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"Früher Straßenterror, heute Hardtekk auf Crystal" oder gelebte linke Werte?

Geradedenken Kollektiv (Gastbeitrag)
Einleitung

Die Abgrenzung nach Rechts fällt Veranstalter:innen oft schwer. Auch gegen klar begründete Vorwürfe wird häufig mit der Kunstfreiheit argumentiert: Lasst Künstler:innen doch Künstler:innen sein. Aber ich bin doch nur wegen der Musik hier. Background-Checks für Artists seien flächendeckend nicht möglich. Eine ähnliches Problem ergibt sich in der Zusammenarbeit von Sicherheitsbranche und Nachtleben: Clubs benötigen Security, viele Sicherheitsdienste fallen jedoch mit problematischen Haltungen auf. Der Handel mit Drogen verknüpft all dies miteinander: Er benötigt Clubs als Absatzorte, Secus als Verbündete – sowie Acts, die ein konsumfreudiges Publikum anziehen. Wie schaffen es manche Veranstalter:innen trotzdem, Line-up, Tür und Club frei von rechten Strukturen zu halten? 

Hard Tekk
(Bild: Screenshots social media)

Vom Rave zum Reich: Ein Hardtekk-DJ mit Nazi-Symbolik. „Hunnel“ seine Katze, Reichsflagge und ein abgekürztes "Herz für Hitler" zeigten Christian H. seine Social-Media-Profile.

Wie es begann: Unsere Recherchen zu Strezzkidz, EFN und WAO

Das Kollektiv "Geradedenken" löste Anfang 2023 einen Shitstorm in der Tekk-Szene aus. Wir machten damals auf eine Party im Berliner KLUB SEZ aufmerksam, auf der die DJs „Anormal & Hunnel“ spielten. Letzterer fiel in der Vergangenheit z.B. mit dem Teilen eines Bildes mit sichtbarem Hakenkreuz-Sticker auf Instagram auf. In Folge des Shitstorms beendete das Label „Strezzkidz“ die Zusammenarbeit mit „Anormal & Hunnel“ (A&H), der "SEZ Club" bekam einen neuen Betreiber und das Label EFN distanzierte sich von A&H, rechtem Gedankengut sowie "Hunnel" und seinem Umfeld. 

"Früher Straßenterror, heute Hardtekk auf Crystal"1

Runde Zwei unserer Auseinandersetzung mit dem Komplex Strezzkidz-EFN begann, als wir auf das Frankfurter Mainstream-Label WAO (We Are One) aufmerksam gemacht wurden. Diese buchten plötzlich die Strezzkidz-Acts und A&H-Buddies „Kannadiss“ und „Zahni“. Beide stehen trotz Distanzierung ihres Labels weiter mit A&H auf der Bühne – und das nicht nur auf normalen Partys, sondern z.B. auch auf der Geburtstagsparty ihres extrem rechten Schlägerfreundes Ronny G. („Randale Ronny“ trägt u.a. einen SS-Spruch als Tattoo auf der Brust). Dieser stand vor einigen Jahren vor Gericht, da er an einem brutalen Angriff auf eine syrische Familie beteiligt war. WAO sagte „Kanadiss“ dank der Hinweise verschiedener Künstler:innen schließlich ab, jedoch blieb das Line-up-Sharepic mit ihm weiter auf ihrem reichweitenstarken Account online und es erfolgte kein offizielles Statement durch WAO. 

Bei der nächsten Party sollte „Zahni“ auflegen, und auch dieses Booking wurde nur unter Druck zurückgezogen. Das Verhalten von WAO wurde uns hierbei als uneinsichtig und widerwillig beschrieben. Wichtig: WAO ist bisher nicht als explizit rechter oder rechtsoffener Veranstalter in Erscheinung getreten, sondern wird eher als profitorientiert beschrieben. Das stellt jedoch das eigentliche Problem dar: Hier bestanden keine Bedenken, rechten / rechtsoffenen Acts eine Bühne zu geben, was üblicherweise aus kommerziellen Beweggründen unterlassen wird – eine für uns neue Entwicklung im Techno-­Mainstream.

Diese Einschätzung wird unterstützt von Recherche-Ergebnissen der Gruppe "EXIF" zum "KitKat"-Club, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen. Was den Zusammenhang „Nazis im Laden = Schlecht fürs Geschäft“ angeht, ist der Zug bei den „Strezzkidz“ und „EFN“ wohl leider abgefahren. Zwar distanzierte man sich wegen A&H voneinander, inzwischen läuft die Kooperation jedoch munter weiter. 2023 gab es mehrere Partys, bei denen beide Labels erneut in unterschiedlichen Konstellationen zusammenarbeiteten und auch „DJ Hunnel“ erneut auflegte. 

Das EFN-Label veranstaltet zudem gerne Partys im Berliner "M-BIA"-Club, wo nicht nur eine "Rammstein"-Aftershowparty stattfand, die wir kritisierten – auch die Acts „Luuzz & Kanndiss“ und "EFN Residents" legen dort auf. Diese sind eng mit Leuten verbunden, die wir als „offen rechts” lesen (z.B. dem Besitzer des „W.T.F. Clubs“, der eine 88 im Nacken tätowiert trägt, aber auch „Hunnel“ bzw. „Randale Ronny“). 

