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Zur Terrorkampagne der „Bajuwarischen Befreiungsarmee“

Andreas Peham
Einleitung

Das Jahr 1993 begann in Österreich mit einem „Lichtermeer“ gegen das rassistische „Ausländer-Volksbegehren“ der FPÖ, das mit rund sieben Prozent Zustimmung scheiterte. Es endete mit zehn Briefbomben und vier zum Teil schwer Verletzten. Die Anschläge, für die kurz darauf eine, nach dem Türkenkrieger Ernst Rüdiger von Starhemberg benannte „Kampfeinheit“ die Verantwortung übernahm, richteten sich vorrangig gegen Gegner*innen der FPÖ.

Bild: Screenshot YouTube/NKZ, profil-videoblog

Die Briefbomben bildeten den Auftakt für eine Terrorserie, zu der sich im Oktober 1994 erstmals eine den einzelnen Kampftrupps übergeordnete „Bajuwarische Befreiungsarmee – Salzburger Eidgenossenschaft“ (BBA) bekannte und die bis 1996 vier Tote und insgesamt zwölf zum Teil schwer Verletzte forderte. Ihr Ende fand die von rassistischen und antisemitischen Bekennerschreiben begleitete Terrorkampagne aus 25 Briefbomben und drei Sprengfallen im Oktober 1997 mit der zufälligen Verhaftung von Franz Fuchs, der sich als „BBA-Bombenhirn“ entpuppen sollte. Fuchs, der sich der Verhaftung durch Suizid entziehen wollte und sich dabei beide Unterarme wegsprengte, wurde im Zuge der obligaten Entpolitisierung rechten Terrors als wirrer Einzeltäter präsentiert und im März 1999 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er erhängte sich Ende Februar 2000 in seiner Zelle.

Vom Wort zur Tat

Die FPÖ bewarb ihr „Ausländer-Volksbegehren“ mit drastischen Vergleichen: „Aus den einzelnen Hilfesuchenden wird eine Meute hungriger Wölfe, die alles an sich rafft und auch die helfende Hand des Hausherren nicht verschont. Noch können wir uns wehren (...)“. „Wir wehren uns!“ war auch das Motto der BBA und die Auswahl der ersten Opfer steht in einem engen Zusammenhang mit der FPÖ-Kampagne: Die zehn Briefbombenempfänger*innen traten mehrheitlich gegen das Volksbegehren auf. Dieses einte damals die ganze extrem rechte Szene.

Ein vom Verdacht der Mittäterschaft an der ersten Briefbombenserie freigesprochener Neonazi nannte seine Unterschrift unter das Begehren „die einzige Alternative, die uns hier in diesem jüdisch-freimaurerischen Verbrechersystem legistisch noch offenbleibt.“ Ähnlich ein Neonazi-Blatt, das das Volksbegehren als letzte Möglichkeit bezeichnete, sich der „Überfremdung mit demokratischen Mitteln“ zu erwehren.

Nach dessen Scheitern griff die BBA dann zu anderen Mitteln. Die Auswahl der Opfer ließ keinen Zweifel an der rassistischen Motivation der Täter. Der fatalste Anschlag richtete sich am 5. Februar 1995 gegen die Roma im burgenländischen Oberwart: Erwin und Karl Horvath, Josef Simon und Peter Sarközi, Bewohner einer Roma-Siedlung am Stadtrand, wurden beim Versuch, eine als Tafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien!“ getarnte Sprengfalle zu entfernen, getötet.

Die FPÖ und insbesondere Jörg Haider, der als „Ziehvater des rechtsextremen Terrors“ bezeichnet wurde, setzten im Verbund mit Teilen der Medien und des Polizeiapparates alles daran, den Verdacht vom eigenen Milieu abzulenken. Dazu konstruierten sie einen „linksextremen“ oder „antifaschistischen Terror“, der den Rechten in die Schuhe geschoben werden sollte. Ins Visier von FPÖ und Boulevard geriet insbesondere der antifaschistische Journalist und Buchautor Wolfgang Purtscheller, dessen Recherchen den Rechten schon lange ein Dorn im Auge waren. Mit einer beispiellosen Kriminalisierungskampagne wurde er schließlich zum Verlassen des Landes gezwungen.

Dem Gegenüber standen Ermittlungen in der Neonaziszene. Im Dezember 1993 wurden mehrere Neonazis aus dem Dunstkreis von dem Neonazi-Kader Gottfried Küssel unter dem Verdacht festgenommen, mit den Anschlägen dessen Verurteilung zu zehn Jahren Haft rächen zu wollen - darunter Franz R. (junior). Im Frühjahr 1994 weiteten sich die Ermittlungen auf die deutsche Neonazi-Szene aus. Ins Visier der Fahnder gerieten der Berliner Neonazi Bendix W. und der damals untergetauchte deutsche Rechtsterrorist Peter N. Beiden konnte jedoch keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden. Auch Franz R. und ein weiterer verdächtiger Neonazi wurden im Oktober 1995 freigesprochen.

