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Die „Junge Alternative“ Brandenburg

Einleitung

Parolen, Stil und Vorgehensweise sind von der „Identitären Bewegung“ (IB) übernommen, Infrastruktur und Personal kommen aus dem Landtag: Die „Junge Alternative“ (JA) in Brandenburg hat einen neuen Modus neofaschistischer Jugendarbeit kreiert und in der Bundes-JA weitreichend durchgesetzt. Im AfD-Bundesvorstand gibt es nun Pläne, die eigene Jugend stärker unter Kontrolle zu bringen.

Anna Leisten
(Foto: Pressefuchs Brandenburg)

Die JA-Funktionärin Anna Leisten präsentiert öffentlich ein „Remigrations“-T-Shirt.

Seit Jahren pfeift die ultra-rechte „Identitäre Bewegung“ (IB) auf dem letzten Loch und trauert den Zeiten nach, in denen sie sich mit aufmerksamkeitshaschenden Aktionen vermarkten konnte. Heute stattdessen: nur noch ein paar Kleingrüppchen, Ideenlosigkeit und es misslingt, Schlagzeilen zu produzieren. Zur Zehnjahresfeier der IB im Juni 2024 im sächsischen Bernsdorf kamen gerade mal 100 Leute zusammen. Eine Hauptrednerin bei der kleinen Feier war Anna Leisten, die Landesvorsitzende der „Jungen Alternative“ (JA) in Brandenburg.

Vielleicht war es eine Art Staffelstabübergabe. Die JA hat längst wesentliche Funktionen der IB übernommen. Strukturiert als Parteijugendorganisation ist die JA Transmissionsriemen für die Verbreitung jener Konzepte in Mutterpartei und Gesellschaft geworden, die mit dem (mittlerweile umbenannten und umgeformten) „Institut für Staatspolitik“ (IfS)1 verknüpft sind: „Remigration“, „Mosaikrechte“, „Solidarischer Patriotismus“.

Vorreiter der Entwicklung des am Anfang recht konventionell aufgestellten Parteijugendverbandes war der Landesverband Brandenburg. In der Bundes-JA gilt dieser als besonders gut organisiert und innovativ. Nicht nur ist der JA-Bundesvorsitzende Hannes Gnauck Brandenburger, auch Anna Leisten dient als Beisitzerin im Bundesvorstand, zudem stammt das AfD-Bundesvorstandsmitglied Dennis Hohloch ebenfalls aus der Brandenburger JA. Der daraus resultierende Einfluss wird von der Brandenburger JA genutzt, um „identitäre“ Konzepte in Verband und Partei zu tragen. 

Beispiel „Mosaikrechte“: Das Schlagwort wurde vom früheren Neonazi Benedikt Kaiser geprägt und formuliert einen in der radikalen Rechten schon lange präsenten Gedanken neu, ein auf die AfD bezogenes Milieu von Bewegungsorganisationen, -szenen und -kulturen zu schaffen. Dienen soll das der Erringung einer „kulturellen Hegemonie“ und gleichzeitig auch als Bollwerk gegen die Reste des als „liberal-konservativ“ geschmähten Lagers in der AfD. 

ie Umsetzung folgte beim JA-Bundeskongress 2022 im thüringischen Apolda. Dort wurde, maßgeblich vorangetrieben von den Brandenburgern und bereits ein Jahr zuvor auf deren Landeskongress erprobt, eine „Messe“ ausgerichtet, auf dem sich die ganze Palette rechtsextremer „Mosaik“-Organisationen präsentieren konnten. Zum Feld der geförderten Akteure gehören unter anderem das „Compact-Magazin“, das IfS, „Ein Prozent“, der Comicverlag „Hydra“, die Zeitschrift „Die Kehre“, das Cottbuser Rechtsrocklabel „Subversion“ sowie Neben- und Beiprojekte der IB wie „Lukreta“, der „Phalanx“-Versand oder der Vortragsservice „Gegen-Uni“. Die Gestaltung der JA-Öffentlichkeitsarbeit erfolgt häufig in Zusammenarbeit mit dem „Filmkunstkollektiv“, das ebenfalls diesem Netzwerk entstammt.

Auch andere Teile der JA-Praxis in Brandenburg sind vom Repertoire des „Identitären“-Netzwerks inspiriert. Angekündigt ist die Eröffnung eines JA-Hausprojekts. Schon jetzt werden Kampfsporttrainings angeboten. Wie früher die IB posieren JA-Leute für Bannerdrops und andere Fototermine. Bisher ist die Resonanz auf die Angebote überschaubar. Beim RechtsRock-Konzert der JA Brandenburg Ende 2023 tauchten trotz aufwändiger Werbung kaum 100 Leute auf. Auf Social Media werden solche Veranstaltungen trotzdem als aufregende Erlebnisse inszeniert.

Im Brandenburger Landtagswahlkampf in diesem Jahr spielte die JA Brandenburg ihre PR-Fertigkeiten aus. Die Anzahl der Follower bei Instagram stieg im Laufe der Kampagne von 4.000 auf 20.000. Vom ex-IB-Funktionär Alexander Kleine („Malenki“) und dessen Medienservice „Tannwald Media UG“ ließ sich die JA das Online-Spiel „Deutschlandretter 24“ programmieren und vermarkten. Wieder zog die Provokationsstrategie: Das Spiel war zwar billigst produziert, taugte aber wegen seines rassistischen Zynismus zum „Skandal“. Zudem wurde ein KI-generierter „Remigrationshit“ veröffentlicht, der auf einer rassistischen Umtextung des "Atzen"-Rap-Schlagers „Hey das geht ab“ basierte. Bei der Wahlparty der AfD Brandenburg im September 2024 stellten sich eine Handvoll JA-Leute vor die Kamerateams und tanzten unbeholfen zu dem Stück – der Videoclip und damit die Remigrationsforderung wurde millionenfach in Nachrichtensendungen reproduziert.

