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„Fox News“ und der „Große Austausch“

Xavier Bonnet (Gastbeitrag)
Einleitung

Die Sage vom „Great Replacement“ (auf Deutsch etwa „Großer Austausch/Umvolkung“) spielt seit Jahren im größten Kabelsender der USA „Fox News“ als Quotenbringer eine wichtige Rolle.

tucker carlson
(Bild: Gage Skidmore from Surprise, AZ, United States of America)

Tucker Carlson Ex-Superstar von „Fox News“

Der Sender bewegt sich damit im Einklang mit der Rechtsaußenentwicklung der Republikaner-Partei und dient im Wechsel mit deren Politikern und mit der interessierten Zuhörer- und Zuschauerschaft zuhause im Wohnzimmer als Megaphon.

Der Fox-Superstar Tucker Carlson stand dabei ganz vorne in der Reihe. Seine Show „Tucker Carlson Tonight“ hatte eine Woche nach der Wahl von Donald Trump ihr Debut. Die beiden – der US-Präsident und der bald darauf populärste TV-Moderator - warfen sich die Bälle zu.

Vor allem in punkto Rassismus und Einwanderungspolitik hatte Carlson von Anfang an extrem rechte Standpunkte übernommen. Später kopierte und variierte Carlson Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl. Und immer und immer wieder bearbeitete Carlson das „Great Replacement“, freilich ohne es direkt so zu nennen. Auch nahm er von offenem Antisemitismus, so wie ihn Elon Musk zur Zeit propagiert, Abstand.

Carlson spielte mit seiner Massenwirkung ein wichtiges, wenn nicht das entscheidende Bindeglied zwischen den gewählten Trump-Republikanern und den Rechtsaußen. Weiße Amerikaner und Europäer würden mit nicht-weißen Immigranten aus dem globalen Süden ersetzt werden, tönte er in Dutzenden seiner täglichen Auftritte im Abendfernsehen um 20 Uhr.

Doch dann kam Carlsons abrupter Rausschmiss. Dem Zugpferd des größten US-Kabelsenders wurde Ende April 2023 fristlos gekündigt. Bis heute sind weder vom Sender noch von Carlson die Gründe dafür zu erfahren. Welche Strategie der Murdoch-­Konzern damit fuhr, ist Gegenstand von Spekulationen.

Laut der „Los Angeles Times“ steckte zweierlei dahinter: eine Gerichtsklage der Ex-Angestellten Abby Grossberg, die Carlson Sexismus und ein toxisches Arbeitsklima vorwarf, sowie Carl­sons „Berichterstattung“ über den 6. Januar 2021, den Angriff Tausender von Trump-­Sympathisanten auf das Washingtoner Parlament, das Kapitolsgebäude. Carlson hatte den Kapitolssturm, bei dem fünf Menschen zu Tode kamen, wiederholt als Verschwö­rung und Provokation des „Deep State“, etwa des FBI, dargestellt.

Ein von Carlson verdächtigter „Provokateur“ strengte eine Klage gegen ihn an, Carlson habe „sein Leben zerstört“. Dass in dem Prozess Fox-­interne Emails zur Sprache kommen könnten, die ihrerseits den Nachweis von bewusster Irreführung der Öffentlichkeit erbringen, soll eine Befürchtung der Fox-Oberen gewesen sein. Ebenso dürfte die Lüge vom Wahlbetrug, die von Carlson mit Wissen der darüber informierten Fox-Spitzen vor einem Millionenpublikum monatelang abgespult wurde, aus der Sicht der Bosse des Unternehmens vor Gericht – etwa wenn Trump dafür angeklagt wird – ans Tageslicht kommen. Genauer gesagt: es dürfte enthüllt werden, wer genau wusste, dass es sich um eine Lüge handelte und sie mit Blick auf die Quoten trotzdem als Fakt darstellen ließ.                    

Mit einem blauen Auge war der Fox-­Konzern in punkto Wahlbetrugs-Lüge schon im Frühjahr 2023 davongekommen. Nach einer außergerichtlichen Einigung leistete der Konzern eine Schadenersatzzahlung von 787,5 Millionen Dollar an die Firma Dominion. Moderator:innen, zuallerst wieder der notorische Tucker Carlson, hatten behauptet, Wahlautomaten des Unternehmens seien manipuliert worden, um die Präsidentschaftswahl 2020 für den Demokraten Joe Biden zu entscheiden. Fox News, das sich wegen Verleumdung verantworten musste, entging mit der Zahlung dem Vorwurf, es habe Trumps Lügen nicht geglaubt, sie aber aus Profitgründen trotzdem verbreitet. Mit der Einwilligung zur Schadenersatzklage kam der Sender einem öffentlichkeitswirksamen Prozess zuvor. Auch eine öffentliche Entschuldigung, nämlich dass Fox die Trump-Lüge bewusst multipliziert hatte, blieb deshalb aus.

Das postfaktische Geschäftsmodell des meistgesehenen US-Senders besteht damit unbeschädigt weiter fort. Top-Einschaltquoten sind weiter garantiert. Laut Zahlen von Ende Oktober 2023 steht Fox News bei den Kabelsendern nach wie vor an der Spitze der Abendprogramme, mit täglich durchschnittlich 2,1 Millionen Zuschauern. Die meistgesehenen „News“-Programm aller Kabelsender finden sich ebenfalls auf Fox, darunter „Hannity“ und „The Ingraham Angle“. Inhaltlich unterscheiden sie sich kaum von Tucker Carlson.