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Der kurze Sommer der „Elblandrevolte“

Antifa Recherche Team Dresden (Gastbeitrag)
Einleitung

Seit Mai 2024 machte die Dresdner Neonazigruppe „Elblandrevolte“ Schlagzeilen. Die Berichte konnten dabei nicht immer überzeugen und trugen ihren Teil zur Selbstinszenierung und Popularität der Gruppe bei. Nach einem Jahr ist es Zeit für einen Rück- und Ausblick.

Elblandrevolte
(Bild: Screenshot von instagram)

Kurt A. (rechts) und Finley Pügner (links) posieren mit dem Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke (mitte) bei der Eröffnung der „Die Heimat“ Europazentrale in Berlin am 27. April 2024.

Medialer Hype und Wirklichkeit

Seit Mai 2024 machte die Neonazigruppe „Elblandrevolte“ Schlagzeilen. Mutmaßliche Mitglieder dieser Gruppe hatten den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden angegriffen und verletzt. Darüber hinaus zeigte sich die Gruppe verantwortlich für unterschiedliche neonazistische Mobilisierungen in Dresden und Umland, denen sehr junge Rechte folgten. Bundesweit berichteten Medien über die Umtriebe des Dresdner Ablegers der „Jungen Nationalisten“ (JN), der Jugendorganisation der NPD/Die Heimat. 

Die Berichte konnten dabei nicht immer überzeugen und trugen ihren Teil zur Selbstinszenierung und Popularität der Gruppe bei. Nach einem Jahr ist es Zeit für einen Rück- und Ausblick.

3. Februar 2024 – Gründung im „Haus Montag“ in Pirna

Am 21. Januar 2024 war auf einer Dresdner Demonstration der „Freien Sachsen“ seit langer Zeit wieder ein Banner der JN zu sehen. Ein paar Tage später, am 3. Februar 2024, fand die Gründung der „Elblandrevolte“ im „Haus Montag“ in Pirna statt. Die JN hatte zu einer Vernetzungs- und Schulungsveranstaltung eingeladen, an der auch die führenden Köpfe der späteren Gruppe teilnahmen. Das „Haus Montag“ ist eine der zentralen neonazistischen Locations in der Region und lokale Basis von NPD, „Freie Sachsen“ und „Compact-Magazin“. Auf der Schulung im Februar wurde die JN und deren „weltanschauliche“ Bezugspunkte vorgestellt. Auf einer Vortragsfolie war zu lesen: „Konkurrenz kam und verschwand wieder“ – ein Seitenhieb gegen die wenig wirksamen Organisierungsversuche des „Der III. Weg“ im Jahr zuvor. An der Schulung nahmen u.a. der zukünftige Stützpunktleiter Finley Pügner und Kurt A. teil.

1. August 2024 – Mobilisierung gegen den CSD in Bautzen

Am Hauptbahnhof in Dresden sammelten sich 200 Neonazis aus Dresden und dem Umland. Pügner gab mit Megafon den Ton an. Ziel der Gruppe war der CSD im 60 Kilometer entfernten Bautzen. Die Stadt gilt als rechte Hochburg und besonders mobilisierungsstark. Dem Aufruf der „Elblandrevolte“ folgten auffällig viele Jugendliche – vor allem angetrieben durch eine weitreichende Social-Media-Mobilisierung. Die Anreise lief jedoch nicht wie geplant. Antifaschistische und queere Aktivist*innen besetzten das Zuggleis: keine Abfahrt für Neonazis. Deren Reaktion war hilflos. Bisher waren sie weder auf polizeiliche noch größere antifaschistische Gegenwehr gestoßen. Letztlich sind Finley Pügner und sein Anhang gezwungen zum nächstgelegenen Bahnhof zu laufen und erreichen Bautzen mit über einer Stunde Verspätung. In Bautzen selbst schließen sich rund 700 Neonazis den Protesten gegen den CSD an und treten aggressiv auf. Dank antifaschistischem und queerem Selbstschutz verlläuft der Tag ohne größere Zwischenfälle.

16. Juni 2024 – JN-Sommersonnenwende in Eschede

In einem großen Kreis standen mehrere dutzend Personen mit Fackeln um ein Feuer. Die Männer trugen weiße Hemden und Zunfthosen, die Frauen lange Röcke und weiße Blusen. Ein Teil der Gruppe war mit Sturmhauben in Deutschlandfarben vermummt. Bei der Veranstaltung handelte es sich um die offizielle Sonnenwendfeier der JN im niedersächsischen Eschede. Die rund 40 Teilnehmer*innen waren ausschließlich Kader der Jugendorganisation der NPD/Die Heimat, darunter beispielsweise Michael Brück. Auch dabei: Finley Pügner, Alexander W. („Kixy“), Kurt A. und Emely K. – das Führungsquartett der „Elblandrevolte“.

Die Vier sind seit 2024 regelmäßig bei bundesweiten JN-Veranstaltungen anzutreffen. Diese gibt es seit 2023 wieder häufiger: Angeleitet und vorangetrieben von einigen erfahreneren Neonazis versucht sich die JN bundesweit neu aufzustellen. So auch in Dresden, der angeblichen „Hauptstadt der Bewegung“, wo die JN-Strukturen nach der Zerschlagung der „Freien Kameradschaft Dresden“ 2016 weitgehend am Boden lagen. Beim Aufbau der jungen Struktur mischen altbekannte Neonazis mit: Thomas Sattelberg und Max Schreiber aus Pirna oder Benjamin Moses aus Bautzen. Die Erwartungen an „die Neuen“ sind dabei recht hoch. So führte die „Elblandrevolte“ etwa den letztjährigen Neonazi-Aufmarsch anlässlich des 13. Februars in Dresden an.