In ihren Stellungnahmen präsentiert sich die JA Brandenburg als Gruppe von „Aktivisten“, die als Schlüssel zur Erreichung ihrer politischen Ziele Proteste erkannt hat. Die aus dem "Identitären"-Netzwerk bekannten Warnungen vor dem korrumpierenden Effekt von parlamentarischen Verdienstmöglichkeiten und zu schneller Einbindung in den etablierten Politikbetrieb werden von den JA-Leuten dementsprechend nachgeplappert. Jean-Pascal Hohm, der Gründungsvorsitzende der JA Brandenburg, führte in einem Interview aus, dass „junge Leute“ in erster Linie erst einmal „aktivistisch unterwegs sein sollten - Transparente malen, Sport machen, Lesezirkel bilden oder auch einfach mal in die Disko gehen“, sonst drohe eine Entfremdung vom einfachen Volk. Hier offenbart sich ein Widerspruch der JA-Praxis. Eigentümlicherweise steht der Kern der Brandenburger JA-Aktiven in Lohn und Brot der Partei: Fast alle haben oder hatten Jobs bei AfD-Abgeordneten. Die wichtigste Basis der JA ist der Potsdamer Landtag, wo die „Aktivisten“ ein und ausgehen und ihr Geld verdienen. Bereits seit der vorangegangenen Legislatur sitzen die JAler Felix Teichner und Dennis Hohloch im Landtag. Dazugekommen sind die Südbrandenburger Fabian Jank und Jean-Pascal Hohm, also jener Mann, der wortreich vor den Gefahren des Parlamentbetriebs warnte. 

Der 27-jährige Hohm hat wie Leisten seine gesamte politische Biografie im rechtsradikalen AfD-Milieu verbracht. Als Gymnasiast organisierte er 2015 Antiflüchtlings-Demonstratioen in Zossen. Im Amt als JA-Gründungsvorsitzender machte er unter anderem als Teilnehmer einer Delegationsreise zu einer neofaschistischen Gruppe in Italien auf sich aufmerksam. Früh suchte Hohm die Nähe zum IfS, der IB und Ein Prozent. In der Pandemie organisierte er in Cottbus teilnehmerstarke „Corona- Proteste“. Dabei war mehrmals einen Block vermummter Neonazis an der Spitze aufgestellt worden. 

Ob sich der hier umrissene gegenwärtige Kurs der JA verstetigt und bundesweit durchsetzt, ist indes nicht ausgemacht. Zwar fühlen sich die selbstbewussten Führungskräfte durch Medienaufmerksamkeit und Ostwahlerfolge in ihrem Kurs bestätigt. Allerdings liefert die JA laufend Material, das von den AfD-Strömungen, die sich die Möglichkeit einer moderaten Erscheinung offen halten wollen, schlecht schöngeredet werden kann. Die Argumente für die Hochstufung der Partei durch den Verfassungsschutz werden mit der gegenwärtigen JA immer stärker, gleiches gilt für das Prüfverfahren eines Parteiverbots. In der AfD-Spitze wird darum seit dem Sommer 2024 eine Umstrukturierung der JA angestrebt. Auf dem AfD-Bundesparteitag im Januar 2025 in Riesa soll der Beschluss gefasst werden, die jetzige JA durch eine neue Struktur zu ersetzen. Kurz vor der Bundestagswahl soll in der breiten Öffentlichkeit ein Signal gesetzt werden, dass die Partei durchaus gegen „Extremismus“ vorgehe. Alle Parteimitglieder unter 35 Jahren müssten laut diesen Plänen automatisch dem neuen Jugendverband angehören und wer dort Mitglied sein will, muss, anders als gegenwärtig, auch Parteimitglied werden. Die Jugendgruppe wäre durch dieses „Jusos-Modell“ näher an der Partei positioniert, dadurch vielleicht sogar einflussreicher und möglicherweise
besser vor staatlichen Angriffen geschützt. Allerdings könnte die Partei leichter Einfluss nehmen und Ordnungsmaßnahmen durchsetzen. Schutzschirm und Maulkorb für die Parteijugend also? 

Der JA-Bundeschef Gnauck befürwortet die Umstrukturierungsidee. Aus dem IB-Spektrum und der JA-Mitgliedschaft gibt es bislang keinen öffentlichen Aufschrei, jedoch ist durchaus ein Unwille zu erkennen, den IB-inspirierten und aktivistischen Status Quo infrage zu stellen. IB-Leitfigur Martin Sellner fürchtet eine „Entkernung“, warnt aber auch vor einer „Fundamentalopposition“ gegen den AfD-Bundesvorstand. Anna Leisten sekundiert, die JA dürfe ihren „Kern nicht aufgeben“, zumindest sei eine JA-Auflösung „zum jetzigen Zeitpunkt“ falsch. Im Februar 2025 steht in Apolda der nächste JA-Bundeskongress an. Die Abstimmungen dort können richtungsweisend für die rechte bis neofaschistische Jugendarbeit der nächsten Jahre werden. Um dem Plan des AfD-Bundesvorstands zu entsprechen, müssten dort 90 Prozent der Delegierten der Auflösung ihrer Organisation zustimmen – das kann schiefgehen.

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    Die Mitgliederversammlungen vom 28.2.2024 und 20.3.2024 haben die Auflösung des Vereins "Verein für Staatspolitik e.V." von Götz Kubitschek und Erik Lehnert beschlossen. Seit 2024 firmieren als eine Art Nachfolgeorganisationen die "Menschenpark Veranstaltungs UG" (Götz Kubitschek) und "Metapolitik Verlags UG" (Erik Lehnert).