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„European Fight Night“ - Internationales Treffen kampfwilliger Neonazis

Exif-Recherche (Gastbeitrag)
Einleitung

Bis zu 400 Neonazis aus ganz Europa versammelten sich am 6. Mai 2023 in der Peripherie Budapests zur ersten „European Fight Night“ (EFN). Dabei griffen die OrganisatorInnen auf ein altbewährtes, europäisches Netzwerk zurück, bestehend aus der deutschen „Kampfgemeinschaft“, lokalen, befreundeten Strukturen und Verbündeten aus der elitären Neonazi-Bruderschaft „Hammerskin Nation“.
Eine ungekürzte Version dieses Artikels kann online bei exif-recherche.org nachgelesen werden.

Die „European Fight Night“ am frühen Nachmittag aus Vogelperspektive.
(Bild: Exif Recherche)

Die „European Fight Night“ am frühen Nachmittag aus Vogelperspektive.

Sattes Grün und knallgelbe Rapsfelder säumen die endlosen Landstraßen hin zu dem kleinen Ort Csókakö in Ungarn, 80km entfernt von Budapest. Es ist 12.49 Uhr, als der Zug aus Richtung Budapest an dem fast menschenleeren Bahnhof eintrifft und die ersten Neonazis das Bild der Idylle brechen. Später kommt ein weiterer Zug an, der die nächste Gruppe an den Schleusungspunkt bringen wird. Mit einigen Autos fährt ein Shuttle zum eigentlichen Austragungsort.

Ende 2022 kursierten erste Ankündigungen, dass die EFN das Event der Neonazi-Kampfsportszene 2023 werden würde. Einfluss darauf hatte vor allem das seit 2013 bestehende deutsche Format „Kampf der Nibelungen“ (KdN), das für seine Reichweite und Professionalität bekannt ist. Seit 2019 ist es diesem in Deutschland von den Behörden untersagt, eigene Veranstaltungen unter dem Label zu organisieren.

Im Kampf um das Recht

Eine Woche vor dem Event verhängten die deutschen Behörden etliche Ausreiseverbote und  Meldeauflagen. Seit 2022 wurden diese Maßnahmen verstärkt genutzt, um Auftritte deutscher RechtsRock-Bands im Ausland zu verhindern. Diese würden dem „Ansehen der Bundesrepublik Deutschland“ im Ausland schaden, heißt es in den behördlichen Schriftsätzen. Ebenso wurden auch die Maßnahmen gegen die Neonazis um den KdN begründet. Dem Dortmunder Neonazi Alexander Deptolla etwa, der als Aushängeschild des Formats gilt, sei vor der EFN seine Passnummer für alle europäischen Länder gesperrt worden. Auch weil er als „Gefährder“ gelistet wird. Gebetsmühlenartig wurde deshalb gefordert dass alle Betroffenen gegen die Verbote klagen sollen. Über 20 Personen aus Deutschland dürften es gewesen sein, die dem nachgingen und letztlich in Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten Recht bekamen.

Plan B

Ein Teil des Organisations-Teams aus Deutschland, allen voran Deptolla, reiste bereits am Donnerstag nach Budapest. Weitere folgten, als klar wurde, dass die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden ins Leere laufen. Selbstsicher stellt Deptolla in einem Video Freitagmittag fest: „Die Veranstaltung morgen findet zu 100% statt.

Am Freitagabend traf dann ein Großteil der Kämpfenden selbst in Budapest ein und fand sich im Clubhaus von „Légió Hungária“ in Budapest ein, wo das Wiegen der Kämpfer stattfand. Zu diesem Zeitpunkt war den OrganisatorInnen bewusst, dass das Event aufgrund einer Ansprache der ungarischen Behörden an den Betreiber des angedachten Austragungsortes nicht wie geplant in Budapest ausgerichtet werden kann. Stunden verstrichen dann am Samstag, bis ein Plan B verkündet wurde. Über mehrere Schleusungspunkte wurde zum Bahnhof in Csókakö mobilisiert, von wo es zu einem Fußballplatz am Rande der Gemeinde ging. Spontan hatte man die EFN zu einem Outdoor-Event verwandelt. Die Polizei sicherte die Zufahrtswege und führte Personenkontrollen durch.

Ungarische Verhältnisse

Im Nachgang des Events schilderte der Bürgermeister Fűrész György die Situation aus seiner Sicht. Ihm sei das Ausmaß der Zusammenkunft nicht bewusst gewesen. Er sei vor Ort gewesen und habe versucht, das Treiben zu unterbinden, doch weder er noch die Polizei hätten vor Ort „illegale politische Aktivitäten“ feststellen können. Die OrganisatorInnen hätten ihm erklärt, dass sie keine Neonazis seien, sondern ­eine „konservative, kämpferische Organisation“.

