AfD Wahlkampf in Hamburg: Braune Suppe statt Alsterwasser
Redaktion AfD-Watch HamburgTrotz einer breiten antifaschistischen Mobilisierung schafft die AfD erneut den Sprungin die Hamburger Bürgerschaft.
„Die AfD sollte nicht mehr Prozent haben als ein Alsterwasser“ – so stand es auf einem der Aufkleber, mit denen die Initiative „AfD-Watch Hamburg“ im vergangenen Wahlkampf gegen die rechte Partei mobilisierte. Ein gleichnamiger Web-Blog, der ein halbes Jahr vor der Bürgerschaftswahl online gegangen ist, wurde vom „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) initiiert. Seit 2005 recherchiert und berichtet das Bündnis kritisch über die thematischen Schwerpunkte der Rechtspopulisten und extremen Rechten inner- und außerhalb der Bürgerschaft. Diese über Jahre gewonnene Expertise erhielt nun mit dem Watch-Blog eine neue Plattform.
Raumnahme gegen AfD-Präsenz
Wichtige Aspekte, die zumindest gegen einen erneuten Stimmenzuwachs der AfD wirkten, waren die mit 63,2 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung (gegenüber 56,5 Prozent 2015) sowie eine erfolgreiche antifaschistische Raumnahme-Kampagne, die dazu führte, dass die AfD in der Hansestadt keine privaten Veranstaltungsorte anmieten konnte. So beklagte sich der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baummann, am Wahlabend beim Fernsehsender ARD darüber, was für ein schwieriges Pflaster Hamburg doch für den Wahlkampf gewesen sei. Zu den Hamburger Spezifika gehörte auch, dass Antifaschist*innen konsequent gegen die Infostände der AfD mobilisierten. Ausgestattet mit Kackhaufen-Kostümen und jeder Menge Anti-AfD-Flyern hatte diese Form der Standbegleitung vor allem zwei Wirkungen: Nach außen wurde die Partei isoliert und klargestellt: Eine demokratisch gewählte Partei ist noch lange keine demokratisch verfasste Partei.
Dieses Vorgehen ermutigte andere, ihren Protest zu äußern und führte zu Solidarisierungseffekten. Nach innen dürfte die Kampagne zu Verunsicherung und Desillusionierung geführt haben: Wer sich nicht einmal auf der Straße durchsetzen kann, dem wird auch sonst wenig zugetraut. Das offizielle Gejammer lässt dies zumindest vermuten. Auch scheint die Opferrolle der AfD weniger zu funktionieren, solange die Medien diese nicht bedienen. Inflationär pochte die AfD in den Wochen vor der Wahl darauf, eine ganz „normale“ Partei sein zu wollen. Hanseatisch, bürgerlich und bieder war der gesamte Wahlauftritt der Partei. Doch die Camouflage-Politik hilft nichts, wenn sich zeitgleich auch (extrem) rechte Kandidat*innen in Position bringen und der Hamburger Landesverband nach rechts außen driftet.
Dies klar zu erkennen und zu benennen wird auch in Zukunft eine Aufgabe von Antifaschist*innen sein, an der sich auch „AfD-Watch“ beteiligen wird. Entwarnung kann nicht gegeben werden, denn selbst wenn der Abwärtstrend der AfD anhalten sollte, so hat die AfD in wenigen Jahren dazu beigetragen, dass sich die extreme Rechte radikalisierte. Die Morde an Walter Lübcke, in Halle und Hanau sind auch eine Konsequenz aus knapp sieben Jahren AfD.
Rechtes Stelldichein
Obwohl es für einen kurzen Moment anders aussah, wurde das ausgerufene Ziel des Bündnisses, „AfD raus aus der Bürgerschaft“, nicht erreicht. Mit 5,3 Prozent zieht die AfD erneut ins Parlament ein. Ein kleiner Sprung mit fataler Wirkung, schließlich hängen nicht wenige Stellen, Ressourcen und politische Einflussmöglichkeiten am Fraktionsstatus der Partei.
Wer hier gewählt wurde, zeigte sich am Wahlabend des 23. Februar 2020 deutlich. Auf dem Gruppenbild in der Parteizentrale tummelte sich in der Runde der AfD-Abgeordneten auch der (extrem) rechte Youtuber, Blogger („Wahre Männer“) und Misogynist Oliver Flesch. Dieser besuchte schon Tage zuvor die AfD-Geschäftsstelle, nachdem er bei der Gedenkkundgebung für die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau provoziert hatte, wobei auch das Tatmotiv relativiert worden sein soll. Auf einem seiner Blogs ist dazu zu lesen: „Der Täter von Hanau war nicht verwirrter als ein Klimaschützer oder eine Oma gegen Rechts“.
Auch die Personalien der sieben alten und neuen AfD-Abgeordneten belegen: Hier nimmt die (extreme) Rechte im Hamburger Rathaus Platz.
