Ni oubli ni pardon! – 10 Jahre Gedenken an Clément Méric
Antifaschistische Initiative Kreis Pinneberg (Gastbeitrag)Am 5. Juni 2013 wurde Clément Méric, Antifaschist und Gewerkschafter, in Paris von Neonazis ermordet.1 Zum Gedenken an ihn wurde zu einem internationalen antifaschistischen Wochenende Anfang Juni 2023 aufgerufen. Es wurde zu zwei Konzertabenden, einem Tag der Debatte und des Austausches sowie zu einer antifaschistischen Demonstration zum Gedenken an Clément eingeladen.
- 1Mehr zu dem Mord und den Hintergründen: www.antifainfoblatt.de/tags/clément-méric
Ein Reisebericht der "Antifaschistischen Initiative Kreis Pinneberg"
Das Gedenkwochende begann für uns1 schon am Donnerstagabend. Es wurde das Buch „Clément Méric, une vie, des luttes" ("Clément Méric, ein Leben, des Kampfes“) auf der Straße vor einem kleinen Buchladen in Montreuil, einem Vorort östlich von Paris, vorgestellt. Das berührende Buch ist eine Kollektivarbeit von Angehörigen und Freund*innen. Es wirft einen Blick auf das kurze Leben und auf die Kämpfe von Clément.
Am Freitag ging es dann weiter mit dem ersten Konzertabend auf einem Veranstaltungsgelände bei Paris u.a. mit den Bands "Bull Brigade", "Agnostic Front" und "Brigada Flores Magon". Dort gab es neben Essen, Getränken und Bandmerch auch einen Bücherstand, auf dem es das Buch über Clément zu erwerben gab. Weitere politische Gruppen aus dem europäischen Raum hatten zudem ihre Infotische aufgebaut. Über den Abend füllte sich das Gelände deutlich mit internationalem Publikum. Das passte, schließlich war für den nächsten Tag ein internationaler Austausch und Diskussionen unter dem Motto: „Organisieren, Kämpfen, Gewinnen“ angesetzt.
Auch wenn es nach einem Konzertabend sicher für einige etwas früh war, sammelten sich schon morgens zahlreiche Antifaschist*innen vor dem Gewerkschaftshaus, in der Nähe des Place de la République für die anstehenden Diskussionen und Austausch.
Bei den vielfältigen Podiumsdiskussionen waren die Ermordungen unserer Genoss*innen, aber vor allem auch deren Kämpfe und die Erinnerung an sie im Mittelpunkt. Es sprachen das "Comité pour Clément" (Frankreich/Paris), "Associazione Dax 16 Marzo" (Italien/Mailand) und "Asamblea Carlos Palomino" (Spanien/Madrid). Zudem gab es ein Podium zu internationalistischen Perspektiven u.a. mit "L‘Offensive" (Frankreich), "GegenMacht.Info" (Deutschland), "Saoradh" (Irland) und Vertreter*innen aus dem Baskenland. Weitere Themen waren die Verbindungen von Staat und Neonazis u.a. in Frankreich, Italien und Deutschland. Repression und Rassismus, sowie ein Gespräch mit dem französisch-palästinensischen Anwalt Salah Hammouri.
Trotz der Vielzahl an Themen konnte sich ein guter Überblick über derzeitige internationale, antifaschistische Kämpfe verschafft werden. Wir haben die Gelegenheit bekommen von der rechten und rassistischen Auto-Attacke in Henstedt-Ulzburg und der Arbeit des Bündnis "Tatort Henstedt-Ulzburg" zu berichten. Dabei stießen wir auf großes Interesse und viele solidarische Worte. Parallel zum Antifa-Meeting gab es zwei Fußballspiele von MFC-1871 (einem linken Pariser Fußball-Club) Frauen-Teams, die mit viel Gesängen und Pyrotechnik begleitet wurden.
Nach dem Meeting machten sich alle auf dem Weg nach Montreuil. Dort fand der zweite Konzertabend im "La Parole Errante", einem linken Kulturzentrum, statt. Wieder gab es neben Essen-, Getränke- und Bandmerch-Ständen zahlreiche Infotische von antifaschistischen Initiativen und Gruppen aus Paris, Tolosa, Genf, Lyon, Mailand.
Auch wir machten einen Infostand mit Solidaritäts-Shirts für das Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg, sowie mit Flyern zur Auto-Attacke auf Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch und Deutsch. Auch hatten wir die drei Antifa-Magazine: "Der Rechte Rand", "Lotta" und das "Antifaschistische Infoblatt" (AIB) bei uns am Stand. Für Genoss*innen die nicht aus Deutschland kamen, trotz der Sprachbarriere durchaus ein inspirierender Einblick auf antifaschistische Arbeit in Deutschland, wie uns versichert wurde.
