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NSU-Ermittlungen: Generalbundesanwalt weiter auf Schlussstrichkurs

Rechtsanwalt Alexander Hoffmann
Einleitung

Verdächtige NSU-Helfer_innen –  endlich Verjährung, endlich eingestellt ?

Aufklärung NSU Morde
(Foto: Rasande Tyskar; CC BY-NC 2.0)

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) führt vier Ermittlungsverfahren gegen jeweils eine namentlich bekannte Beschuldigte beziehungsweise einen namentlich bekannten Beschuldigten wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Absatz 5 des Strafgesetzbuches (StGB) und anderer Straftaten. Die Beschuldigten wohnten bei Verfahrenseinleitung in Chemnitz, Ehrenfriedersdorf und Zwickau (jeweils Sachsen) sowie in Magdala (Thüringen). Die weiteren ebenfalls jeweils wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Absatz 5 StGB geführten fünf Ermittlungsverfahren gegen jeweils einen namentlich bekannten Beschuldigten hat der GBA in den Monaten Juli und August 2022 mangels Vorliegens eines hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Im Laufe des Sommers 2022 hat der Generalbundesanwalt die Strafverfahren gegen weitere fünf Personen, die der Unterstützung des NSU verdächtig waren, nach Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung eingestellt.

Diese Mitteilung erfolgte unter anderem auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag1 . Die Lektüre der Anfrage sowie die Antwort der Bundesregierung sei allen ans Herz gelegt, die schwarz auf weiß nachlesen wollen, wie wenig Energie die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt in die Ermittlungen gegen das Unterstützungsnetzwerk nach Ende des Prozesses beim Oberlandesgericht München gesteckt hat. Die Ermittlungen wurden offenbar – ähnlich wie die Suche nach der Herkunft der zahlreichen im Wohnmobil und der ausgebrannten Wohnung in Zwickau gefundenen Waffen – schlichtweg auf Eis gelegt, bis nunmehr der Zeitpunkt der absoluten Verjährung der Strafbarkeit wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erreicht war.

Diese Einstellungen waren erwartet und auch die Einstellung der letzten vier noch laufenden Strafverfahren ist nur eine Frage der Zeit. Die Fortführung des Strukturermittlungsverfahrens ist eher als Hinweis zu verstehen, dass die Inhalte dieses Strafverfahrens auch weiterhin wegen „Gefährdung des Ermittlungsziels“ der Kenntnis der Öffentlichkeit entzogen werden sollen.

Die Argumentation des Generalbundesanwalts ist oberflächlich nachvollziehbar: Die den Beschuldigten vorgeworfenen Unterstützungshandlungen sind nunmehr absolut verjährt, eine Strafverfolgung  demnach nicht mehr möglich. Die Verfahren müssen daher gemäß § 170 II StPO (Mangels hinreichenden Tatverdachts) eingestellt werden. In der Presse wird oft noch darauf verwiesen, dass die Bundesanwaltschaft ja selbst mit ihrem Versuch gescheitert sei, den Angeklagten André E. wegen weitergehender Unterstützungshandlungen zu verurteilen. Eine entsprechende Revision hatte der Bundesgerichtshof allerdings zurückgewiesen. Die Verurteilung lediglich wegen der Zurverfügungstellung einer BahnCard, sei ohne Rechtsfehler erfolgt. Diese Argumentation ist allerdings keineswegs stichhaltig und nur nachvollziehbar, soweit das vom Generalbundesanwalt bereits kurz nach der Selbstenttarnung des NSU als offensichtlich politisch gewolltes Ermittlungsergebnis „drei isolierte Täter mit wenigen Unterstützern“ ohne Nachfragen hingenommen wurde.

André E., der Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe direkt nach ihrem „Umzug“ nach Chemnitz kennengelernt und Zschäpe sogar noch nach dem Inbrandsetzen des Hauses in Zwickau geholfen hatte, wurde eben eine bloße Unterstützung der Gruppe vorgeworfen und nicht die Mitgliedschaft in der Vereinigung. Das selbe galt für die weiteren Personen, die durch das Bereitstellen von Geld, Fluchtwohnungen, Ausweisen und anderem Hilfe geleistet hatten. Diesen wurde zu keinem Zeitpunkt die Mitgliedschaft im NSU zur Last gelegt. Obwohl ein solcher Tatvorwurf nahelag und in vergleichbaren Verfahren immer erhoben wird, auch wenn er sich möglicherweise später als nicht tragfähig herausstellt, wich der GBA beim NSU von einer solchen Herangehensweise ab.

