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Der Prozess gegen Franco Albrecht

Cihan Balıkçı (nsu-watch)
Einleitung

Der extrem rechte Bundeswehrsoldat Franco Albrecht steht seit Mai 2021 vor Gericht, da er Anschläge auf Politiker*innen und linke Aktivist*innen geplant haben soll. Zentrale Fragen zum Komplex bleiben im schleppend verlaufenden Prozess weiterhin offen.

Foto: Christian Ditsch

Lange war der Oberleutnant der Bundeswehr Franco Hans Albrecht nicht in Untersuchungshaft. Im Februar 2017 wurde der Offenbacher bei dem Versuch kurzzeitig festgenommen, eine dort zuvor versteckte Pistole aus einem Schacht auf einer Toilette am Wiener Flughafen zu holen (AIB Nr. 115: „Ein Bundeswehroffizier mit rechten Terrorplänen?“). Dabei flog seine Doppelidentität als Geflüchteter unter dem Namen „David Benjamin“ auf. Im Mai 2017 wurde er erneut festgenommen, kam jedoch nach sieben Monaten wieder frei.

Die Bundesanwaltschaft (BAW) klagt Albrecht nun vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt wegen verschiedenen Delikten an: Betrug, weil er sich unter falschen Angaben als Geflüchteter ausgegeben hat und daher Sozialhilfe vom Staat bekam; Verstöße gegen Waffen- und Kriegswaffengesetze, da er illegal mehrere Schusswaffen, über 1.000 Schuss Munition und 50 Sprengkörper besaß, die er teilweise bei der Bundeswehr gestohlen haben soll; doch vor allem soll er unter seiner Tarnidentität als Geflüchteter Mordanschläge auf Politiker*innen und Menschenrechtsaktivist*innen, sowie Sprengstoffanschläge auf jüdische Denkmäler und Antifas geplant haben.

Schleppender Prozessverlauf

Der äußerst redselige und von sich selbst eingenommene Albrecht nutzte nicht nur den Gerichtssaal, sondern auch eine Pressekonferenz und ein Interview beim russischen Staatssender RT Deutsch als Bühne. Dabei versuchten er und seine Anwälte zu Prozessbeginn einen Spagat: Zum einen verlasen Albrechts Verteidiger ein Statement, das aus gängigen rechten Erzählungen zu Migration bestand, zum anderen bestritt Albrecht die Vorwürfe, rechte Anschläge vorbereitet zu haben und Rassist zu sein. Er inszenierte sich als investigativer Aufklärer und Opfer einer Kampagne von Medien und Behörden. Dem steht seine fälschliche, nie aufgelöste Anerkennung als Geflüchteter entgegen. Den Besitz der Waffen, Sprengkörper und Munition gab er zu, darunter auch den eines Schnellfeuergewehrs und einer Pistole, die bis heute nicht gefunden wurden.

Auszüge aus Albrechts früherer abgelehnter Masterarbeit und seinen Sprachmemos geben Auskunft über seine Ideologie. Während die Arbeit von antisemitischen Verschwörungsmythen und rassistischen Ausführungen durchzogen ist, gab er in den Memos ungeniert seine Verehrung Adolf Hitlers preis. Die Frage des Gerichts, ob er den Holocaust als historische Tatsache anerkenne, wollte er nicht beantworten.

Weiter verlief der Prozess jedoch eher schleppend, da hauptsächlich der am wenigsten schwere Anklagepunkt des Betrugs verhandel wurde. Dies liegt auch an Albrechts Verteidigung, die in dem Anklagepunkt eine große Verschwörung sah: Nach Albrechts erster Festnahme in Wien ermittelte das BKA gegen ihn und kontaktierte hierzu auch das Jobcenter in Erding, das ihm unter seiner falschen Identität als Geflüchteter Sozialhilfe zahlte. Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, wurde beim Jobcenter der Grund der Anfrage nicht genannt und die Mitarbeitenden laut BKA angewiesen, den Fall wie jeden anderen zu behandeln. Albrechts Verteidigung machte hieraus eine Anweisung zum unberechtigten Auszahlen von Geldern „von ganz oben“, sodass ihren Mandanten keine Schuld träfe. Um dem nachzugehen, lud das Gericht eine Vielzahl an Sachbearbeiter*innen aus Behörden als Zeug*innen, die jedoch wenig beitragen konnten.

Wenig aufschlussreich blieben auch die Befragungen von zwei Freunden Albrechts: Mathias Fl. versteckte für Albrecht Waffen und Propagandaliteratur, wusste von seiner Tarnidentität und teilte laut Chatprotokollen dessen rassistische Gesinnung. Als Fl. in den Chats rassistische Gewaltphantasien äußerte, wies Albrecht ihn darauf hin, dies besser nicht per Messenger zu besprechen. In anderen Chats äußerte Fl., dass Albrecht bereits an einer „Systemveränderung“ arbeite. Vor Gericht bagatellisierte Fl. seine rassistischen und antisemitischen Äußerungen und hielt seine Antworten ansonsten kurz.