Sowieso gaben einem die Infotische eine gute und einfache Möglichkeit sich (international) auszutauschen und zu vernetzen. Für das Konzert waren u.a. "Ryaam", "Medine", und "DJ Pone", alle Musiker*innen aus dem Genre HipHop/Rap, angekündigt. Spätestens beim Auftritt von "Medine" war die Halle rappelvoll. Immer wieder gab es politische Ansagen von ihm, die zum Teil als Parolen vom Publikum aufgegriffen wurden.
Für uns war es ein sehr beeindruckender und kraft gebender Tag. Einmal von Seiten der Organisation des Meetings aus, z.B. durch die simultane Übersetzung, wie auch inhaltlich. Andererseits durch den Austausch allgemein und die Vernetzung sowie das Konzert am Abend, zu dem dann noch einmal weit über 1000 Menschen gekommen waren.
Am Sonntag stand die Gedenk-Demonstration für Clément Méric an. Bevor es losgehen sollte, trafen wir uns mit zahlreichen Genoss*innen, um Solidaritäts-Fotos auf dem Hügel Montmartre, bei der Sacré-Cœur, zu machen. Auch um unserer Genossin Lina E. Solidarität zu senden, wurde ein Banner hochgehalten.
Danach zogen alle gemeinsam zum Startpunkt der Demo an der Metrostation Barbès. Nach und nach sammelten sich 5000 Antifaschist*innen verschiedener Spektren. Neben den Genoss*innen und Freund*innen von Clément, auch zahlreiche Gewerkschafter*innen sowie Antifaschist*innen aus ganz Frankreich und aus zahlreichen anderen Ländern. Lautstark setzte sich die Demonstration in Bewegung. Durch Fahnen und Pyrotechnik hatten wir auch einen starken visuellen Ausdruck. Während der Demo wurde durch Doppelhalter, auch an Brahim Bouarram, Davide ‚Dax‘ Cesare, Pavlos Fyssas, Ibrahim Ali, Carlos Javier Palomino, alle Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt, erinnert.
Weiter wurde an Betroffene von tödlicher Polizeigewalt erinnert z.B. an George Floyd, Olivio Gomes und Zineb Redouane. In verschiedenen Abschnitten wechselte der Ausdruck der Demonstration, mal wurden viele kleine schwarze und rote Fahnen geschwenkt, dann wurde die Demonstration in bunten Rauch getaucht oder es leuchteten rote Bengalos auf.
Auf der Route gab es ein Bannerdrop von einem Dach, dieses reichte über mehr als fünf Stockwerke und zeigte Clément mit seiner Gitarre und der Aufschrift „Clément – à jamais l‘un des nôtres (für immer einer von uns) - Paris Brest Antifasciste“. Ein zweites Banner zum Gedenken an Clément wurde von einem Baugerüst mit viel Rauch, als die Demonstration daran vorbeizog, heruntergelassen. Beendet wurde die Demonstration auf dem Place Gambetta beim Friedhof Père-Lachaise im 20. Arrondissement. Dort gab es einen bewegenden Redebeitrag einer Genossin die an Clément und seine Kämpfe erinnert hat, zudem wurde dazu aufgerufen die Kämpfe die er geführt hat fortzuführen.
Am Montagabend folgte eine Kundgebung am Ort, wo Clément vor zehn Jahren von den Neonazis angegriffen und ermordet wurde.
Am Dienstag wurde in Frankreich zu einem landesweiten Streiktag gegen die Rentenreform von Macron aufgerufen. Schon am Morgen wurden mehrere Genoss*innen aus Italien festgenommen, die sich am Wochenende an den Aktionen zum Gedenken an Clément beteiligt hatten. Es zeigt sich, wie auch beim "Antifa Ost-Verfahren" und bei den Verhaftungen von Antifas in Budapest, der starke Repressionsdruck, dem Antifaschist*innen in Europa weit über alle Grenzen hinweg gerade ausgesetzt sind.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei unseren Freund*innen und Genoss*innen der "Action Antifasciste Paris-Banlieue", der Antifa-Gruppe in der auch Clément aktiv war, für die Tage bedanken. Es war eine sehr interessante, intensive und emotionale Zeit, gerade weil man sich mit vielen Menschen aus vielen Ländern mit unterschiedlichen Erfahrungen austauschen konnte. Eine Gelegenheit, die es leider nicht so häufig gibt, an der man aber anknüpfen kann und sollte. Gerade der Austausch von Erfahrungen, auch über Generationen hinweg, mit den länder-spezifischen Herausforderungen, aber auch mit ihren Erfolgen sind wichtig.
Für uns ist klar, wir werden in unseren antifaschistischen Kämpfen, auch wenn diese hier vor Ort unter ganz anderen Vorzeichen und Bedingungen geführt werden, als in Brest oder Paris, immer auch ein Teil von Cléments Kampf sein.
- 1"uns" bzw. "wir" steht hier für die Autor*innen der "Antifaschistischen Initiative Kreis Pinneberg"