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„Paukanten“ am rechten Rand

"Autonome Antifa Freiburg" (Gastbeitrag)
Einleitung

Am 8. Juli 2022 veranstaltete die "Burschenschaft Saxo-Silesia" im Garten ihrer Villa im Kapellenweg auf dem Lorettoberg in Freiburg eine sogenannte „Mensur“. Dabei kämpfte der Saxo-Silese und AfDler Aaron Kimmig gegen Tobias Lipski von der Münchner "Burschenschaft Danubia". Beide Bünde sind Mitglied im ultra-rechten Dachverband „Deutsche Burschenschaft“. Anhand der beiden „Paukanten“ lässt das Communiqué „Naziburschen auf dem Lorettoberg“ der „Autonomen Antifa Freiburg“ einen Blick auf das Personal der Burschenschaften zu.

Tobias Lipski (mittig) am 8. Juli 2022 bei der Saxo-Silesia Freiburg.
(Foto: autonome-antifa.org)

Tobias Lipski (mittig) am 8. Juli 2022 bei der Saxo-Silesia Freiburg.

„Mensur“ im Villengarten

Bei einer „Mensur“ handelt es sich um ritualisiertes Fechten mit scharfen Waffen. Die Saxo-Silesia fordert von ihren Mitgliedern, „daß sie das akademische Fechten lernen und Mensuren schlagen“, sie ist daher eine „pflichtschlagende Verbindung“. Konkret müssen alle Mitglieder mindestens zwei „Bestimmungsmensuren“ austragen, also Fechtkämpfe zur „charakterfestigenden Wirkung“. Darüber hinaus sollen auch immer noch illegale Ehrenhändel ausgetragen werden, oft in Form sogenannter „Pro-Patria-­Suiten“.

Die „Mensur“ am 8. Juli 2022 wurde nicht nach einem Freiburger „Comment“, sondern nach dem „Schlägerpaukcomment des Waffenringes der Münchener Burschenschaften“ gefochten. Der Grund dürfte sein, dass die Danubia die „Partie annonciert“ hatte, aber partout keine schlagende Verbindung in München für das Duell finden konnte. Eine Zusage eines Burschenschafters der „Münchner Burschenschaft Alemannia“ wurde sogar von deren Konvent wieder annulliert, was eine Folge der Beobachtung der studentischen Mitglieder der Burschenschaft der „Danubia“, der sogenannten „Aktivitas“, durch den bayerischen Verfassungsschutz sein dürfte.

„Paukant“ Tobias Lipski

Tobias Lipski wurde im Sommer 2013 Bundeswehrsoldat und verpflichtete sich im am 26. Mai 2014 als Offiziersanwärter für 14 Jahre bei der Bundeswehr. Am 24. Mai 2017 wurde er wegen "rechtsradikaler Gesinnung und Aktivitäten" aus der Bundes­wehr geworfen. Ihm wurde u.a. vorgeworfen, im Dezember 2016 „an einem Treffen ehemaliger SS-Offiziere in Estland“ teilgenommen, mehrere Veranstaltungen der „Identitären Bewegung Deutschland“ (IB) besucht und selbst für die IB referiert zu haben.

So gab Lipski gegenüber dem Militär-Geheimdienst „Militärischer Abschirmdienst“ (MAD) zu, am 24. Februar 2017 einen „Vortrag zum Thema „Rechtsbelehrung und Umgang mit Staatsschutz- und Verfassungsschutzbehörden“ vor Funktionären und Mitgliedern der IBD in Bad Tölz und denselben Vortrag mehrfach zuvor auf dem Haus der "Burschenschaft Danubia München" vor den „dort anwesenden IBD-­Funktionären“ gehalten zu haben.