Unsere Befürchtung: Hier etabliert sich mitten in Berlin eine rechte Wohlfühlzone.

Keine Überraschung aus dem KitKatClub

In einer Recherche zu rechten Strukturen innerhalb der Berliner Security- und Kampfsportszene kam die Rechercheplattform EXIF zu Erkenntnissen über einige Türsteher des "KitKatClubs". Dem wird folgende Einschätzung vorangestellt: „(...) ist die Position des Türstehers für viele Securitys besonders reizvoll. Clubs, die hier auf muskelbepackte Kampfsportler setzen, holen sich damit jedoch häufig auch Vertreter der organisierten Kriminalität ins Haus – oder werden unter Umständen unter Druck gesetzt, dies zum Zwecke des Drogenhandel zu tun“. Weiterhin geht EXIF im Detail auf die Berliner Szene ein: „(…) gemeinsam mit Dustin B. und weiteren „Ostfront“-Hooligan ist Richard A. aktuell als Türsteher im Techno-Club „M-Bia“ am Berliner Alexanderplatz tätig. (...) Dass die Betreiber*innen des weltweit bekannten „KitKatClub“ in Berlin-Mitte nicht wissen, wer seit Jahren ihre Räume und ihr Publikum absichert, ist allerdings schwer zu glauben.“ 

Die Erfahrungen von "Geradedenken" mit dem "KitKatClub" passen hierzu. Vor zwei Jahren gelang es uns etwa, einen Auftritt des rechtsoffenen sogenannten „Querdenkers“ Michael Bründel („Captain Future“) zu verhindern. Die Betreiberin verteidigte ihn darauf u.a. mit der Begründung „Er würde keinen Schwarzen im Wald liegen lassen. Andere schon.“ Weiter ging es im Sommer 2023, als der Musiker Till Lindemann mitten im Rammstein-Mißbrauchskandal nach seinem Konzert im "KitKat" feierte, was wir ebenfalls öffentlich machten. 

Dass es rechte Secus gibt und z.B. auch andere Berliner Locations wie die „Musikbrauerei“ mit Veranstalter:innen aus der rechten sowie verschwörungsideologischen Szene kooperieren ist nicht neu. Aber muss das so wirklich sein? Wir glauben: Nein. Die Berliner Clubszene gilt als globaler Hotspot für soziales Experimentieren und individuelle Freiheit. Verdrängung findet (leider) auch hier permanent statt, von linken Strukturen erkämpfte Freiräumen sind oft leichte Beute für Investoren. Wir glauben jedoch: Es wäre fatal und eine vertane Chance, deswegen darauf zu verzichten, gerade hier fundamentale Änderungen anzustoßen. 

Zum Beispiel: Indem wir den progressiven Ruf der Stadt beim Wort nehmen und zeigen, dass Nachtleben, Security-Branche und rechte Strukturen eben nicht untrennbar miteinander verknüpft sein müssen. Denn das geht. Veranstalter:innen haben die Möglichkeit, mit linken Security- und Awareness-Crews zusammenzuarbeiten. Auch professionelle Awareness-Crews erkennen problematische Verhaltensmuster, wie sie häufig im Kontext von rechten Secus, desinteressierten Veranstalter:innen und organisierter Kriminalität auftreten. Als Resultat erleben Menschen, wie sich gelebte linke Werte anfühlen – ein potentieller Einstieg in eine linke Politisierung. 

Auch wenn es um Acts geht, die sich nachweisbar rechts oder verschwörungsideologisch äußern, gibt es zahlreiche Positivbeispiele, wie eine klare Grenze gegenüber intoleranten Haltungen gezogen werden kann, ohne selbst intolerant zu sein. Weisen wir auf problematische Acts hin, gehen wir zuerst von einem Bookingfehler aus – und haben damit in der Regel Erfolg. Eskalierende Situationen wie die um den "KLUB SEZ" werden von der Branche registriert und vermieden.

Aber was bringt diese Arbeit der Linken?

Im Sommer 2023 haben wir als "Geradedenken" eine große Bündnisdemonstration gegen den Weiterbau der Berliner Stadt­auto­bahn A100 mitinitiiert. Teil des Bündnisses waren zahlreiche bedrohte Clubs und linke sowie klimapolitische Initiativen. Die Demonstration fand ein europa­weites Echo – und zwar vor allem, da sie auf Grund ihres gemischten Charakters aus Rave und ernsthaften Inhalten allen Teilnehmenden konkret vor Augen führte, welche freiheitliche Lebensweise vor Ort bedroht ist. Die Clubszene bietet in ähnlicher Weise einen dauerhaften Zugang zu diesem Vorgehen. Was hier an linken Werten erkämpft wird, findet nicht nur in einer oft leider geschlossenen Bubble aus ohnehin bereits links denkenden Menschen statt. Es berührt auch die Lebensrealität von noch nicht (links) politisierten Menschen und generiert damit Aufmerksamkeit für linke Talking Points. Darin liegt unserer Meinung die Chance bei der Beschäftigung mit rechten Strukturen innerhalb der Clubszene.

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    Songzeile aus „Mask Off“ von PTK und Sechser