Listenplatz 1: Dirk Nockemann, ein Politiker mit einer gewissen rechten Kontinuität, wenn es gegen Nichtdeutsche oder Muslime geht. 1991 arbeitete er im CDU-geführten Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern und wurde dort 1993 Leiter des Landesamts für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten. Als Innensenator wollte er gar ein sechsjähriges Kind abschieben, dessen ghanaische Eltern seit Jahren legal in Deutschland gelebt hatten.1
Listenplatz 2: Alexander Wolf, mit Vorliebe für historische Nazilieder (-bücher) und engagierter Burschenschafter in der völkischen Burschenschaft Danubia, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In seinen einleitenden Worten zum erwähnten Danubia-Liederbuch steht: „’Der Schlachtruf’ soll einen Beitrag liefern zu Wut, Trauer, Scham und Entsetzen angesichts der nun 50 Jahre zurückliegenden bedingungslosen Kapitulation“.2 Wolf ist zudem Beisitzer im AfD-Bundesvorstand. Ein Posten, für den ihm seine guten Kontakte zu Burschenschaften und Netzwerken genutzt haben dürften.
Auf Listenplatz 3 kandidierte die evangelikale Fundamentalistin Monika Winkler, die „den Islam“ pauschal als „trennendes Element“ sieht und die bei den extrem rechten Merkel-muss-weg-Kundgebungen zu Gast war. Nachdem sie auf ihr Mandat verzichtet hatte, rückte der Höcke-Anhänger Thomas Reich nach.
Auf Platz 4 zieht mit Krzsztof Walczak Hamburgs Ex-Vorsitzender der Jungen Alternative (JA) ein. Er gilt als homophob und wünscht sich ein „Abtreibungsrecht“ nach polnischem Vorbild.
Die einzige Frau ist Olga Petersen. Die „Russlanddeutsche“ ist in den Sozialen Medien besonders aktiv und lässt sich dabei u.a. von der lokalen Merkel-muss-weg-Initiatorin Marie-Thérèse Kaiser schulen.
Noch am 11. Februar, also neun Tage vor dem Anschlag von Hanau, bei dem auch Besucher*innen einer Shisha-Bar ermordet wurden, hatte Petersen am migrantisch geprägten Steindamm in St. Georg gegen Migrant*innen agitiert: „Steindamm es ist meine Heimat. Ja, ist es auch, aber die verändert sich [...] leider leider zum Negativen. Wir haben immer mehr Shisha-Bars, türkische Läden, Dönerbuden hier. Wie viel davon verträgt meine Heimat noch? Mein Gefühl sagt mir nicht mehr viel.“
Insgesamt offenbart die neue Fraktion auch die personelle Schwäche der AfD: Bekannte Rechtskonservative wie die Professoren Bernd Lucke oder Jörn Kruse sind ausgetreten. Von der alten, auf sechs Köpfe zusammengeschrumpften Fraktion sind nur drei wieder angetreten. Kontinuität sieht anders aus. Viele Abgeordnete haben nur wenig parlamentarische Erfahrung aus den Bezirksparlamenten oder als ehemalige Mitarbeiter der Fraktion kaum Charisma. Zwar hat die AfD Hamburg im Vergleich zur Wahl im Jahr 2015 0,9 Prozent der Stimmen verloren, in absoluten Zahlen ist die Wähler*innenschaft jedoch nahezu konstant geblieben. So erhielt sie nur 237 Stimmen weniger als 2015. 214.596 Stimmen waren es 2020 insgesamt für die Partei, wobei jede Person fünf Stimmen auf der Landesliste abgeben kann.
Es bleibt festzuhalten, dass in der Hansestadt ein Kern von Wähler*innen hinter der Politik der AfD steht. 2001 (Schill-Partei) und 1997 (DVU, NPD, REP und BfB) gab es mehr Wähler*innen von Parteien rechts der CDU. Eindeutige Verlierer der Wahl waren CDU und FDP. Im Fall der FDP dürfte die Thüringer Kooperation mit der AfD dazu beigetragen haben, dass sie an der 5 Prozent-Hürde scheiterte. Dies ist aus antifaschistischer Sicht erfreulich, da die Hamburger FDP als einzige Partei in der Vergangenheit für AfD-Anträge gestimmt hatte. Zumindest wurde mit der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft der Trend eines kontinuierlichen Stimmenzuwachses für die AfD unterbrochen.
Dazu beigetragen haben sicher viele verschiedene Faktoren, der Anschlag von Hanau dürfte der rassistisch argumentierenden Partei bundesweit nachhaltig geschadet haben. Bitter ist, dass erst elf (weitere) Tote die Wirkung rassistischer Hetze demonstrieren mussten und dass diese Toten sich einreihen in eine lange Liste von mindestens 208 Mordopfern extrem rechter Gewalt seit der sogenannten Wiedervereinigung.