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Die Freundeskreise der rechten Terrorszene

Robert Andreasch
Einleitung

Die NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und André Eminger machen weiter. Nachdem sie im NSU-Prozess verurteilt wurden, sind sie längst wieder auf freiem Fuß und zeigen keinerlei Bemühungen sich vom (militanten) Neonazismus fernzuhalten. So etwa zur Neonazi-Aktivistin Susanne G. aus Franken. Ende Juli 2021 verurteilte das Oberlandesgericht München sie u.a. für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu sechs Jahren Haft (die Revision steht noch aus).

Foto: Sören Kohlhuber

Susanne Gemeinhardt-Seitz (rechts) am 15. Februar 2020 als Ordnerin bei einem Aufmarsch des "Der III. Weg" in Bamberg.

Rückblende: der NSU-Prozess

Einer der Angeklagten im sogenannte „NSU-Prozess“ in München ist Ralf Wohlleben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in neun Fällen vor, weil er dem NSU-Kerntrio die Česká-Pistole mit beschafft haben soll. Wohlleben sitzt während des Prozesses in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim in Untersuchungshaft. Aus dem Knast schreibt er an Susanne G. Es ist ein freundschaftlicher Brief. Wohlleben bedankt sich für die solidarischen Zeilen, die er von G. erhalten hat. Susanne G. ist zu diesem Zeitpunkt bereits fest in die Neonaziszene eingebunden. Seit Mai ist sie „Fördermitglied“ der elitären Neonaziorganisation „Der Dritte Weg“, bundesweit setzt sie sich zudem für die neonazistische „GefangenenHilfe“ (Eigenschreibweise) ein.

Aus den mindestens 34 Briefen Wohllebens an Susanne G. lässt sich ablesen, wie die Unterstützung der Neonaziszene für die „Kameraden“ in Haft läuft. Wohlleben schreibt: „Mir hier in St. Adelheim geht es den Umständen entsprechend. Ich fühle mich von draußen bestens versorgt, mir mangelt es an nichts“. Später lädt er Susanne G. ein, seine Familie und „unsere Heimstätte“ zu besuchen und seine Frau Jacqueline zu kontaktieren: „Sage einfach, Du bist die Susel mit den Zauberhänden“. Als „Jacky“ trägt sie Wohllebens Frau als Kontakt im verschlüsselten Messenger „Threema“ ein.

Dem Angeklagten André Eminger wurde vorgeworfen er habe Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unter anderem durch Fahrzeuganmietungen unterstützt. Bezüglich des Bombenattentats in der Kölner Probsteigasse stelle das eine Beihilfe zum versuchten Mord dar. Mitte September 2017 fordert ein Bundesanwalt für André Eminger zwölf Jahre Haft. Eminger wird daraufhin in Untersuchungshaft genommen und ebenfalls in die JVA München-Stadelheim gebracht.

Susanne G. schreibt ab jetzt auch ihm ins Gefängnis. Eminger und Susanne G. tauschen zahlreiche Briefe aus. Susanne G. sorgt dafür, dass Eminger private Bekleidung in der JVA erreicht. In den Briefen dominiert ein sehr vertrauensvoller, privater Ton, Eminger lädt Susanne G. ein, ihn nach der Haftentlassung zuhause zu besuchen. Im November 2017 überweist Susanne G. 100 Euro auf das Knastkonto von André Eminger. Es dauert nicht lang, da hat Susanne G. nicht nur für Wohlleben, sondern auch für Eminger eine Dauerbesuchserlaubnis. Während Wohlleben seine Besuchszeit lieber für die Familie nutzt, trifft sich Eminger mit ihr im Gefängnis.

Reale Treffen in Freiheit

Am 11. Juli 2018 wird das Urteil im NSU-Prozess gefällt. Susanne G. gehört zu den ersten Neonazis, die an diesem Tag das Gericht betreten. André Eminger wird von der Kammer weitgehend freigesprochen. Das für ihn festgelegte Strafmaß beträgt lediglich zweieinhalb Jahre und er wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Susanne G. holt ihn später am Eingang der JVA Stadelheim ab.

Wenige Tage nach der Urteilsverkündung wird auch Ralf Wohlleben, dessen Strafmaß auf zehn Jahre festgelegt wurde, aus der Untersuchungshaft entlassen. Im August 2018 schickt er an Susanne G. eine Dankeskarte. Ab jetzt nutzen sie Messenger-Apps und soziale Netzwerke zum Kontakt. Schließlich treffen sich die Beteiligten auch wieder real. Fotos, die Susanne G. auf ihrem Handy speichert, zeigen eine kleine Grillfeier, bei der sie und ihr Ehemann zusammen mit Ralf Wohlleben und André Eminger sowie dessen Ehefrau Susann E. anwesend sind. Offenbar handelt es sich um eine Geburtstagsfeier von Eminger. Susanne G. speichert sich den Kontakt von Susann E. Und in die Navigationsgeräte ihrer zwei Fahrzeuge gibt Susanne G. in der kom- menden Zeit die Adressen von Ralf Wohlleben in Elsteraue und von André Eminger in Zwickau ein. Eine weitere Adresse von ihm notiert sie sich in ihr Notizbuch. 2019 schickt die Familie Eminger anlässlich der Geburt ihrer Tochter eine Karte an Susanne G.: „Für die Heimat gehen wir voller Stolz in die Zukunft“.