Die Frage nach der Motivation des GBA für dieses Vorgehen, beantwortet sich aus der Situation nach Bekanntwerden des Bekennervideos des NSU. Da hatten militante Neonazis viele
Jahre schwerste Anschläge und Morde, aber auch Banküberfälle im Bundesgebiet begangen, die Ermittlungsbehörden hatten angeblich keinerlei Erkenntnisse vom Bestehen einer solchen Gruppierung, obwohl die Verfassungsschutzämter zahlreiche V-Leute in der unmittelbaren Nähe der bekannten Mitglieder und ihres Umfeldes platziert hatte. Nicht nur der Inlandsgeheimdienst, auch der GBA und das BKA waren in eine schwere Legitimationskrise geraten. Um wieder als funktionsfähige Behörde, die die Sicherheit des Landes gewährleisten kann und will zu erscheinen, musste daher zunächst erklärt werden, dass keine Gefahr mehr von dem Netzwerk ausging, dass sich soeben medienwirksam zu seinen Morden und Sprengstoffanschlägen bekannt hatte. Böhnhardt und Mundlos tot, Zschäpe in Untersuchungshaft, wurden die drei zu den einzigen Mitgliedern der Vereinigung erklärt. Damit konnte insoweit Entwarnung gegeben werden.

Die direkten Unterstützer, deren Unterstützungshandlungen zu den Verbrechen des NSU auf der Hand lagen, konnten allerdings nicht ignoriert werden. Sie wurden zu „vereinzelten Unterstützern“, weitere Helfer_innen zunächst weitgehend ignoriert. Maßgeblich für dieses Vorgehen des Generalbundesanwalts war es, die militante Ideologie, die all diese Unterstützer_innen mit Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt verband und die den bewaffneten Kampf gegen Geflüchtete, Migrant_innen und politische Gegner_innen mit einschloss auszublenden. Die Ermittlungen und die Anklage ignorierten weitgehend die ideologische Verbindung, sei es innerhalb der „Kameradschaft Jena“ oder zu den Unterstützer_innen beispielsweise in Chemnitz. Dass die „Kameradschaft Jena“ bereits vor dem Abtauchen der Drei im Wesentlichen darauf ausgerichtet war, Straftaten zu begehen, Bombenatrappen öffentlich zu platzieren, eine Bombenwerkstatt im Archiv zu betreiben und Geflüchtetenunterkünfte auszuspähen, wurde nahezu ignoriert. Ebenso, dass die "Kameradschaft Jena" bereits zu einem frühen Zeitpunkt bei ihren Treffen Videos schaute, in denen der bewaffnete Kampf als „Leaderless Resistance“ propagiert und zur Ermordung von Nichtweißen aufgerufen wurde. Dass die Kameradschaft diskutierte, wer von den Mitgliedern bereit sei, solche Aktionen durchzuführen, dass die Unterstützer_innen in Chemnitz Mitglieder der Organisation „Blood & Honour“ waren und den bewaffneten Kampf ebenso propagierten, wie sie mit der Verbreitung von Magazinen, Musik-und Propagandavideos und der Durchführung von Konzerten massiv die Organisation der Szene, die Entmenschlichung von Nichtdeutschen und die Überlegenheit der „weißen Rasse“ propagierten, all dies wurde erst durch die Nebenklage im Prozess vor dem Oberlandesgericht München eingeführt.