Eine oberflächliche Recherche hätte genügt, um dies zu widerlegen. „Légió Hungária“ fällt seit Gründung 2018 durch Angriffe auf die LGBTQI+-Bewegung und die jüdische Community in Budapest auf, ist Mitorganisator des jährlichen NS-verherrlichenden „Tag der Ehre“ und hat u.a. Überschneidungen zu den „Hungarian Hammerskins“ und der rechts­terroristischen Gruppe „Combat 18“.

Die Distanzierung des Bürgermeisters ist kaum glaubhaft, auch weil er es war, der in Csókakö einst ein Denkmal für Miklós Horthy einweihte. Horthy war mitverantwortlich für die Deportation von rund 600.000 ungarischen Jüd*innen in deutsche Vernichtungslager und war Verbündeter Adolf Hitlers. Ein erklärter Antisemit, und das bereits in den 1920er Jahren. Ein Denkmal für diesen zu errichten, noch bevor Viktor Orbán 2017 Horthy einen „Ausnahmestaatsmann“ nannte, ist eine unmissverständliche Geste. Aus seinen Verbindungen in die extreme Rechte macht Fűrész György ansonsten auch keinen Hehl. So war er u.a. auf ungarischen RechtsRock-­Konzerten zu Gast.

Das altbewährte Netzwerk

Für die EFN griff man auf bewährte Abläufe zurück. „Légió Hungária“ kümmerte sich um Aufbau und Logistik, während das Netzwerk des KdN gemeinsam mit Tomasz Szkatulski, dem Kopf von „Pride France“, die inhaltliche Ausrichtung ausführte. Der wegen rassistischer und queer-feindlicher Übergriffe in Frankreich bekannte Szkatulski verwaltete zudem den Ticket-Vorverkauf. 25 Euro kostete ein Ticket.

Vor Ort war Alexander Deptolla Haupt­ansprechpartner für die deutschen Kämpfer, während Henrik Ostendorf aus Bremen die Moderation übernahm. Deptolla, Ostendorf und der führende deutsche "Hammerskin" Malte Redeker stellen seit Anbeginn das Kern-Team des KdN. Gergely Csirke, Oberhaupt der „Hungarian Hammerskins“ und im Führungsstab von „Légió Hungária“ tätig, übersetzte bei der EFN die Reden Ostendorfs ins Ungarische.

Eduardo Chapela, führender "Hammerskin" in Spanien, wirkte als Ringrichter so wie schon etliche Male zuvor auf den Events des KdN. Im Team-Shirt des KdN bekleidet, fand sich auf der EFN auch Wolfgang B. als Zeitnehmer während der Kämpfe ein. Er gehört den „Westwall Hammerskins“ an, betreibt seit Jahrzehnten Kampfsport und bewegt sich in der Hooligan-Szene.
Weitere Neonazis aus dem engsten Umfeld von Deptolla in Dortmund fanden sich ebenfalls ein. So war Steven Feldmann in den Ablauf der Kämpfe involviert, während André P. den Verkaufsstand des KdN betreute.

Vor Ort fand man zudem Produkte von „Pride France“ und vom ungarischen Label „Homeland and Family“ neben denen der Cottbuser Neonazi-Marke „Black Legion“. Um den Stand letzterer fanden sich u.a. Rocco W., Axel M. und Daniel Grätz ein. Während Axel M. als Kopf des Labels gilt, ist Grätz vor allem als Mitbetreiber der Gaststätte „Deutsches Haus“ in Burg im Spreewald bekannt, wo zuletzt im ­Juli 2022 ein Treffen des ultra-rechten Verlags „Jungeuropa“ stattfand.

Mit der Dokumentation des Events waren Anhänger von „Légió Hungária“ betraut wie auch ein Team um Benjamin Moses vom rechten Medienprojekt „Balaclava Graphics“ aus Bautzen. Er begleitete wenige Wochen zuvor Patrick Schröder von „FSN-TV“ aus Bayern zu einem Kampf­sport-Training nach Bulgarien. Auch Schröder war bei der EFN zu Gast. Aktuell ist er im Impressum des Web-Shops der Neonazi-Marke „White Rex“ zu finden, dem Wegbereiter der rechten Kampfsport­szene schlechthin. Die dafür vor Schröder verantwortliche „Fighttex AG“ aus den Reihen der "Hammerskins" in der Schweiz gab im März 2023 ihre Liquidation bekannt.