Die Zeitung „Welt“ schrieb zu Lipski: „Die Behörden trieb noch eine Sorge um, dass er nämlich womöglich etwas Größeres plante – und zu einem Netzwerk von Rechtsextremisten im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministeriums gehören könnte. Man vermutete, L. habe verbotenerweise schwere Waffen gehortet, eine Maschinenpistole oder ein Sturmgewehr. Man befürchtete, er könne einen Angriff beim Besuch der Ministerin verüben.“ Konkret befürchteten die „Sicherheitsbehörden“, Lipski könne während ihres Besuches auf Schloss Nymphenburg am 24. Juni 2017 einen Angriff auf die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verüben, gemeinsam mit einem weiteren an der Bundeswehr-Uni in München studierenden Offiziersanwärter. Am 9. Juni 2017 leitete die Staatsanwaltschaft München ein Verfahren wegen des „Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“ ein. Lipskis Wohnung wurde durchsucht, aber es wurde nichts gefunden – was zu Spekulationen führte, er könne vorgewarnt worden sein. In zeitlicher und räumlicher Nähe zum Besuch der Verteidigungsministerin wurde eine Handgranate in einem Kanal in München gefunden, wenige Monate später wurde eine zweite entdeckt. Das Ermittlungsverfahren gegen Lipski wurde Anfang 2018 eingestellt.

Nach seiner Entlassung begann Lipski ein Jurastudium in Passau und schloss sich der zu diesem Zeitpunkt in Passau und Deggendorf ansässigen "Burschenschaft Markomannia Wien" an. Am 10. November 2018 nahm Lipski gemeinsam mit anderen Aktiven der Markomannia am „Wiener Korporationsring“-Kommers in Wien teil. Am Folgetag suchten die Burschen das Grab des SS-Obersturmbannführers Otto Skorzeny auf, der Mitglied der damals in Wien ansässigen Burschenschaft Markomannia war.

Lipskis Markomannen-­Karriere endete allerdings wie bereits seine frühere „Fuxenzeit“ bei der Cimbria München und seine Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr vorzeitig. Anfang Oktober 2020 trat er gemeinsam mit weiteren „Aktiven“ aus der Markomannia aus, womit die Burschen ihrem Ausschluss zuvor gekommen sein dürften – und sich die Markomannia in Folge komplett zerlegte.

Gerüchten zufolge wollte Lipski direkt im Anschluss an seinen Austritt bei der Markomannia der "Burschenschaft Danubia München" beitreten. Die Aufnahme zog sich wegen Bedenken einiger „Alter Herren“ in die Länge. Wie Fotos der Mensur im Garten der Saxo-Silesia Freiburg belegen, trägt er inzwischen aber offen die Farben der Münchner Burschenschaft.

Im März 2019 wurde Lipski zum stellvertretenden Vorsitzenden der „Jungen Alternative Ostbayern“ gewählt. Im Juni 2022 wollte er in die AfD eintreten. Der AfD-Kreisverband Würzburg wollte ihn zwar gerne aufnehmen, allerdings verweigerte der AfD-Bundesvorstand die Aufnahme.

„Paukant“ Aaron Kimmig

Aaron Joseph Friedrich Kimmig war bis zum Wintersemester 2022 der Sprecher der „Aktivitas“ der Saxo-Silesia. Vor seinem Sprecher-Amt im Wintersemester 2021/22 war Kimmig bereits seit dem Sommersemester 2020 Schriftwart und schon im Juni 2020 wurde er als „Fux“ zum „Leiter der Burschenschaftlichen Arbeit“ gewählt.

Der Informatikstudent trat bereits 2014 in die AfD ein. Von 2015 bis 2018 wurde er als Mitglied des brandenburgischen AfD-Landesverbands geführt. Im April 2016 wurde er in den Landesvorstand der brandenburgischen „Jungen Alternative“ gewählt und im August 2021 in den Landesvorstand der JA Baden-Württemberg. Kimmig arbeitete bis mindestens 2021 für Andreas Wild, der im September 2016 über die Landesliste der AfD in das Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt worden war. Doch bereits im Juli 2017 wurde Wild aus der Fraktion und 2021 schließlich aus der Partei ausgeschlossen. Er war in seinem Auftreten selbst der AfD zu rechts geworden. Kimmig hingegen unterstützte Wilds Politik nach Kräften und mit großem persönlichen Einsatz.