Zu diesem Zeitpunkt, also nach der Zulassung der Anklage des Generalbundesanwalts durch das Oberlandesgericht, war es aber bereits zu spät, diese Grundausrichtung zu korrigieren. Das Oberlandesgericht hätte selbst theoretisch kaum die Chance gehabt, die drei Mitangeklagten Zschäpes als Mitglieder des NSU zu verurteilen, zumal die Ermittlungsakten bereits so zusammengestellt waren, dass entsprechende Verdachtsmomente weitgehend ignoriert wurden. Das Oberlandesgericht hat dies aufgenommen und seine Aufgabe als Staatschutzsenat, nämlich den Staat zu schützen, ernst genommen. Das OLG hat seinem Urteil zu Grunde gelegt, André E. habe bis zu dem Wasserschaden in der Wohnung Böhnhardts, Mundlos‘ und Zschäpes keine Kenntnis von deren terroristischen Aktivitäten gehabt. Erst danach sei ihm mitgeteilt worden, dass “die Drei” noch andere Straftaten mit politischer Zielsetzung begehen. Danach habe er noch einmal eine BahnCard geliefert – dies sei Unterstützungshandlung, für die er verurteilt wurde. Im Blog NSU-Nebenklage wurde dies seinerzeit wie folgt kommentiert:

Die milde Verurteilung von Wohlleben und E. kann nur eines zum Ziel haben: Das Gericht will die Grundannahme der Bundesanwaltschaft, der NSU habe nur aus einer isolierten Gruppe von drei Personen bestanden, deren wenige Unterstützer hätten nur wenig gewusst, mit aller Macht verteidigen und einen Schlussstrich ziehen, der jede weitere Aufklärung beendet. Gleichzeitig stellt das OLG München die zuletzt hohen Strafen gegen Mitglieder und Unterstützer rechtsterroristischer Vereinigungen – wie z.B. die Gruppe Freital – als fast schon überzogen dar, indem es weit unter den dort ausgeurteilten Strafen wegen Unterstützung zurückbleibt und die Hürden für eine Mitgliedschaft ungewöhnlich hoch setzt. Die Botschaft des Gerichts an die Kameraden der Angeklagten E. und Wohlleben kann somit nur diejenige sein, dass selbst eine über Jahre andauernde rassistisch motivierte Mordserie und deren Unterstützung nicht zu einer realistischen Einschätzung neonazistischer Gefahren bei deutschen Gerichten führen.“

Dass der Generalbundesanwalt in seinem Plädoyer von André E. von einem vierten Mann sprach und in seiner Revision eine deutlich höhere Strafe forderte (allerdings für Beihilfe zum Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse), widersprach dem gesamten Vorgehen der Anklagebehörde und war augenscheinlich lediglich dazu gedacht, im Blick der Öffentlichkeit eine starke Staatsanwaltschaft vorzuspielen. Die gesamte Anklageschrift hatte das Bild gezeichnet, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe quasi abgeschottet von täglichen Sozialkontakten ihre Taten planten und ihre Strategie entwarfen. Die gezielte Kontaktaufnahme zur bundesweiten Neonaziszene durch den Versand von Geldspenden mit dem „NSU-Brief“, die notwendig vorliegenden Tipps von Neonazis mit Ortskenntnissen an zahlreichen Tatorten vor allem aber auch die Tatsache, dass „die Drei“ bei ihrem Abtauchen den Kontakt gerade zu "Kamerad_innen" suchten, die sich selbst ebenfalls dem bewaffneten Kampf gegen Nichtdeutsche verschworen hatten, wurde und wird bis heute ignoriert.

Die Aktivitäten des V-Mannes Ralf Marschner, die unter Umständen erklären könnten, was Böhnhardt und Mundlos eigentlich in den langen Zeiträumen zwischen den Anschlägen getan haben, sollen ebenfalls nicht aufgeklärt werden. Soweit André E. lediglich eine so geringe Unterstützung vorgeworfen wurde, war es beinahe zwingend, weitere Unterstützer_innen nicht vor Gericht zu bringen. Dies wäre allerdings leicht möglich gewesen. Selbst wenn die staatstragende Logik der Anklage zum OLG München, „drei Mitglieder, wenige Unterstützer_innen“ aufrechterhalten worden wäre, und gegen weitere Helfer_innen nur wegen Unterstützung hätten verfolgt werden können, hätte dies zeitnah erfolgen können. Die Tatbeiträge der Personen, die Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos Sprengstoff geliefert, eine Wohnung sowie Personalausweise besorgt und auf andere Weise direkte Unterstützung geleistet hatten, waren bekannt und aufgeklärt. Anklage hätten bereits vor dem Ende des Münchener Prozesses, spätestens aber nach dem Juli 2018 erfolgen können, eine Verjährung war zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt. Aber ähnlich wie bei der Ermittlung der Lieferwege der zahlreichen Waffen, die dem NSU zur Verfügung standen, hielt der Generalbundesanwalt Nichtstun für das Gebot der Stunde.