Die Rocker-Connection

Susanne G. und André Eminger verbindet neben der gemeinsamen neonazistischen Ideologie auch die Faszination für die Rockerszene. Spätestens ab 2010 war Susanne G. in Kreisen des bayerischen „Gremium MC“ aktiv. 2014 hat die Polizei gegen Susanne G. ermittelt. Es waren Fotos aus dem Vorjahr aufgetaucht, auf denen sie und der damalige Präsident des Nürnberger „Gremium“- Chapters, Herbert M., mit scharfen Waffen posieren. Im Rahmen einer Hausdurchsuchung fand die Polizei bei Susane G. u.a. scharfe Munition.

André Eminger wird dem „Invictus Germania MC“ zugerechnet, einem Supporterclub des rechtsoffenen „Stahlpakt MC“. Bei „Invictus Germania“ ist auch der frühere NPD-Funktionär Robin Siener als „Prospect“ aktiv, dessen Kontaktdaten Susanne G. im Telefon sowie in ihrem Notizbuch eingetragen hat. In ihrem Mobiltelefon hat Susanne G. auch ein Foto von Siener und sich gespeichert, das wohl bei der Feier ihres 50. Geburtstages im Jahr 2015 und offenbar in einem Clubheim des „Gremium MC“ aufgenommen wurde.

Waffen und (Behörden-)Munition

Am 20. März 2020 dringt ein Sondereinsatzkommando der Polizei in die Wohnung von Susanne G. ein. Überall in der Wohnung hat Susanne G. Waffen drapiert. Polizeibeamt*innen entdecken in G.s Schlafzimmer eine scharfe Patrone. Bei der Patrone handelt es sich um polizeiliche Munition, die damals insbesondere im Bereich der Spezialeinheiten verwendet wurde. Das Schießen übt Susanne G. unter anderem auf dem tschechischen Schießstand „Jimi“ in Odrava gemeinsam mit dem „Der III. Weg“-Parteivorsitzenden Klaus Armstroff.

Der Verdacht gegen Susanne G.

Die Ermittler*innen, die den Hausdurchsuchungbeschluss beantragt haben, verdächtigen Susanne G. damals, für eine ganze Reihe neonazistischer Bedrohungsdelikte in der Region verantwortlich zu sein. Den Drohungen lagen meistens scharfe Patronen bei. Von der Hausdurchsuchung und den Ermittlungen lässt sich Susanne G. nicht bremsen. Bald fährt sie erneut mit Klaus Armstroff zum Schießen nach Tschechien, diesmal auf den Schießstand von „Střelnice Goldie-Arms“ (Kynšperk nad Ohří).

Susanne G. taucht ab

Im Sommer 2020, zu diesem Zeitpunkt wird Susanne G. von der Polizei bereits als sogenannte „Gefährderin im PMK-rechts-Bereich“ eingestuft, trifft sich G. mehrfach mit Norman Kempken. Kempken war jahrzehntelang einer der führenden Neonazis und Anti-Antifa-Aktivisten in Nürnberg und Fürth. Nachdem Susanne G. mit richterlichem Beschluss zu einer DNA-Abgabe vorgeladen wird, schreibt sie ihm, dass sie nicht bei der Polizei auftauchen wird. Stattdessen verabschiedet sie sich quasi von ihrem Haus, schließt ihre Praxis und reist durch die Bundesrepublik und ins benachbarte Ausland. Sie taucht in dieser Zeit unter anderem in Lübeck und Travemünde, aber auch im sachsen-anhaltischen Zeitz sowie in mehreren tschechischen Orten auf.

Bei Amazon bestellt sich Susanne G. ein Buch, das teilweise detailliert den Aufbau von Brand- und Sprengsätzen beschreibt. G. trägt in einem Karton, den sie in ihrem Auto aufbewahrt, all diejenigen Gegenstände zusammen, die für eine im Buch beschriebene „Brandhandgranate“ (die betreffende Buchseite hat sie sich eingemerkt) gebraucht werden. Mit ihrem Ebay-Account beobachtet Susanne G. zu dieser Zeit einschlägige Chemikalien-Inserate und Zündplättchen.

Susanne G. wird am 7. September 2020 im Hotel Bavaria in Fürth verhaftet, wo sie sich gerade erst unter falschem Namen eingemietet hat. Am 29. April 2021 beginnt vor dem OLG München der Prozess gegen Susane G. wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die Bundesanwaltschaft spricht in der Anklageschrift davon, dass G. einen Anschlag erwogen und als potenzielle Tatorte unter anderem zwei Geflüchtetenunterkünfte in Lauf an der Pegnitz, die türkisch-islamische Moschee in Röthenbach, das jüdische Museum in Schnaittach sowie die Polizeiinspektionen in Lauf und in Altdorf ausgespäht habe. Zum ersten Prozesstag reisen Neonazis nun auch für Susanne G. zur Unterstützung an.

Susanne G. sitzt mittlerweile in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim in Untersuchungshaft. Nun sind die Rollen in dieser Geschichte gewissermaßen vertauscht. Sie soll an die Staatsanwaltschaft Fürth geschrieben haben: André Eminger solle eine Besuchserlaubnis für sie ausgestellt werden.

(Der Artikel basiert auf dem Text „Ralf Wohlleben, André Eminger und Susanne G.: Alle machen weiter.“ von Robert Andreasch auf nsu-watch.info)