriegs (1991-1995) mitumfasst sind. Der positive Bezug auf die Veteranen des Kroatienkrieges und der paramilitärischen HOS, die jeweils als Fortsetzung des Kampfes bis 1945 bzw. der Ustaša gesehen werden, sind seitdem fixer Bestandteil des Gedenkens.

Das Gedenken in den letzten Jahren

Die Zahl der BesucherInnen blieb konstant über 10.000. Zum 70. Jubiläum im Jahr 2015 nahmen 30.000 Menschen am Gedenken teil. Die Feier beginnt am Friedhof in Unterloibach/Spodnje Libuče, hier befindet sich ein Kriegergrab für eine handvoll Soldaten. Dem schließt sich ein Marsch (bzw. Prozession) zur Gedenkstätte am Loibacher Feld/Libuško polje mit dem zentralen Gedenkstein an. Die Gedenkstätte wurde in den letzten Jahrzehnten massiv ausgebaut: Um den Gedenkstein herum wurde das Gelände gestaltet, Bäume gepflanzt und eine Bühne erbaut.

Auch eine Büste von Vilim Cecelja, Ustaša-Priester und zentrale Figur der kroatischen Emigration nach 1945, wurde errichtet.  Der Plan für einen Friedhof, um dort sterbliche Überreste aus Österreich oder Slowenien zu begraben, konnte vorerst nicht umgesetzt werden. Auf dem Gedenkstein selbst findet sich das Wappen des NDH (weiß-rotes Schachbrettmuster, beginnt links oben mit weiß) und nicht etwa das Wappen der Republik Kroatien (beginnt links oben mit rot), ein Stern mit Halbmond (ein Verweis auf die mehrheitlich mus­li­mische 13. Division der Waffen-SS „Handschar“) sowie eine zweisprachige Inschrift auf Deutsch und Kroatisch, die seit 1987 vorgibt eine Übersetzung zu sein. Während auf Deutsch den „gefallenen Kroaten“ gedacht wird, lautet der kroatische Text übersetzt „Zu Ruhm und Ehren der gefallenen kroatischen Armee Mai 1945“.1

Auf der Bühne findet die eigentliche Feier, bestehend aus Messe, Gesang und Reden, statt. In der ersten Reihe sitzen dabei hochrangige Politiker_innen aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Am Gelände vor der Messe gab es bis inklusive 2017 Bierzelte, Essens- und Verkaufsstände bei denen Souvenirs, revisionistische Literatur, nationalistischer und militaristischer Merchandise sowie Ustaša-Devotionalien erstanden werden konnten. Offiziell gibt es eine Hausordnung, diese wird aber ignoriert, sodass ustaša-verherrlichende Lieder, Uniformen und Hitlergrüße allgegenwärtig sind.

Im Laufe des letzten Jahres gerieten die zuständigen Stellen zunehmend unter Druck: Die lokale Behörden, weil sie die Veranstaltung mit klar poli­tischer Agenda als ausschließlich „kirchliche Feier“ begriffen; die österreichische katholische Kirche, weil sie diesen Status nicht aberkannte; die Polizei, weil sie die relevanten antifaschistischen Gesetze vor Ort nicht anwenden wollte; der Verfassungsschutz, weil er Hitlergrüßen von Kroaten zu „kroatischen Grüßen“ machte und so kurzerhand erlaubte. Der steigende Druck ist nicht zuletzt dem Einsatz anti­faschistischer Aktivist_innen, Opferverbänden und Organisationen der Erinnerungskultur geschuldet. Infolge des Drucks erließ die katholische Kirche für die Gedenkfeier im Mai 2018 erstmals Regeln und Bedingungen, unter denen das Treffen weiterhin stattfinden dürfe. Dass es, wie oben erwähnt, schon 2017 Regeln gab, ist in der medialen Debatte nicht aufgegriffen worden. Die Polizei wies jeglichen Vorwurf der Untätigkeit zurück, was trotz der eindeutigen Beweislage zu erwarten war, und versprach für 2018 ein strenges Durchgreifen.

Das diesjährige Gedenken

Rund 10.000 Personen nahmen am 12. Mai 2018 an der Veranstaltung teil. Angesichts der breiteren medialen Berichterstattung im Vorfeld des Ereignisses sowie des großen politischen Drucks, bemüßigten sich Behörden und die katholische Kirche Kärntens, erstmals Auflagen für das Treffen zu formulieren und zum Teil auch durchzusetzen. So verbot man Ausschank, Zelte und Verkaufsstände, um den Anschein einer kirchlichen Feier wahren zu können und setzte dies auch tatsächlich um. Das Verbot politischer Reden, das Tragen politischer Abzeichen, Plakate und Transparente oder das Erscheinen in Uniformen und uniformähnlicher Bekleidung wurde hingegen weitgehend ignoriert.

Zum Teil wurde das Problem der faschistischen Manifestation durch die Vorgaben 2018 noch offensichtlicher: Die von der kirchlichen Feier wegen ihrer Tattoos, Fahnen oder T-Shirts abgewiesenen Ustaša-Fans zogen durch die nahen Ortschaften, auf der Suche nach Bier oder der antifaschistischen Gegenkundgebung. Am späten Nachmittag hallten dann die faschistischen Rufe „Za dom spremni“ („Für die Heimat — Bereit!“) durch Bleiburger Gaststätten. Das Umfeld der Feier veränderte sich dabei kaum, so verkaufte man Ustaša-Fahnen, revisionistische Bekleidungsstücke und Abzeichen verbotener Organisationen auf den Parkplätzen aus dem Kofferraum heraus.

Auch der politische Charakter blieb erhalten: Kurz vor zehn Uhr ertönte am Friedhof in Unterloibach/Spodnje Libuče die erste politische Rede: Tomo Bilogrivić von der „Vereinigten kroatischen Rechten“ forderte die Streichung des Antifaschismus aus der kroatischen Verfassung und das Publikum applaudierte. NeofaschistInnen und extreme Rechte aus der ganzen Welt erschienen auch 2018 wieder am Feld. So sind hier zum Beispiel der kroatische Neofaschist und Journalist Velimir Bujanec oder der Australier John Ovcaric, der von Melbourne aus eine Ustaša-verherrlichende Facebook-Seite betreibt, zu nennen.

Polizei, Verfassungsschutz und Justiz rea­gierten zuletzt auf die Vorwürfe, in den letzten Jahren aktiv weggesehen und antinationalsozialistische Bundesgesetze ignoriert zu haben: Immerhin 14 Anzeigen wurden am 12. Mai 2018 direkt ausgesprochen, neun davon wegen Verstoß nach dem Verbotsgesetz. Sieben Personen saßen deswegen auch zwei Wochen nach der Feier noch in Untersuchungshaft.

Fazit

Geändert hat sich also nicht viel. Das Gedenken bei Bleiburg/Pliberk ist und bleibt das, was es ist: ein geschichtsrevisionistisches Gedenken mit faschistischem Charakter. Im Juli diesen Jahres will die Bischofskonferenz entscheiden, ob sie die Messe in Zukunft verbietet oder nicht. Es heißt also weiter abwarten. Ein Verbot der Messe würde das Treffen zwar zusammenschrumpfen lassen, ein Gedenken an den faschistischen und mit dem Dritten Reich kollaborierenden NDH-Staat würde aber wohl trotzdem stattfinden.

  • 1"U ČAST I SLAVU POGINULOJ HRVATSKOJ VOJSCI SVIBANJ 1945"