Jede weitere Aufklärung hätte natürlich einerseits die Gefahr in sich getragen, das tatsächliche Ausmaß des militanten Netzwerkes darzulegen, dessen sich der NSU ohne weiteres bedienen konnte und das auch für andere Gruppen zukünftig bereit steht. Es hätte sicherlich auch die Gefahr bestanden, weitere Verstrickungen des Verfassungsschutz in Waffenhandel und den Aufbau anderer militanter Neonazigruppen offenzulegen. Manch eine Unterstützer_in hätte sich womöglich unter Hinweis auf weitere V-Leute verteidigt, der Inlandsgeheimdienst möglicherweise weiter unter Legitimationsdruck geraten. All diesen Gefahren wird  mit den nunmehr erfolgten Einstellungen nachhaltig entgegengetreten. Der Generalbundesanwalt und damit die Bundesregierung brechen damit ganz offiziell das von ihnen gegebene Versprechen der Aufklärung.

In der Folge wird auch die öffentliche Berichterstattung über die Unterstützungsnetzwerke erschwert, denn selbst eine Namensnennung ist nach einer Einstellung mangels Tatverdachts schwieriger. So wirkt es wie der Versuch, immer noch Tatkraft und Unnachgiebigkeit zu beweisen, wenn parallel zum endgültigen Ende jeglicher Aufklärungsbemühungen zum NSU-Netzwerk der Bundesgerichtshof bestätigt, dass Ralf Wohlleben wahrscheinlich seine Strafe bis auf den letzten Tag absitzen muss, weil keine positive Prognose für ein Leben ohne Straftaten gegeben sei. Die Entscheidung ist sicherlich sachlich richtig. Auf eine gewisse Weise entsteht allerdings der Eindruck, das Vorgehen gegen Wohlleben solle öffentlichkeitswirksam die Aufklärungsverweigerung des Generalbundesanwalts kaschieren.

Eingestellte Verfahren:

M.-F. B. war für die Anklage ein sehr wichtiger Zeuge, weil er einen Teil der besonders wichtigen Phase der Herausbildung der terroristischen Vereinigung NSU nach dem Untertauchen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos selbst begleitet hat. Anfangs wohnten „die Drei“ in B.s Wohnung und er bei seiner damaligen Freundin Mandy S., nach dem Ende der Beziehung wohnte man zu viert bei ihm. Aber auch danach, selbst nachdem sich B. anscheinend aus der Neonaziszene gelöst hatte, kam es bis 2009/10 zu Treffen und zahlreichen Telefonaten, bei denen Veränderungen in seinem Leben abgefragt wurden, wohl damit das Trio seine Identität – Mundlos hatte einen Reisepass auf den Namen B.s – weiterhin verwenden konnte. B. ließ ihnen auch in dieser Zeit noch Unterlagen zukommen, so Post der Commerzbank, bei der Mundlos unter Verwendung des Passes ein Konto angelegt hatte.

Matthias D. hatte über insgesamt sieben Jahre Wohnungen für den NSU angemietet, zunächst in der Polenzstraße, später in der Frühlingsstraße in Zwickau.

Mandy S. hat als Teil und im Auftrag der Chemnitzer „Blood & Honour“-Gruppe um Thomas Starke die Unterbringung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos kurze Zeit nach deren Untertauchen organisiert. Nach ihren eigenen Angaben gehörten alle bislang als Unterstützer am Abtauchen der „Drei“ beteiligten Personen dem „Blood & Honour“-Netzwerk an.

