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AfD – Appeasement statt Abwehr?

Dirk Laabs (Gastbeitrag)
Marco Groß Nordkreuz
(Foto: Archiv Dirk Laabs)

Marko Groß ("Nordkreuz"-Netzwerk) beim Schießen als Reservist.

Es ist seit Jahren das gleiche Spiel: Obwohl die Verfassungsfeindlichkeit der AfD offen zu Tage liegt, braucht es immer wieder Anlässe, um die Menschen genau daran zu erinnern. Nach jedem neuen Tiefpunkt kochte die Diskussion über die AfD kurz hoch und ein Verbot der Partei wurde einige Tage lang – kontrovers – diskutiert. Dabei wurde regelmäßig deutlich, dass es eben kein abgestimmtes Verhalten der Demokraten in diesem Land gibt, wenn es um die Abwehr der AfD geht – und viel zu lange eine Politik des Appeasements dominiert hat. So konnte die Partei die Zeit fast ungestört nutzen, um sich zu etablieren.

Obwohl es von Anfang sehr leicht war hinter die bürgerliche Fassade der AfD zu schauen, da sehr früh Aussteiger von den extremen Plänen der Partei berichteten, konnte die AfD zu einem Machtfaktor werden.1 Denn das ist das größte, noch immer vorherrschende Missverständnis: Anzunehmen, die AfD könne erst Schaden anrichten, wenn sie an der Macht ist. 

Tatsächlich schadet sie der Demokratie schon seit langem, auch als Partei in Daueropposition. Der offensichtlichste Punkt: Beim Thema Migration ist es der Partei gelungen, die Deutungshoheit über dieser Diskurs zu gewinnen – auch weil ihre Schlüsselmitglieder ständig zu Gast in großen Talkshows sind. Darauf hat die AfD systematisch hingearbeitet, um das Kernziel von AkteurInnen wie Björn Höcke zu erreichen: Die massenhafte Ausweisung von Migrant*innen, mit oder ohne deutschen Pass, um dem Traum einer völkischen Gesellschaft näher zu kommen. Denn genau das fordert er – in seinen Schriften, auf den Marktplätzen, in aller Offenheit.2

Jobs für (frühere) Rechtsextremisten

Für die gewählten AfD-Kandidat*innen bedeutete der Erfolg 2017, dass sie über vier Jahre für Mitarbeiter ein Budget von rund einer Million Euro abrechnen durften. Eine Million Euro. Pro Mandat. Und: Es wurden damals 94 Kandidaten in den Bundestag gewählt – macht fast 100 Millionen Euro. Zudem darf die Fraktion ihren eigenen Stab ebenfalls vom Staat finanzieren lassen. Die zwei Legislaturperioden seit 2017 haben der AfD so fast eine viertel Milliarde Euro an Gehältern in die Taschen von diversen Anhänger*innen gespült. Nur durch die Mandate im Bundestag. Die Landesparlamente kommen noch hinzu. 

Seit dem ersten Einzug in den Bundestag beschäftigt die Partei extreme Rechte. Ein Schlüssel für die Professionalisierung des deutschen Rechtsextremismus, der sich nicht zuletzt auch in einer eigenen medialen Sphäre zeigt, die inzwischen von verschiedenen Akteuren Non-Stop mit rechter Propaganda beliefert werden kann.

Allein der heutige Ehrenvorsitzende der Fraktion Alexander Gauland bezahlte zwei Rechtsextreme, die eine Vergangenheit in einschlägigen Gruppen hatten – darunter Felix Nothdurft, ehemals ein relevanter Akteur in der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ).
Die Enthüllungen stoppten die AfD nicht. Im Gegenteil. Auch im aktuellen Bundestag, der vorzeitig aufgelöst wurde, beschäftigen die AfD-Abgeordneten zahlreiche bekannte Rechtsextremisten. 

Es gibt hier besondere auffällige AkteurInnen – etwa den Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt aus Sachsen-Anhalt, der gleich mehrere Ex-NPD-Aktivisten anstellte. Auch die Vorsitzende der Partei Alice Weidel bezahlt, wie einst Gauland, mit Marie-Thérèse Kaiser eine Influencerin, die für die extrem rechte Plattform „Ein Prozent“ Formate moderiert und wegen Volksverhetzung verurteilt ist. Hinzu kommen Fälle wie Mario Müller – ein ebenfalls verurteilter, militanter Neonazi, eben im Büro vom AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt angestellt. Sebastian Münzenmaier gehörte zu den „Junghooligans“ aus Kaiserlautern, Spitzname „Münz“, und wurde verurteilt, weil er 2012 einen Angriff auf Mainzer Fans, darunter Frauen und Kinder, mit vorbereitet hatte. Trotzdem ist er heute stellvertretender Vorsitzender der Bundestags-Fraktion.

