Der Gegenrechtsschutz – Unterstützung bei juristischen Angriffen von rechts
Frida Info (Gastbeitrag)"FragDenStaat" hat einen Rechtshilfefonds ins Leben gerufen. Mit dem Gegenrechtsschutz verteidigt das Projekt Betroffene gegen rechte Angriffe auf ihre Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, um so den öffentlichen Diskurs und die Zivilgesellschaft vor Angriffen von rechts zu schützen.
Unter dem Begriff „Strategic Lawsuits Against Public Participation“ – kurz SLAPP – wird die strategische Einschüchterung von Personen mit juristischen Mitteln oder durch deren Androhung verstanden. Meistens trifft es Medienschaffende, Aktivist*innen oder Personen aus Wissenschaft und Kunst. Aber manchmal auch Leute, die sich einfach in sozialen Medien äußern. Die Klagenden wollen damit ihnen unliebsame Meinungen, Recherchen, Studien oder Kunstprojekte aus dem öffentlichen Diskurs verbannen. Denn die Versuche, die Meinungsfreiheit und den Diskurs einzuschränken, kommen zunehmend aus dem extrem rechten Spektrum. Die öffentliche Auseinandersetzung mit der antidemokratischen Rechten soll erstickt werden. Dabei ist sie heute wieder notwendiger denn je.
Angriff auf Diskurs und freiheitliche Demokratie
In ganz Europa sitzt die extreme Rechte schon lange in den Parlamenten und stellt teilweise Regierungen. Die AfD regiert in Deutschland zwar noch nicht, aber (extreme) Rechte haben es auch hierzulande geschafft, ihre Weltsicht und Agenda in den politischen und medialen Mainstream zu befördern. Die Debatte und das politische Handeln in Politikfeldern wie beispielsweise der Migration sind dafür Belege. Der Diskurs hat sich schon längst verroht und verschoben.
Den öffentlichen Diskurs zu vereinnahmen und zu diktieren ist eine integrale Strategie der autoritären und neofaschistischen Machtphantasien. Die (extreme) Rechte gibt sich nicht damit zufrieden, vom Rand aus die politische Tagesordnung zu bestimmen und den Ton anzugeben. Um erfolgreich zu sein, muss sie kritische Stimmen und politische Gegner*innen zum Schweigen bringen. So untergräbt sie den öffentlichen Diskurs und die Zivilgesellschaft.
Seit spätestens 2015 hat der Einsatz von juristischen Mitteln oder deren Androhung aus dem rechten Spektrum deutlich zugenommen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des „Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft“ (IDZ) aus Jena. Dabei zeigt sich, dass es teilweise eine gezielte Strategie der (extremen) Rechten ist, um Äußerungen oder Aktionen zu verhindern sowie kritische Berichterstattung einzuschränken.
Nur eine informierte Zivilgesellschaft kann wehrhaft sein
Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus ist auf die Zivilgesellschaft angewiesen. Die NSU-Morde und deren (Nicht-)Aufklärung, rechte Polizeichats und Verbindungen von Polizei sowie Verfassungsschutz in die rechte Szene sind genug Beispiele, die verdeutlichen: Der Staat handelt nicht ausreichend gegen Rechtsextremismus. Deshalb ist eine wachsame Zivilgesellschaft unerlässlich.
Antifaschist*innen, Medienschaffende und gemeinnützige Vereine tragen die Hauptlast der Aufklärungsarbeit über rechte Strukturen und werden immer häufiger zum Ziel von den juristischen Einschüchterungen. In der Regel kommen von ihnen die ersten Hinweise, wenn Mitarbeitende von Behörden, ganze Institutionen oder Unternehmen enge Kontakte zu Rechten pflegen. Fehlt diese kritische Auseinandersetzung mit rechten Strukturen innerhalb unserer Gesellschaft und Institutionen – oder wird sie gezielt eingeschränkt – bedroht das Zivilgesellschaft und Demokratie.
Oft genügt ein Anwaltsschreiben
Wer eine Abmahnung bekommt, hat nur wenige Tage Zeit, um darauf zu reagieren. Innerhalb dieser Frist kann man die Abmahnung akzeptieren und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnen. Im Nachgang müssen dann die Anwaltskosten der Gegenseite bezahlt und gegebenenfalls eine Gegendarstellung veröffentlicht werden.
Die meisten haben noch nie in ihrem Leben Rechtsstreitigkeiten erlebt. Ein Anwaltsschreiben, in dem Personen aufgefordert werden, Unterlassungserklärungen zu unterschreiben und die Androhung weiterer rechtlicher Schritte oder von Strafzahlungen bei Zuwiderhandlung löst Panik, Schock und mitunter Existenzängste aus.