14. September 2024 – Wanderung in der Sächsische Schweiz

Fünf Personen posierten mit „White-Power“ Zeichen vor einer Deutschlandflagge in der Sächsischen Schweiz. Im dazugehörigen Instagrampost hieß es großspurig: „Die Elblandrevolte hat die Sächsische Schweiz besetzt“. Angekündigt war eine „anspruchsvolle Spätsommerwanderung“ für 30 Teilnehmer. Tatsächlich aufraffen konnten sich gerade einmal sechs Personen. Die Gruppe scheiterte an ihrer eigenen Klientel: Veranstaltungen mit politischen Inhalten oder solche Wanderungen in heimatlicher Naturverbundenheit sind wenig spannend. Entsprechend schwer fällt neue Personen einzugliedern, politisch zu schulen und langfristig zu binden.

24. Oktober 2024 – TikTok live

Pügner ging auf TikTok live. Seit einem „Spiegel TV“-Beitrag im Sommer 2024 versucht Pügner die mediale Aufmerksamkeit zu nutzen. Im Livestream thematisierte Pügner die Hausdurchsuchungen gegen Anhänger der Neonazi-Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ in Berlin. Er fände die Razzien gut, da „die ganzen Leute dann vielleicht mal begreifen, das diese ganzen komischen Gruppen Müll sind“. Pügner mimt den Politkader mit Durchblick.

31. Dezember 2024 - „Da fliegen die Türen auf“

Das Gesicht der „Elblandrevolte“ sitzt (zeitweilig) in U-Haft. Gut zwei Monate nach seinen unbedarften Aussagen über die „komischen Gruppen“ in Berlin „fliegen“ bei Pügner selbst „die Türen auf“. Der Vorwurf: gefährliche Körperverletzung und Bedrohung. Eine Gruppe um den JN-Kader soll in Görlitz eine Kommunalpolitikerin der Partei „Die Linke“ angegriffen haben. Pügner wurde dabei die Sturmhaube vom Kopf gezogen. Bereits ein paar Wochen zuvor drohte er eben jener Politikerin ihr eine „reinzuschießen“ – alles auf Video am Rande einer Demo festgehalten. Mit der Festnahme wurde es schlagartig ruhig um die „Elblandrevolte“. Die „Kameradschaft“, die sie sich auf die Fahnen schrieb, erwies sich als brüchig. Ein paar wenige Instagram-Postings mit halbherzigen Solidaritätsaufrufen täuschen darüber nicht hinweg.

24. Februar 2025 – Comeback-Versuche

„Nach einer längeren Schaffenspause“ melde sich die „Elblandrevolte“ wieder zurück, hieß es Anfang Februar auf dem Instagram-Account der Gruppe. Rund 50 Jugendliche fanden sich vor der Altmarktgalerie ein, um den „Dresdner Montagsprotest“ zu unterstützen. Teile der Gruppe waren extra aus Chemnitz vom dortigen JN-Ableger angereist. Das Momentum vom Sommer ist allerdings weg. 

Die Rolle vom (zeitweilig) inhaftierten Pügner versuchen neue Personen einzunehmen. Max W. spielte den Anheizer und lief mit einem Megafon vor den Jugendlichen her. Ob das Substanz hat, bleibt abzuwarten.1 Zum 13. Februar, dem letzten verbliebenen Event der klassischen Neonaziszene, brachte die Gruppe nichts zustande: Es blieb beim Kleben einiger JN-Plakate. Von den noch im Vorjahr angekündigten Aktionen war nichts zu sehen. Auch der gemeinsam ausgerufene Zubringertreffpunkt zum großen Trauermarsch am 15. Februar 2025 entpuppte sich als Misserfolg. Nur wenige Personen kamen zum Treffpunkt, Alexander W. und Co. liessen sich schnell von der Polizei ans S-Bahn-Gleis schicken: Anstatt eines Vorabmarsches dann doch nur zwei Haltestellen mit dem ÖPNV zum Demoauftakt. Im Vergleich zum Vorjahr stellte die „Elblandrevolte“ hier nicht einmal einen eigenen Block, sondern schloss sich dem bundesweiten JN-Block an.

Ausblick

Die „Elblandrevolte“ wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Wegbrechende Kader kann sie nicht ersetzen. Trotz einiger Mobilisierungserfolge gehörten selten mehr als ein Dutzend Leute zur Gruppe – die Fluktuation war und ist hoch. Die „Weltanschauung“ der JN der mobilisierten, jungen Klientel zu vermitteln, gelingt kaum. Zudem werden die organisatorischen Defizite sofort deutlich, wenn es für sie nicht nach Plan läuft. Das eröffnet Möglichkeiten für antifaschistische Praxis, wie die behinderte Anreise der Neonazis nach Bautzen zeigt. Dass die Gruppe in der Außenwahrnehmung (auch unter Antifaschist*innen) größer und professioneller wirkt, liegt nicht zuletzt an einer effekthascherischen Berichterstattung, die der „Elblandrevolte“ nicht nur zu größerer Reichweite verhalf, sondern gleichzeitig Hochglanzbilder für die eigene mediale Inszenierung auf Instagram und TikTok lieferte. Auch deshalb sollten sich Antifaschist*innen die Frage stellen, inwieweit eine solche Thematisierung der Gruppe die richtige Intervention ist oder nicht viel mehr der Fokus auf die Zerschlagung ihres mobilisierbaren Umfelds gelegt werden sollte.

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    Eine Woche später gab Max W. auf Instagram bekannt nicht mehr Teil der JN zu sein.