Als Gast war auch Günther A. aus Österreich vor Ort. Er ist ein Weggefährte von Thorsten Heise, u.a. Kopf der „Arischen Bruderschaft“. Auf der EFN präsentierte A., der mehrfach u.a. wegen NS-Wiederbetätigung in Haft saß, ein Shirt dieser "Bruderschaft".

Die „Kampfgemeinschaft“

Den Hauptkampf der EFN bestritt Tomasz Szkatulski, der aus Polen stammt, jahrelang in Frankreich aktiv war und heute in Bulgarien wohnt. Vergangenes Jahr erlangte er Bekanntheit durch seine Teilnahme am schwedischen Underground-Kampfsportformat „King Of The Streets“. Auch dort störte sich niemand an seinen tätowierten Hakenkreuzen. „Denislav A.“, Szkatulskis Gegner auf der EFN, besitzt ebenfalls eine Vielzahl von NS-Tattoos, u.a. den Leitspruch der SS, „Meine Ehre heißt Treue“. Er trat auf der EFN für die bulgarische Neonazi-Hooligangruppe „Private Party – Levski Sofia“ an.

Aus Deutschland trat mit zwei Kämpfern das Team „Preußen Gloria“ an, ein Zusammenschluss teils langjährig aktiver Kampfsportler, der sich aus der neonazistischen Bruderschaft „North­sidecrew“ aus dem Süden Brandenburgs rekrutiert. In Ungarn stieg u.a. Martin R. in den Ring, der von Lucien S. gecoacht wurde. Ein anderer, bislang unbekannter Kämpfer des Teams, kämpfte gegen einen Finnen von der Gruppe „Veren Laki“, die in Helsinki eng an die „Hammerskins Finland“ angebunden ist.

Sören Radtke aus Schleswig-Holstein reiste ohne Team an, brachte dafür seine Partnerin und zwei Kleinkinder mit nach Budapest. Er ist als Model für die neonazistische Sportmarke „Resistend Sportswear“ tätig und trainiert an seinem Wohnort im „Nordic Sport-Club“. Der Sport-Club behauptete 2018, dass man durch den Sport eine De-Radikalisierung bei Radtke bewirken könne.
Auch Julian M. aus Ostsachsen bestritt einen Kampf in Ungarn. Er ist Teil der deutsch-österreichischen Gruppierung „Wardon 21“. Mit dieser Gruppe organisierte Julian M. am 20. April 2019 einen „Führermarsch“ im sächsischen Elbsandsteingebirge mit, zu Ehren Adolf Hitlers. Auch sein Coach in Ungarn, Sebastian G. aus Berlin, gehört seit letztem Jahr der Gruppe an. Er ist zudem führendes Mitglied des Berliner Ablegers von „Der III. Weg“. Abgesandte der Jugendorganisation der Partei, der „Nationalrevolutionären Jugend“, waren in Ungarn vor Ort, darunter Erik S. und Frank S. aus Berlin und Umland.

Mit zwei weiteren Deutschen präsentierte sich auch Dennis D. aus Bremen mit einem Shirt der „AG Körper & Geist“ der Partei „Der III. Weg“ in Ungarn. Er gilt als Schlüsselfigur der neonazistischen Hooliganszene in Bremen und war auf den Events der extrem rechten Kampfsportszene in den letzten Jahren Teil des „Nordic Fightclub“. Unmittelbar neben der Gruppe um Dennis D. befand sich im Publikum auch Jan Lukas G. aus Rheinland-Pfalz, der ebenfalls in der „AG Körper & Geist“ aktiv ist und 2019 beim neonazistischen „Tiwaz“-­Turnier als Kämpfer antrat.

Martin Langner aus Ostthüringen, der bei der EFN einen Kämpfer betreute und schon auf mehreren Events des KdN in den Ring stieg, fand schon vor Jahren den Anschluss an die Partei „Der III. Weg“. Er ist Headcoach des „Barbaria Sportgemeinschaft e.V.“ in Schmölln. Nachdem der ursprüngliche Standort des Gyms im Frühjahr 2021 einem Brand zum Opfer fiel, ersteigerte Langner im Mai 2022 in Schmölln einen Industriekomplex, wo bereits Trainings des „Der III. Weg“ stattfanden. Im Dezember 2022 wurde außerdem versucht dort ein RechtsRock-Konzert durchzuführen.

Auch Marcel Z. schien bei der EFN in die Vorbereitung der Kämpfer involviert gewesen zu sein. Er ist Führungsfigur der neonazistischen Bruderschaft „Barnimer Freundschaft“ im Norden Brandenburgs. Gemeinsam mit der in der „Organisierten Kriminalität“ tätigen Neonazi-Bruderschaft „Turonen“ war die Gruppe um Zech 2017 und 2018 an der Organisation der RechtsRock-Großevents „Rock gegen Überfremdung“ in Themar und Apolda beteiligt.