Drei Viertel der vom IDZ Befragten gaben an, dass der Vorfall sie psychisch und emotional belastet hat. Abgesehen von den ausgelösten Gefühlen der Hilflosigkeit und Überforderung, können die mit Abmahnungen und Klagen verbundenen Kosten für freie Medienschaffende und Vereine aber auch ganz real existenzbedrohend sein.
Konfrontiert mit hohen Summen geben deswegen viele schnell klein bei: Sie löschen ihre Posts in Sozialen Medien, nehmen Abstand von Recherche- und Forschungsergebnissen, ziehen diese zurück oder suchen sich einen neuen Schwerpunkt für ihre Arbeit. Ausschlaggebend dafür, sich nicht gegen die Abmahnungen zu wehren, ist für die meisten ihre finanzielle Situation und der fehlende rechtliche Beistand.
Ein Beispiel aus Sachsen – mal wieder
Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Sachsen“ (VVN BdA Sachsen) hatte das Glück, dass der „Gegenrechtsschutz“ bereits existierte, als sie abgemahnt wurden.
Der VVN BdA Sachsen ist Trägerverein des Rechercheblogs 15°Research – ein Kollektiv, das vor allem über rechte Strukturen im Landkreis Görlitz schreibt. Dort war die AfD bei der Bundestagswahl 2021 mit 32,5 Prozent stärkste Partei. Gemeinsam mit dem „Else Frenkel-Brunswik Institut“ der Universität Leipzig veröffentlichte 15°Research ein Policy Paper, in dem sie darlegen, „wie extrem rechte Unternehmer*innen mit ihrem politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Engagement auf die politische Kultur der Region Einfluss zu nehmen versuchen.“
In diesem Paper wird auch das Engagement des Bauunternehmers Jörg Drews beurteilt. Ihm gehört mit der „Hentschke Bau GmbH“ aus Bautzen eines der größten Unternehmen der ostdeutschen Bauwirtschaft. Sowohl „Hentschke Bau“ als auch Drews persönlich mahnten den VVN BdA-Sachsen ab und wollen gut eine halbe Seite des Policy Papers, auf der Drews und „Hentschke Bau“ thematisiert werden, verschwunden sehen.
Die Verbindungen des Unternehmers nach rechts sind dabei nichts Neues. Bereits 2018 veröffentlichte das ARD Magazin „Zapp“ ein halbstündiges Interview mit Drews, in dem der Bautzener mit seinen Spenden an die AfD, seiner finanziellen Unterstützung für alternative Medien und öffentliche Auftritte auf von Rechten organisierten Veranstaltungen konfrontiert wird. Auch ND-Aktuell hatte bereits über Drews bürgerliches Engagement berichtet.
Im Januar 2024 wird das Dresdner Landgericht darüber entscheiden, ob die Recherchen von 15°Research online bleiben dürfen. Der Streitwert liegt bei 50.000 Euro – die darauf berechneten Prozesskosten sind existenzbedrohend für den kleinen Verein. Der Gegenrechtsschutz übernimmt die kompletten Prozesskosten in der ersten Instanz. Ohne hätte möglicherweise auch der VVN BdA-Sachsen klein beigeben müssen und Details zum Einsatz des Bautzner Unternehmers für „gesellschaftliche Belange“ wären bereits aus der Öffentlichkeit getilgt worden.
Widerstand lohnt sich
Schon aus Prinzip müssen Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit gegen rechte Versuche sie einzuschränken verteidigt werden. Tatsächlich lohnt es sich aber auch gegen Einschüchterungsversuche vorzugehen. Nicht alles kommt vor Gericht. Eine Antwort per Anwaltsschreiben, in dem die Betroffenen sich erwehren und Kampfbereitschaft signalisieren, kann Klagende bereits dazu bewegen, von ihren Ansprüchen abzulassen.
Bislang waren viele Betroffene alleine. Eine zentrale Anlaufstelle, die berät, vernetzt und im Zweifel sogar finanzielle unterstützen kann, gab es nicht. Genau da setzt der Gegenrechtsschutz an: Er berät schnell, unkompliziert und kostenlos.
Gegenrechtsschutz ist Demokratieinfrastruktur. Neben dem Aufbau eines permanenten Hilfsangebots und Netzwerks, soll der Rechtshilfefonds auch einen Beitrag dabei leisten, das Vorgehen rechter Netzwerke zu erfassen und Expertise für den Kampf gegen sie zu bündeln.