Skip to main content

Neonazistischer Unterschlupf bei der »FPÖ«

Heribert Schiedel (DÖW)
Einleitung

Nach Jahren der – von polizeilichem Interesse weitgehend ungestörten – Reorganisation macht die stark verjüngte österreichische Neonaziszene seit einiger Zeit mit verstärkten Aktivitäten und gesteigerter Gewalttätigkeit auf sich aufmerksam. 

Bild: attenzione-photo.com

Gottfried Küssel auf einer Neonazi-Demonstration im September 2008 in Dortmund.

Angeleitet von ehemaligen Kadern der bis in die frühen 1990er Jahre aktiven Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) und der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) etablierte sich ab 2000 – unter den begünstigenden Bedingungen einer Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) – ein Netzwerk »Freier Kameradschaften«. Als Sprachrohr dieser Szene dient seit Frühjahr 2009 die Webseite »alpen-donau.info« und ist gleichzeitig Ausdruck ihrer Radikalisierung. Damit einher ging eine Zunahme neonazistischer Gewalt, jedoch ohne dass von Seiten der Behörden oder der herrschenden Politik darauf adäquat reagiert worden wäre. Erst Ende Oktober 2010 und nach monatelangem politisch-medialen Druck kam es zu 18 Hausdurchsuchungen im mutmaßlichen »alpen-donau.info«-Dunstkreis.

Es waren maßgeblich die Recherchen von AntifaschistInnen, die den ehemaligen VAPO-Chef Gottfried Küssel, seinen steirischen Statthalter Franz Radl jun. und eine Gruppe jüngerer Neonazis, davon viele mit (ehemals) burschenschaftlichem Hintergrund, spät aber doch ins Visier der Ermittlungen geraten ließen. Im letzten Verfassungsschutzbericht wurde die Neonazi-Website noch nicht einmal erwähnt. Einer der möglichen Gründe für diese Zurückhaltung im Innenministerium wurde im Zuge dieser Recherchen, die auch militärische Dienste betrieben, publik: Der Sohn eines bis August 2010 führenden Verfassungsschutzbeamten hat zumindest Kontakte ins Küssel-Umfeld.

Auch nach Bekanntwerden dieser Verbindungen erging man sich im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) in Verharmlosung. So hieß es etwa, bei der AFP handle es sich um eine »angemeldete Partei« und es bestehe daher kein Grund, ihre Veranstaltungen zu beobachten. Ein paar Tage davor traten die deutschen Neonazis Roland Wuttke und Udo Pastörs bei einer solchen unbeobachteten Veranstaltung im oberösterreichischen Offenhausen auf und 2007 attestierte das gleiche Amt dieser Partei noch eine »ausgeprägte Affinität zum Nationalsozialismus«. Ein Jahr darauf sprach jedoch der Wiener FPÖ-Politiker und Burschenschafter Hans-Jörg Jenewein bei der „Politischen Akademie“ der AFP, 2009 folgte ihm der Statthalter des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache in Wien, Johann Gudenus. Ob in dieser Adelung von Neonazis einer der Gründe für die behördliche Zurückhaltung liegt?

Hetze und Tat

Seit dem rassistischen »Ausländervolksbegehren« der FPÖ unter Jörg Haider (1993) kommt es während oder im Gefolge freiheitlicher Hetzkampagnen immer wieder zu Anschlägen und Gewalttaten von Neonazis. Ermutigt von der geschürten Stimmung schreitet der bewaffnete Arm des Stammtisches zur Tat. So auch Mitte Juli dieses Jahres, als ein Neonazi unmittelbar nach einer antimuslimischen Kundgebung in Wien Floridsdorf ebendort in einem mehrheitlich von türkischen Studierenden bewohnten Haus zwei mal Feuer legte, wobei glücklicherweise niemand verletzt wurde. An der Kundgebung gegen einen angeblichen Moscheebau nahmen damals nicht nur gut zwei Dutzend Neonazis teil, sondern auch der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache.

Tatsächlich ist mit dem Gang der FPÖ in die Opposition (2005) deren Abgrenzung zum Neonazismus immer löchriger geworden. Nachdem schon in den letzten Jahren wiederholt Neonazi-Schläger am Rande von FPÖ-Kundgebungen auf demonstrierende AntifaschistInnen losgegangen waren, wurde zuletzt im Wiener Wahlkampf öffentlich, dass und in welchem Ausmaß vorbestrafte »Blood & Honour«-Kader und andere Neonazis in das FPÖ-Team integriert sind. Derartige Enthüllungen konnten jedoch nicht verhindern, dass die »Freiheitlichen« am 10. Oktober 2010 in Wien auf fast 26 Prozent kamen.