Neben insgesamt acht deutschen Kämpfern wurde die Fightcard der EFN vor allem von zwölf ungarischen Neonazis dominiert, hauptsächlich aus dem Kreis der „Légió Hungária“. Zudem kursiert in den sozialen Netzwerken ein Foto, auf dem Kämpfende dieser Budapester Gruppe, sowie Anhänger der Hooligan-Gruppen „Militant Jugend“ und „Kispest Troublemakers“ gemeinsam posieren. „Militant Jugend“ ist die seit 2020 bestehende „Jugendgruppe“ der Hooligans des Fußballclubs Honvéd aus Budapest-Kispest. Kopf der Gruppe ist Zoltan Suhajda, der auf der EFN die Kämpfenden koordinierte. Er tritt selbst seit Mitte der 2010 Jahre auf neonazistischen Kampfsport-Events als Kämpfer an. Im Jahr ihrer Gründung verdeutlichte die „Militant Jugend“ ihre neonazistische Orientierung. Bei einem Kampf gegen andere Hooligans trugen die Mitglieder einheitlich rote Shirts mit aufgedrucktem Hakenkreuz. Ein solches Shirt wurde auch auf der EFN in Csókakö präsentiert. Mit einem anderen Shirt, auf dem ebenfalls ein Hakenkreuz prangte, präsentierte sich Suhajda auf dem rechten Kampfsport-Event „Pro Patria-Fest“ 2019 in Athen. Dort war er Trainer des Ungarn Jakab Adám, der bei der EFN in Csókakö ebenfalls eine organisatorische Rolle übernahm.

Darüber hinaus stellte die extreme rechte ungarische Gruppierung „Betyársereg“ („Banditenarmee“) auf der EFN einen Kämpfer. Diese gelangte 2011 aufgrund der Beteiligung an Gewalttaten auf Sinti*zze und Rom*nja im ungarischen Dorf Gyöngyöspata in die Schlagzeilen. Auch aus der Slowakei trat ein Kämpfer an, trainiert von Michal Petris vom „Panzer Tattoo Team“. Petris stieg wie Tomasz Szkatulski schon mehrfach bei „King Of The Streets“ in den Käfig.

Keine Überraschung war die Beteiligung der griechischen Neonazis um den „Pro Patria Fightclub“ an der EFN. Die Gruppe forciert seit Anfang der 2010er Jahre die Wehrhaftmachung der Szene und richtet seit 2014 eigene Turniere aus. Als in Athen 2019 das bisher letzte „Pro Patria Fest“ stattfand, reisten Neonazis aus ganz Europa an, darunter eine 20-köpfige Gruppe aus dem Kreis des KdN. Die Griechen sind seit Jahren Teil der Events des KdN in Deutschland, allen voran Themis Kanaris, der auch bei der EFN in Ungarn antrat. Sein Gegner war dort Michaël Biolley, der 2012 zum Vollmitglied der „Schweizer Hammerskins“ wurde und 2017 nach Tschechien zog. Biolley gehört dem Hooligan-Milieu in České Budějovice an und kämpfte auf dem extrem rechten Turnier „Virtus et Honor II“ im März 2023 in Tschechien.

Im Rahmen der EFN verbrachte Biolley u.a. mit dem französischen Hammerskin Jérémy Flament reichlich Zeit. Flament kämpfte 2014 auf dem „Ring der Nibelungen“ in Deutschland und war es auch, der 2015 das Clubhaus der „Lorraine Hammerskins“ im Nordosten Frankreichs erwarb. Vieles deutet außerdem darauf hin, dass der Schweizer Simon A. Teil der Reisegruppe um Flament und Biolley war. Eine Person auf einem Foto der Gruppe weist eine frappierende Ähnlichkeit zu A. auf und wurde in einem Kommentar außerdem als Schweizer bezeichnet. Genau ein Schweizer Neonazi soll zudem auf der EFN gekämpft haben. Simon A. selbst stammt wie Biolley aus der französischsprachigen Schweiz und kämpfte erst im September 2022 beim extrem rechten Turnier „Les Fils de Clovis“ in Paris. 2021 wurde bekannt, dass Simon A. der Jugendorganisation der Schweizer Volkspartei (SVP) im Kanton Wallis angehört und außerdem Mitbegründer der Neonazi-Organisation „Militants Suisses“ war.