Thomas Starke, der inzwischen einen anderen Nachnamen trägt, hatte 1996/ 1997 eine kurze Liebesbeziehung zu Zschäpe und nahm in der rechten Szene in Chemnitz Ende der 1990er eine maßgebliche Stellung ein. In der Hauptverhandlung verweigerte er die Aussage, dadurch konnte die Frage, ob er als Informant der Polizei tätig war, nicht geklärt werden. Im Ermittlungsverfahren hatte er als Beschuldigter umfangreiche Angaben gemacht. Starke stellte 1996 einen Kontakt zu einem seiner „Blood & Honour“-Kameraden her, der darauf hin 2 kg TNT-Gemisch lieferte.

Der ehemalige Chemnitzer „Blood & Honour“- Chef Jan Werner hatte u.a. am 25. August 1998 eine SMS mit der Frage „Was ist mit den Bums?“ an ein Handy des Brandenburger V-Manns Cars-
ten Szczepanski geschickt. Diese SMS ist ein Hinweis darauf, dass Werner eine Schusswaffe für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt besorgen sollte. Werner war als Anführer der Chemnitzer Ortsgruppe von B&H in die Unterstützung der in der Stadt „untergetauchten“ Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos einbezogen. Er soll auch aus der „Gruppenkasse“ einen größeren Geldbetrag an „die Drei“ gegeben haben.

André Kapke2 war ein äußerst gewaltbereiter Neonazi und seit Mitte der 1990er einer der engsten Vertrauten von Ralf Wohlleben, Holger Gerlach und „den Drei.“ Seine Aussage ergab, dass die Jenaer Untergruppe des „Thüringer Heimatschutz“, der alle NSU-Mörder angehörten, über ein gutes Kommunikationssystem mit öffentlichen Telefonzellen und einer „Dechifriertabelle“ verfügte, also ziemlich verdeckt arbeitete. Kapke hatte das Trio bei der Flucht und zumindest zu Beginn ihrer Illegalität unterstützt, er gab auch erneut an, auf Vermittlung des V-Mannes Tino Brandt falsche Pässe für „die Drei“ besorgt zu haben. Seine Befragung führte zu der Feststellung, dass Böhnhardt, Mundlos, Holger Gerlach und Kapke die zentralen Personen in der Neonaziszene in Jena waren. Das "Pogromly-Spiel", eine antisemtische Monopoly-Variante, wurde von allen gern gespielt. Kapke und Wohlleben besprachen die Einbindung des verurteilten Carsten S. in die Betreuung der Untergetauchten.

Noch nicht eingestellte Verfahren:

Über das Computerspielegeschäft des Pierre J. in Zwickau, soll Uwe Mundlos 2002 oder 2003 eine Vorderschaftrepetierflinte sowie zwei Schreckschusspistolen erworben haben. Ob dies die Quelle für die Beschaffung weiterer, der zahlreich vorhandenen Waffen war, wird nach der Einstellung nicht aufgeklärt werden. Weil dieser Tatvorwurf deutlich später eingeordnet wird, wird die Einstellung noch einige Zeit dauern.

Auch Hermann S. wird die Beschaffung von Waffen für den NSU vorgeworfen. Eine Aufklärung der Herkunft der Waffen liegt offensichtlich nicht im Interesse des Generalbundesanwalts, weshalb auch dieses Strafverfahren mit Zeitablauf eingestellt werden dürfte.

Susann E., die Ehefrau des verurteilten André Eminger, war jahrelang mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt befreundet. Angesichts der milden Verurteilung ihres Ehemannes liegt eine Strafverfolgung gegen sie nicht mehr im Interesse des Generalbundesanwalts. Am 4. November 2011 um 15.19 Uhr wurde von der von Zschäpe genutzten Mobilfunknummer auf André Emingers Handy angerufen, um 15.30 wurde eine SMS von seinem Telefon an seine Frau geschickt – also direkt nach dem Banküberfall in Eisenach, dem Tod von Mundlos und Böhnhardt und der Inbrandsetzung des Hauses in der Zwickauer Frühlingstraße durch Beate Zschäpe. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass Zschäpe Eminger um Hilfe bei ihrer Flucht gebeten hat. Am 5. November 2011 wurden dann zwei Anrufe von einer öffentlichen Telefonzelle auf dem Anschluss der Familie Eminger festgestellt.