Bereits Ende September 2010 konnte die FPÖ in der Steiermark ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln (10,7 Prozent). Kurz davor detonierte im Eingangsbereich einer Grazer Flüchtlingsunterkunft ein (mutmaßlich selbst gebastelter) Sprengsatz. Angesichts des Anschlagszieles, das sich bereits seit längerem im Visier der FPÖ befand, und eines politischen Klimas, das durch den aggressiv-antimuslimischen FPÖ-Landtagswahlkampf weiter vergiftet worden war, ging sogar der Verfassungsschutz umgehend von einem rassistischen Hintergrund aus. Auch die Neonazi-Internetseite »Altermedia Österreich«, die die »alpen-donau.info«-Truppe kurz davor Robert Faller und seiner Nationalen Volkspartei (NVP) abgenommen hatte, sprach (zustimmend) von »nationaler Notwehr«. Die FPÖ reagierte wie stets bei vergleichbaren Anlässen: Strache deutete an, dass nicht Rassismus hinter dem Anschlag stünde, sondern »interne Konflikte«. Schließlich könne man »Tag für Tag über Ausländerkriege im ganzen Land (lesen)«. Die hier angesprochene Bedeutung österreichischer Massenmedien für die Radikalisierung und Normalisierung rassistischer Diskurse kann gar nicht überschätzt werden.

Lob und Tadel

Gerade konnten sich die Neonazis von »alpen-donau.info« noch über den »durchaus gut geführten Wahlkampf« der Wiener FPÖ (»Mehr Mut für unser ›Wiener Blut‹«) freuen, schon glauben sie Versuche mancher Freiheitlicher, sich von allzu offenem Neonazismus  etwas abzugrenzen, erkennen zu müssen. Man fürchtet, dass Strache als Abendlandretter vor dem Islam und wie schon Haider vor ihm auf Distanz gegenüber NS-Apologie, Holocaustleugnung und offenem Antisemitismus zu gehen versucht.

Die Paranoiker von »alpen-donau.info« sehen mit Andreas Thierry (Chefredakteur des deutschen Neonazimagazines »Volk in Bewegung« und von 2009 bis Herbst 2010 Beisitzer im NPD Bundesvorstand) und anderen ein »Israel Connection« genanntes »Netzwerk aus Medien, Banken, Parteien und Interessensverbänden« am Werk. Dieses wolle »die europäischen Rechtsparteien für die jüdische Nahostpolitik« einspannen. Manche Parteien wie die Lega Nord (Italien) oder den Vlaams Belang (Belgien) hätten sie »schon unter ihrer Knute«, nun solle auch die FPÖ auf zionistischen Kurs gebracht werden. Zwar seien fast »alle Wähler und Mitglieder der FPÖ« auf Seite der Neonazis, um Strache etabliere sich jedoch angeblich »eine kleine Clique, die die Partei zum Instrument für ›Israels‹ Ziele machen will.«

Auch wenn die »alpen-donau.info«-Macher gerade zu gespielter Sicherheit und Stärke gezwungen sind, steckt in ihren jüngsten Behauptungen viel Wahrheit: Dies gilt nicht nur für die anhaltenden Kontakte in den Polizeiapparat, mit denen man von Anfang an prahlte, sondern auch für die Verankerung im deutschnationalen Milieu: »Glücklicherweise verfügen wir (…) über eine Reihe von Vereinigungen, von den national ausgerichteten Studentenverbindungen, Turnerbünden bis hin zu Wander- und Naturschutzvereinen, kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenschlüssen, in denen unsere Tradition hochgehalten wird.« Wie der burschenschaftliche Hintergrund einiger Verdächtiger waren auch die offensichtlich besten Kontakte zur FPÖ wiederholt Gegenstand der Kritik. Auf »alpen-donau« werden sie nicht nur nicht bestritten: »Zudem haben wir in der Freiheitlichen Partei Österreichs eine Vorfeldorganisation, die uns Unterschlupf gewährt und auf deren Strukturen wir zurückgreifen können.«