Skip to main content

Neonazistische Umtriebe in der Reservistenkameradschaft „RK36“

"Recherche Kollektiv Ostwestfalen" (Gastbeitrag)
Einleitung

Im Februar 2021 haben wir eine Recherche zu neonazistischen Umtrieben in der Reservistenkameradschaft „RK36“ Alt-­Bielefeld veröffentlicht. Seit mindestens 2005 sind Neonazis Teil der „RK36“ – in leitenden Positionen. Aufgrund unserer Veröffentlichung mussten der aktuelle Vorsitzende der „RK 36“ sowie ein früherer Vorsitzender aus der Reserve austreten. Die Reserve und der Miltärische Abschirmdienst (MAD) bemühen sich um eine stille Erledigung der Angelegenheit und äußern sich kaum. Wir fordern die Auflösung der „RK 36“.

Bild: Endstation Rechts

Die Bundeswehr-Reservisten Michael Reinert (links) und Heinz Kriegel (rechts) beim neonazistischen „Tag der nationalen Bewegung“ in Themar im Juni 2018.

Am 03. Oktober 2020 fielen bei einer Demonstration der neonazistischen Kleinstpartei "Der III. Weg" in Berlin drei Personen in Pullovern mit dem Aufdruck „Division Ostwestfalen“ auf. Diese konnten schnell als Heinz Kriegel, Michael Reinert und Dennis S. aus Bielefeld identifiziert werden.

Stabsunteroffizier der Reserve Heinz Kriegel führte die RK36 in den Jahren 2009 und 2010 an. Obergefreiter der Reserve Michael Reinert führte die RK36 seit 2019 bis zu der Veröffentlichung unserer Recherche.

Die Teilnahme an der "Der III. Weg"-Demonstration war für Kriegel und Reinert nicht die erste Beteiligung an einer neonazistischen Veranstaltung. Im Juni 2018, ein halbes Jahr vor Reinerts Vorsitzübernahme, besuchten Kriegel und Reinert, sowie rund 2300 weitere Neonazis, das neonazistischen Festival „Tage der nationalen Bewegung“ in Themar. Im Oktober 2018 reiste Kriegel mit zwei weiteren Personen zu einem Konzert der RechtsRock-Band "Sleipnir" ins thüringische Kloster-Veßra. Der Neonazi-Kader Tommy Frenck hatte das Konzert als „Kundgebung mit Programm“ in seinem Gasthaus Goldener Löwe beworben.

Seine politische Ausrichtung teilte Heinz „Charlie“ Kriegel aktiv auf seinem facebook-Profil. Ihm gefielen dort die NPD, verschiedene AfD-Verbände und die extrem rechte "Bruderschaft Deutschland". Auch die neonazistische "Bruderschaft" "Brigade 8" gefiel Kriegel. Er teilte dort seit über fünf Jahren offen (extrem) rechte, rassistische und z.T. regierungsfeindliche Inhalte. Reinert war seit 2019 bei facebook aktiv, also seit Beginn seines Vorsitzes der RK 36. Diverse Mitglieder der RK 36 waren auf facebook mit Kriegel und Reinert befreundet, keiner der Kameraden nahm (öffentlich) Anstoß an den Postings.

In der Bundeswehr wie in den Reservistenverbänden schaffen Corpsgeist, übersteigerter Patriotismus und militärischer Gehorsam eine perfekte Grundlage für nationalistische und faschistische Ideologien in der Truppe. Exemplarisch stehen hierfür die Recherchen zu dem "Hannibal"-Komplex und "Uniter", der "Nordkreuz"-Gruppe und die Enthüllungen zu den (extrem) rechten Strukturen in weiten Teilen der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK.

Immer wieder fliegen aktive oder ehemalige Soldaten auf, die Verbindungen in das (extrem) rechte Spektrum haben. In eigenen Chat-Gruppen werden Umsturzfantasien gehegt, Feindeslisten geführt und Bewaffnung organisiert. Massenweise Munition und Waffen sind in den letzten Jahren aus den Beständen der Bundeswehr verschwunden, während sich rechte "Prepper"-Gruppen auf den "Tag X" vorbereiten. Dies beinhaltet auch ganz klar die Liquidierung von politischen Gegner*innen und anderen missliebigen Personen. Immer wieder sind auch Reservisten in diesen Gruppen zentral aktiv!

Die RK 36 hat aktuell 30 Mitglieder und trifft sich im eigenen RK-Heim auf dem Grundstück eines kürzlich verstorbenen Lokalpolitikers, der förderndes Mitglied im Reservistenverband war und außerdem aktiv in der Wählergemeinschaft „Unabhängiges Bürger-Forum“ (UBF). Der Verstorbene hatte sich lokalen Medien gegenüber im Februar von Kriegel und Reinert distanziert. Kein anderes Mitglied der RK 36 hatte sich bis dahin öffentlich geäußert.

Erster Vorsitzender der Wählergemeinschaft UBF ist Reservist und RK 36-Mitglied André Nagel. Nagel war mit Kriegel bei facebook befreundet. Auch RK 36-Mitglied Arne Schmidt ist in der UBF aktiv und trat bei der Kommunalwahl 2020 für die Wählergemeinschaft an. Schmidt ist seit mindestens 2011 teil der Reserve, bis zu unserer Veröffentlichung war er bei facebook mit Kriegel befreundet. Die beiden Reservisten-Lokalpolitiker hatten sich ebenfalls nicht öffentlich zu den Neonazis in ihrer Reservistenkameradschaft geäußert.