Rechtsextrem? (Fast) Kein Problem

Denn es ist also keineswegs so, dass etwa alle AfDler am Ende bürgerlich sind, und lediglich extrem Rechte beschäftigen. Hannes Gnauk, ein ehemaliger Soldat, darf zum Beispiel eine große Rolle in der AfD-Bundestagsfraktion spielen, obwohl er vom MAD als Rechtsextremist eingestuft worden ist und aus der Bundeswehr geworfen wurde.3

Es zeigt sich auf Bundes- und Landesebene, dass es innerhalb der AfD keinerlei kohärente Abwehr von RechtsextremistInnen gibt – Fälle, wie der aus der Partei ausgeschlossene Andreas Kalbitz, sind die Ausnahme. Und fast immer reagiert die AfD dabei nur auf schlechte Presse. Zudem gibt es immer wieder Fälle von AfD-PolitikerInnen, gegen die die Partei vermeintlich vorgeht, wie z.B. der Magdeburger Frank Pasemann, der Ende 2020 aus der AfD-Fraktion des Bundestags ausgeschlossen worden war. Nach seinem Fraktionsausschluss wurde Pasemann wenig später als Mitarbeiter im Bundestag wieder angestellt und kann so weiter von Steuergeldern leben.

Besonders deutlich belegt auch der Fall Jens Maier, wie klar die AfD extrem rechte Inhalte eben ausdrücklich fördert. Der ehemalige sächsische Richter war ab 2017 Mitglied im Bundestag, wurde dann abgewählt. Anschließend wurde ihn das Land Sachsen erfolgreich als Richter los und zog dafür vor das Bundesverwaltungsgericht. Punkt für Punkt belegte das Gericht, dass Maier ein Rechtsextremist ist, der die NPD als die einzige Partei beschrieben hatte, „die immer geschlossen zu Deutschland gestanden hat“ und sich damit brüstete, dass die Rechtsextremisten den Kurs in der AfD bestimmen.4 Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Der Rechtsextremist darf nie wieder als Richter arbeiten. Als in der laufenden Legislaturperiode ein Platz im Bundestag frei wurde, schlug ihn die AfD wieder vor. Maier hatte auch deswegen Aufsehen erregt, weil er ein gewisses Verständnis für die Motivation Anders Breiviks artikulierte, der 77 Menschen in Norwegen ermordetet hatte. So ist es eben kein Wunder, dass nicht nur die drei mutmaßlichen Rechtsterroristen in Sachsen in der AfD waren, sondern auch die Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann, die sich an einem Reichsbürger-Putsch beteiligen wollte und Verschwörer in den Bundestag schmuggelte, damit die sich ortskundig machen konnten. Alice Weidel beschrieb die Terrorverdächtige als eine wirklich „tolle Politikerin“.

AfD & Nordkreuz

Auch ehemalige Soldaten, aktive Polizisten und Zivilisten, die sich zum "Nordkreuz"-Netzwerk zusammengeschlossen hatten, waren ab 2017 hoch aktiv in der AfD. Die Recherchen für unser Buch zeigten, dass "Nordkreuz" viel enger in die AfD eingebunden war, als bisher bekannt. Sie besuchten über Jahre Parteitage, auch noch 2018, nachdem das Netzwerk bereits aufgeflogen war. Sie veranstalteten mindestens eine Wahlparty, spendeten Geld an die AfD, versuchten über die Partei an Jobs heranzukommen, der ex-SEK-Beamte und "Nordkreuz"-Kopf Marko Groß gab sogar einen Kurs für AfD-Mitglieder, unmittelbar nach einer Parteiveranstaltung der AfD 2016, Thema: „Zu erwartendes Krisenszenario und Empfehlungen der Vorbeuge und des Selbstschutzes“. Der Mann also, der Zehntausende Schuss Munition bei sich bunkerte, wie die Polizei bald feststellen sollte und der eine Uzi bei sich versteckte, schulte AfD-Mitglieder.5

Enthüllungen ohne Konsequenzen

Konsequenzen hatten diese Berichte, wie all die anderen Enthüllungen, bis dato nicht. Im Gegenteil. Einige Männer, die mit Rechtsterroristen kooperierten oder Untergrundstrukturen organisierten, machten Dank der AfD politische Karriere: Haik Jäger, ein Kriminalbeamter aus dem "Nordkreuz"-Netzwerk, wurde als Kandidat der Partei in die Stadtvertretung von Neukloster gewählt. Eine weitere Person aus dem Netzwerk von "Nordkreuz", Mike Flemming, kam als AfD-Kandidat 2024 in das Rostocker Stadtparlament. Maximillian Tischer, aus
dem Umfeld vom Rechtsterroristen Franco Albrecht, wurde ebenfalls für die AfD im Jerichower Land in einen Gemeinderat gewählt. 

So bezahlt und fördert die AfD nicht nur Rechtsextremisten, sondern bringt sie auch in politische Ämter.