Laut einem Kommentar zur EFN in einem Telegram-Kanal war aus der Schweiz auch Marco S. bei der EFN in Ungarn zugegen. Bekannt ist er als K1-Kämpfer des „Fight Basement Zürich“ und als Anhänger von „Combat 18“. Auf seiner Brust prangt als Tattoo der Leitspruch der Gruppe: „Whatever It Takes“.

Neben den erwähnten Personen sollen laut eigenen Darstellungen weitere Kämpfer aus den Niederlanden und Rumänien angetreten sein. Insgesamt sollen 18 Kämpfe stattgefunden haben.

Bestärkte Kampfgemeinschaft

Die EFN sah sich einer Reihe Hürden ausgesetzt. Dass die Maßnahmen deutscher Behörden vor Gericht nicht standhielten, mag verwundern, scheint doch das extrem rechte Netzwerk in Deutschland eine ­Menge Argumente zu liefern: Wehrhaftmachung der Szene, internationale Vernetzung gewalttätiger Gruppen, NS-Verherrlichung durch öffentliches Präsentieren der Tattoos und nicht zuletzt das Aufstacheln zum Straßenkampf. Das belegt u.a. verdecktes Videomaterial von einem Event des KdN in Ostritz im November 2018, wo Malte Redeker auf der Bühne erklärt, dass Kampfsport für „den Mehrwert auf der Straße, fürs Selbstvertrauen, für die körperliche Verfassung und für die viel beschworene Stunde, Tag X (…)“ gut sei.

Eindrücklich zeigte sich im Rahmen der EFN, dass es ohne das deutsche Netzwerk nicht läuft. Zehn Jahre seit Gründung des KdN kennen die Organisierenden die Handgriffe und wissen über die Kompetenzen der Mitstreitenden. Und ein Gelingen solcher Veranstaltungen setzt verlässliche Verbündete voraus, wie etwa die „Hammerskin Nation“. Zwingend notwendig war auch das Mitwirken von Partner-Organisationen wie „Pride France“ und „Légió Hungária“. Vor allem durch Letztere konnte so kurzfristig ein Plan B entwickelt werden. Mit den Ungarn sind vor allem die Neonazis um den KdN schon seit einigen Jahren im engen Austausch. Vertreter der „Légió Hungária“ nahmen an einem Aufmarsch am 1. Mai 2022 in Dortmund teil, während u.a. Dortmunder das Sport-Camp der ungarischen Organisation im Sommer 2022 besuchten.

Die EFN war nicht das größte Event seiner Art, doch sollte hier nicht die reine Anzahl der Teilnehmenden der Maßstab sein. Trotz Hürden so viele Neonazis aus ganz Europa zu versammeln – die jetzt von einer gelungenen Veranstaltung sprechen – verbuchen die Veranstaltenden nicht zu Unrecht als Erfolg.

Hinzu kommt der Charakter des Events: Statt nur zu konsumieren, funktionieren die Turniere interaktiv. Es wird zum mitfiebern animiert und zur Identifikation mit den Kämpfenden, vor allem weil die körperliche Unversehrtheit auf dem Spiel steht.

Gut die Hälfte der in Ungarn anwesenden Neonazis war in die Vorbereitung und den Ablauf involviert, eine Abgrenzung zum Publikum gab es kaum. Dies schweißt die Gemeinschaft zusammen. Zudem unterliegen solche Events einer Ästhetik, die man etwa auf RechtsRock-Konzerten vergeblich sucht. Statt betrunken und grölend, wurde der Nachmittag mit Gleichgesinnten im Freien bei Sonnenschein verbracht. Die Medienteams werden das Bildmaterial ansprechend aufbereiten, um über soziale Medien junge Menschen für ihren Kampf zu gewinnen. Dass zur EFN in Ungarn im Vergleich zu RechtsRock-Konzerten deutlich mehr Neonazis unter 30 Jahren anwesend waren, ist ein weiterer gravierender Unterschied, wie auch die Anwesenheit zahlreicher (Klein-)Kinder.

Das Überwinden der Repressalien in Deutschland und in Ungarn stärkt den Korpsgeist und schärft das Feindbild „Wir gegen den Rest“. Nach dem Austragungsverbot des KdN in Deutschland ist die Durchführung der EFN richtungsweisend. Nach langem Stillstand des KdN wurde sich auf neues Terrain gewagt und sich dabei erfolgreich ein Kampf mit dem Rechtsstaat geliefert. Das Orbán-Regime und die bis ins Hinterland verbreiteten rechts-nationalistischen Strukturen in Ungarn bieten Neonazis aus ganz Europa den dazu gehörenden sicheren Hafen, in dem einmal mehr ein militantes Netzwerk gefestigt und ausgebaut werden konnte.