Entlastungsstrategien

Mit der Verhaftung von Franz Fuchs ging 1997 ein Aufatmen durchs Land. Für Innenminister Schlögl (SPÖ) war dieser ein „schwerkranker Psychopath“, die „Neue Kronen Zeitung“ (NKZ) beschrieb ihn als „einsamen Wolf“ ohne politischen Hintergrund. Die seitenlangen Begründungen des BBA-Terrors wurden als unbedeutend abgetan. Hinter der Pathologisierung und Isolierung des „Sonderlings“ (NKZ) aus der steirischen Grenzregion liegt der Wunsch nach Leugnung des rassistischen Konsens, aus welchem die BBA ihre terroristische Energie bezog.

Tatsächlich kann der BBA-­Rassismus nur aus der völkischen Traditionslinie verstanden werden: Das „Deutschtum“, welches die FPÖ per Wahlentscheid vor „Umvolkung“ oder „Überfremdung“ schützen möchte, gebar sich seit jeher in seinen Grenzregionen am aggressivsten. Begünstigt wurde das völkische Milieu als Bollwerk durch die Unterstützung der Politik. Seine Organe erfreuten sich bis 1994 etwa großzügiger finanzieller Unterstützung seitens der steirischen Landesregierung. So die Zeitschrift „Lot und Waage“ des „Alpenländischen Kulturverbandes Südmark“ (AKVS), die vor der Übernahme der „Heimat“ durch „Fremdvölker“ warnte und an die „biologische Kraft“ und das „Volksbewusstsein“ appellierte. Schulkinder in den Grenzregionen zu Slowenien wurden bis in die 1990er Jahren mit solchen Texten ganz offiziell für den „Volkstumskampf“ rekrutiert.

Die „Volksbewussten“ regieren Österreich mit. Und das nicht nur auf Tickets der rechten "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ): So agierte etwa ein lokale Größe der "Österreichische Volkspartei" (ÖVP) als Funktionär des völkischen Kampftrupps AKVS. Dass der angeblich so isolierte Franz Fuchs mit diesem Politiker bekannt war, ja in seinem Haus ein und aus ging, sei hier nur am Rande bemerkt.

Die Einzeltätertheorie ist bis heute nicht unumstritten. So wurden in zwei Gutachten drei verschiedene Autoren der BBA-Schreiben nachgewiesen. Zudem sollen laut Zeugenaussagen drei Personen die Rohrbombe in Oberwart deponiert haben. Am realistischsten scheint die Existenz zumindest zweier voneinander relativ unabhängig und arbeitsteilig agierender Zellen.

Aber auch wenn Fuchs ein Einzeltäter war – allein war er nicht: Aufgewachsen im Grenzland, politisiert im rechtskonservativen Milieu und radikalisiert durch die von den Freiheitlichen seit Ende der 1980er Jahren forcierten „Ausländer“-Kampagnen, wähnte er sich nicht zu Unrecht als kämpfende Avantgarde gegen die „Umvolkung“. Die Agenda des angeblichen „Wirrkopfes“ glich jener der FPÖ und muss auch insofern als erfolgreich bezeichnet werden, als es in der Folge des BBA-Terrors immer weniger Menschen wagten, gegen Rassismus öffentlich Stellung zu beziehen.

Der Terror und die Neonaziszene

Zunächst schien es, dass die aus den Ermittlungen gewonnenen Einblicke in die Neonaziszene diese schwächte. Insbesondere die 1986 von Küssel gegründete und angeführte „Volkstreue Außerparlamentarische Opposition“ (VAPO) galt seit damals als zerschlagen. Viele ihrer vormaligen Aktivisten sind - zum Teil nach dem Verbüßen ihrer Haftstrafen - nach wie vor in der Szene aktiv.

Der Fahndungsdruck der 1990er Jahre wurde mit der Parole „Rein in die Legalität“ beantwortet. In einem Kassiber wurde angeregt, auf eigenständiges Auftreten zu verzichten und stattdessen in der FPÖ und Vorfeldorganisationen (Burschenschaften) unterzutauchen. Zu den Burschenschaften bestanden schon zuvor Kontakte, waren doch führende VAPO-Kader auch korporiert. Anfang der 1990er Jahre suchten fast alle VAPO-Kader, die studierten, Unterschlupf bei einer Burschenschaft, allen voran die "Wiener akademische Burschenschaft Teutonia" – wo sich gleichzeitig FPÖ-Kader ihre Schmisse holten.

Auch die nächste Generation, die nach 2000 von Gruppen wie dem „Bund freier Jugend“ (BFJ) und der Hetzseite „Alpen-Donau“ rund um Küssel repräsentiert wurde, hat den Gang in die Legalität geschafft: BFJ-Kader engagieren sich nun für die und in der FPÖ, andere wie Martin Sellner schalteten einen Gang zurück und gründeten die „Identitären“. Diese sind jedoch nach dem Terror von Christchurch und aufgrund des Näheverhältnisses zum Massenmörder ins Visier der Ermittlungsbehörden gelangt.

Kontinuität besteht auch in ideologischer Hinsicht: Lange bevor die „Identitären“ die Türkenkriege als Mythos in ihre Agitation einbauten, bezog sich die BBA auf diese. Was damals als Schrulle oder Besonderheit, die sich nur schwer mit dem klassischen Neonazismus in Verbindung bringen ließ, gesehen wurde, eint heute die Fraktionen der extremen Rechten: die alte Gefahr aus dem Osten heißt nicht länger (jüdischer) Bolschewismus, sondern Islamisierung. Der rechte Terror seit Breivik trägt dem Rechnung.