Noch knapper hielt sich Maximilian Tischer, Bundeswehrkamerad von Albrecht, Bruder von dessen Lebensgefährtin und Mitglied im Landesvorstand der AfD-Jugen "Jungen Alternative" in Sachsen-Anhalt. Bei ihm wurde eine Liste gefunden mit Namen von Politiker*innen und Aktivist*innen, die als Albrechts mögliche Feindesliste gilt. Tischer verwies in der Befragung jedoch stets auf sein Aussageverweigerungsrecht oder berief sich auf Erinnerungslücken. Die unvorbereitet wirkende BAW beließ es bei einer Nachfrage, die leicht abzutun war.

Offene Fragen zu Mitwissenden

Die wirklich relevanten Fragen blieben im bisherigen Verfahren, in dem nur Albrecht angeklagt ist, weitgehend unberührt und finden hier wohl auch zukünftig keinen Platz. Was hatte Albrecht zum Beispiel mit der auf dem Wiener Flughafen versteckten Pistole vor und gibt es einen Zusammenhang mit dem Akademikerball der rechten "Freiheitlichen Partei Österreichs" (FPÖ) und einer linken Gegendemonstration, die an dem Tag stattfanden, als er sie aus dem Versteck holen wollte? Wussten seine mitreisenden Freunde in Wien von der Waffe? Wo sind die verschwundenen Waffen, deren Besitz Albrecht eingeräumt hat, die aber nie gefunden wurden? Gab es weitere Waffen? Über welche Personen und Netzwerke ist er an jene Waffen gelangt, die nicht aus Militärbeständen stammen? Dass er die Pistole vom Wiener Flughafen beim Pinkeln gefunden hat, wie er angab, ist nach einem DNA-Gutachten auszuschließen – Albrecht hat die Waffe offenbar wiederholt auseinander gebaut, nicht nur einfach eingesteckt, wie er behauptet.

Auch die Frage nach Netzwerken und möglichen Mitwissern von Albrechts mutmaßlichen Plänen ist bisher nicht geklärt: Die BAW ermittelte zu Beginn gegen Albrecht und mehrere Personen aus dessen Umfeld. Neben ihm wurde jedoch nur Mathias Fl. für das Verstecken von Albrechts Waffenlager angeklagt. Er wurde 2019 hierfür zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt. Christoph Ka., ein weiterer Jugendfreund, der sich in Chats mit Albrecht ebenfalls rassistisch äußerte und zeitweise ihn die Waffen in seinem Spind im Ruderverein verstecken ließ, wurde gar nicht erst angeklagt. Auch gegen Maximilian Tischer stellte die BAW alle Ermittlungen ein. Unklar ist weiterhin die Rolle von Maurice Re., ein aus Frankfurt stammender Reservist der 2017 in Wien studierte und Albrecht und Tischer dorthin einlud. Auf ein Bild des Waffenverstecks vom Wiener Flughafen, das Albrecht in einer gemeinsamen Chatgruppe teilte, antwortete er mit zwei Smileys.

Weitere Fragen zu Albrechts Kontakten werfen Recherchen des Bayrischen Rundfunks auf: Dieser veröffentlichte, dass Albrecht 2016 an einem Treffen des „Jagsthausener Kreis“ teilnahm und am „Preußen Abend“ im Münchener Hotel Regent eine Rede hielt, in der er laut Manuskript zum bewaffneten Kampf gegen „das System“ aufrief. Beides sind Veranstaltungen der (extremen) Rechten, die bereits seit vielen Jahren bestehen und nur ausgewählten Netzwerken von Militärs, Geheimdienstlern und rechten PolitikerInnen offen stehen. Wer führte den damals 27jährigen in diese Kreise ein?

Zudem war Albrecht Teil des rechten Chatgruppen-Netzwerks um den Verein „Uniter“ (Vgl. AIB Nr. 122: "Hannibal & Co: Mangelnder Aufklärungswillen?"). Er soll auch an einem Schießtraining und einem weiteren persönlichen Treffen des Netzwerks teilgenommen haben. Wussten Verfassungsschutz oder Militärischer Abschirmdienst von diesem, durch einen Elitesoldaten gegründeten, Netzwerk vor ihrer Nase und wenn ja, was wussten sie?

Termine bis Anfang 2022

Es ist nicht davon auszugehen, dass diese und weitere offene Fragen im aktuellen Gerichtsprozess geklärt werden oder Ermittlungsbehörden nach dessen Ende Interesse haben, weiteren Staub aufzuwirbeln. Eine Verurteilung Albrechts für die Anklagepunkte der Waffen- und Kriegswaffendelikte sowie Betrug gilt als wahrscheinlich oder sogar sicher. In Anbetracht seiner Zeit in U-Haft gäbe es hierfür vermutlich keine Haft, sondern lediglich eine Geld- und Bewährungsstrafe. Ob das Gericht, das zwar immer wieder deutlich machte, Albrechts Ausflüchten keinen Glauben zu schenken, jedoch die Anklage ursprünglich gar nicht erst zulassen wollte, Albrecht für die Vorbereitung eines terroristischen Anschlags verurteilen wird, ist unsicher.