Neben ehemaligen Soldaten wie Reinert, Nagel und Schmidt gehören auch Biker zum sozialen Umfeld von Heinz Kriegel. Seit 2019 ist er Teil des "MC Streunende Wölfe". Zuvor war Kriegel seit mindestens 2013 Member des "MC Nightmare Biker Germany", ebenso wie Mario Wollny. Dieser ist Obergefreiter der Reserve und war zwischen 2012 und 2018, also zwischen den Amtszeiten von Kriegel und Reinert, Vorsitzender der RK 36. Wollny und Kriegel hatten also über Jahre auch über die RK 36 hinaus privaten Kontakt. Bis Februar 2021 waren sie bei facebook befreundet. Es ist davon auszugehen, dass Wollny die politische Orientierung seines Reservisten-Kameraden bekannt war, aber für ihn kein Problem, sondern eine Art sozialen Alltag darstellt.

Reservistenverband und Motorradclubs sind Horte weißer Männlichkeit, in denen ein Klima von "Patriotismus" und "Kameradschaft" den perfekten Nährboden auch für rassistische und/oder ultra-rechte Ideologien bietet. Die UBF muss sich fragen, warum sie als kleine Wählergemeinschaft eine solche Nähe zu diesen Milieus aufweist. In ihrem Grundsatzprogramm finden sich Formulierungen, die diese Frage beantworten könnten. So vertrat sie hier: „Vorgetäuschte, als gelungen bezeichnete Integration, ist Sozialromantik“ oder „Vorgegaukelte Sozialromantik in Bezug auf Integration schürt den Missmut und führt nicht zur Bewältigung der offenkundigen Probleme.“ Bei der Kommunalwahl 2020 positionierte sich die UBF unter dem Schlagwort „Rassistisch: Wir haben dieses rassistische, hetzerische, braune und linke Dummgeschwätz genauso satt, wie das ständige Wegschauen bzw. Tabuisieren bei Subkulturen und Parallelgesellschaften! (…) Hierzu hat auch eine verfehlte Integrationspolitik erheblich beigetragen, die meist durch religiöse und politische Einflüsse gelenkt wird.“ Solche Formulierungen und Positionen sind in weiten Teilen der Gesellschaft anschlussfähig – denn Rassismus und Nationalismus sind keine Randprobleme, sondern Ideologien der Mitte.

Die Bundeswehr hat ein Strukturproblem und ist mitverantwortlich dafür, dass sich Neonazis in ihren Reihen aufhalten können und dort auch wohl fühlen. Einem Leserbrief in der "Neuen Westfälischen" aus dem Februar 2021 zufolge zeigte ein ehemaliger Soldat Heinz Kriegel bereits 2005 beim Bundesinnenministerium an. Kriegel war bei einer öffentlichen Veranstaltung uniformiert mit einem Padge mit dem Spruch „Klagt nicht, kämpft“ in Frakturschrift aufgefallen. Der Spruch wird u.a. der Wehrmacht zugeschrieben. Nichts passierte. Vier Jahre später wurde Kriegel Vorsitzender der RK 36.

Wir haben Kriegels und Reinert Teilnahme an der "Der III. Weg"-Demonstration und ihre Mitgliedschaft in der RK36 schon im Oktober 2020 erstmals bei twitter veröffentlicht. Die Reserve reagierte erst zwei Monate später, nachdem Kriegel bei einer "Querdenken"-Demonstration in Düsseldorf erneut aufgefallen war.

Gegenüber der Lokalzeitung "Neue Westfälische" gab ein Sprecher des "Militärischen Abschirmdienst" (MAD) an, Kriegel und Reinert hätten nie an einer Bundeswehrübung teilgenommen und auch der Leiter der Schießsport AG der Kreisgruppe Bielefeld gab an, die beiden seien keine Mitglieder.

Nichtsdestotrotz nahm Michael Reinert im April 2013 am „33. Internationalen Militärschießen Bielefeld“ (IMSB) auf dem Truppenübungsplatz Senne teil. Laut veröffentlichten Wettbewerbsdokumenten schoss Reinert mit der Pistole H&K P8 und dem Sturmgewehr H&K G36, beides Ordonnanzwaffen der Bundeswehr. Auch andere Mitglieder der RK 36 nahmen an dem militärischen Wettbewerb teil. Wo Reinert mit Pistole und Sturmgewehr für das IMSB trainiert hat, bleibt offen. Das Sturmgewehr H&K G36 fällt unter das Kriegswaffenkontrollgesetz und ist für private Zwecke verboten.

Die RK36 hält regelmäßige Treffen ab, an denen nach Angaben in den Reservisten Reports Sicherheitspolitische Schulungen stattfinden, auch Biwaks werden veranstaltet. Unter Heinz Kriegels Führung gehörte für die RK36 auch Luftgewehrschießen zu den internen Abläufen, wie aus dem Reservisten Report 2010 hervorgeht.

Die RK36 Alt-Bielefeld wird seit 2009 durchgehend von Personen geführt, die entweder selbst Neonazi-Demonstrationen und -Konzerte besuchten und (extrem) rechte Ideologie verbreiteten (Kriegel und Reinert) oder aber diese zumindest duldeten (Wollny, Schmidt, Nagel u.v.m.) – sowohl privat als auch in der Reserve. Über zwölf Jahre konnte in den Kreisen der Reservekameradschaft eine solche Ideologie gepflegt werden. Ein Zustand, der nach Aussagen des Reservisten-Präsidenten unmöglich sein sollte.

Wir fordern daher die zuständigen Behörden auf, umgehend zu handeln und die RK36 Alt-Bielefeld aufzulösen! Neonazis und ihre Sympathisanten, die auf Staatskosten militärisch ausgebildet werden und denen die Reservisten-Strukturen als Vernetzungsstruktur dienen, können nicht hingenommen werden!