Im Sommer 2021 begleitete Kimmig seinen Arbeitgeber nach Bosnien. Ziel der Reise war der Dreh von rassistischen Propagandavideos für die im September 2021 anstehende Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, denn trotz seines noch nicht rechtskräftigen Parteiausschlusses wurde Wild (erfolglos) als Direktkandidat für den Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf 4 aufgestellt. Kimmig ließ für die Wahlkampf­videos seine im „Roten Baron“-Stil gehaltene schwarz-weiß-rote Drohne mit eisernem Kreuz über einem antirassistischen Camp kreisen. Nachdem linke AktivistInnen seine Drohne vom Himmel geholt hatten, entdeckten sie die in Deutschland obligatorische feuerfeste Metallplakette mit den eingravierten Daten des Besitzers: Aaron Kimmig und die Adresse der Burschenschaft Saxo-Silesia. In naiver Selbst­überschätzung hatte Kimmig sich nicht einmal die Mühe gemacht, die zuvor gedrehten AfD-Videos vor dem Feindflug von der SD-Karte der Drohne zu löschen.

Mit seiner Fluthilfe-Tarnorganisation „EichenHerz“ schaffte Kimmig es sogar in den Jahresbericht 2021 des baden-württembergischen Inlandsgeheimdienstes. Ende Juli 2022 besuchte er gemeinsam mit seinem „EichenHerz“- und JA-Kameraden Luis Hill aus Bayern das „Sommerfest“ des ultra-rechten „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda. Aktuell wird Kimmig auf der Website des AfD-Kreisverbands Freiburg als „Kreissprecher“ genannt. Bei der baden-württembergischen „Jungen Alternative“ wird er als „Ansprechpartner“ für den KV Freiburg/Breisgau-Hochschwarzwald der AfD-Jugendorganisation geführt.

Die „Paukärzte“

Bei der Fecht-„Partie“ wurde Lipski von dem „Paukarzt“ bzw. Medizinstudenten Andreas Hinteregger von der "Burschenschaft Teutonia Wien" betreut. Dieser ist auch Vorstandsmitglied des „Ring Freiheitlicher Jugend Oberösterreich“.

Der „Paukarzt“ bzw. Zahnarzt auf Seiten der Saxo-Silesia war Jörg Kutscher, der Vorsitzende des „Verein Saxo-Silesenhaus zu Freiburg i.B. e.V.”. Die Netzwerke innerhalb der Burschenschaften funktionieren offenbar und so konnte eine Schnittverletzung des juristisch mindestens zweifelhaften Fecht-Rituals direkt und unbürokratisch versorgt werden.

Nachtrag

Anfang 2023 kamen von der Autonomen Antifa Freiburg „Updates zum Communiqué“:

In Erlangen wurden am 10. Februar 2023 zwei Mitglieder einer „Turnerschaft“ im Rahmen eines Fechtduells von Mitgliedern einer „Burschenschaft“ schwer verletzt, einer davon lebensbedrohlich. Anders als üblich wurde der Vorfall publik, weil die Verletzungen des einen Korporierten so schwer waren, dass ein Krankenwagen gerufen werden musste. Auf dem Haus der Burschenschaft Germania war eine sogenannte „Pro Patria-Suite, keine „Mensur“, organisiert worden.

Der Zweck einer „Mensur“ ist es, „seinen Mann zu stehen“, eine „PP-Suite“ dient der Ausfechtung von Ehrenhändeln. Die Entscheidung, wegen der lebensbedrohlichen Verletzungen einen Krankenwagen zu rufen, wurde korporationsintern heftig kritisiert. Korporierte Juristen schärfen den „Waffenstudenten“ ein, niemals den Rettungsdienst zu rufen. Es ist der Sinn einer „Pro Patria-Suite“, schwere Kopfverletzungen in Kauf zu nehmen. Deshalb darf der Kopf nur durch eine spezielle Brille geschützt werden. Im Erlanger „Comment“ wird der Verzicht auf wirksamen Kopfschutz explizit vorgeschrieben. Mensurfechten sei keine Körperverletzung weil es strafrechtlich als sozialadäquat eingestuft wird, jedoch nur insofern diese „nicht der Austragung von Ehrenhändeln dienen“, was bei den „Pro Patria-Suiten“ jedoch der Fall sein dürfte.