„Treue für Treue“. Fallschirmjäger – elitäre Kampfgruppe für die völkische Idee?
Martina RennerWill man den Charakter der größten Rechtsterrorgruppierung, der je der Prozess gemacht wurde, die „Patriotischen Union“ ("Gruppe Reuß") verstehen, lohnt es einige Protagonisten mit einer spezifischen Vergangenheit in der Bundeswehr zu beleuchten.

Der wegen Rechtsterrorismus angeklagte Rüdiger von Pescatore war der letzte Kommandeur des "FSchlJgBtl 251".
Dies auch, weil antifaschistische Recherche dem stetigen Bemühen der Angeklagten wie ihrer Verteidigung, die rechtsterroristischen Planungen zu entpolitisieren und ins Lächerliche zu ziehen, entgegenarbeiten und dabei insbesondere die haltlose Erzählung zurückweisen müssen, es seien unter dem Eindruck der Flüchtlingsdebatte und der Pandemie spontan radikalisierte Verschwörungsanhänger aber keine organisierten Protagonisten der extremen Rechten gewesen.
Deshalb sollen hier die zentralen Akteure des sogenannten militärischen Arms genauer charakterisiert werden. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass in fast jedem Komplex, der in den letzten Jahre bekannt geworden ist, bei dem es um die Vorbereitung eines rechten Umsturzes ging, Verbindungen zu Spezialeinheiten der Bundeswehr oder dem „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) eine Rolle spielten. Erwähnt sei hier exemplarisch Franco Albrecht, "Nordkreuz", Waffen-, Sprengstoff-, und Munitionsdiebstahl beim KSK.
Was ist das verbindende ideologische und strukturelle Element und gibt es Querbezüge, die auf ein größeres Netzwerk verweisen, sind die Fragen, die hier erörtert werden sollen.
Zentrale Akteure der militärischen "Kommandoebene" der "Patriotischen Union" sind Eder, von Pescatore und Wörner. Der Angeklagte Ex-Oberst der Bundeswehr Maximilian Eder war seit 1995 im "Kommando Spezialkräfte" (KSK) in einer Führungsposition und der ebenfalls dem militärischen Arm der "Patriotischen Union" zugerechnete Rüdiger von Pescatore war Kommandeur des "Fallschirmjägerbataillon 251" (FSchJgBtl 251), eine oder vielleicht die zentrale Einheit, die 1996 in das KSK überführt wurde und diese prägte. Hinzu kommt Peter Wörner, der unter von Pescatore ebenfalls dem FSchJgBtl 251 diente.
Obwohl die politische Radikalisierung von Maximilian Eder in den Medien oft mit der Corona-Pandemie in Verbindung gebracht wird, blickt auch er auf eine explizit rechtsaußen Vita in der Bundeswehr zurück. Nachdem der damalige Kommandeur des KSK Brigadegeneral Günzel a.D. den CDU-MdB Hohmann für seine antisemitische Rede zum Tag der deutschen Einheit 2003 überschwänglich gelobt hatte, wurde dieser in den einstweiligen Ruhestand versetzt und ohne militärische Ehren entlassen. Eder organisierte darauf eine eigene Verabschiedung unter dem Namen „Operation Phoenix“. Zu dieser sollen laut Eder etwa 100 Soldaten angetreten sein. Das Verteidigungsministerium zog damals keine Konsequenzen, Eder wurde kurz später ins NATO-Hauptquartier nach Brüssel entsandt.
Bevor man sich in die Geschichte und Vorfälle der Einheiten eingräbt, lohnt ein Blick auf den Mythos Fallschirmjäger, wie er im Nationalsozialismus begründet wurde. 1935 erstmalig durch Erlass durch Hitler aufgestellt, wurde diese Waffengattung schnell eine Folie auf der die NS-Propaganda das Bild einer heroischen unbesiegbaren Eliteeinheit zeichnete. Die Fallschirmtruppe wurde aus Freiwilligen des „Regimentes General Göring“ gebildet, die wiederum sich aus nationalsozialistischen Polizisten speiste. Das Motto „Treue für Treue“ (erst 2014 durch Erlass abgeschafft) versinnbildlicht die fast persönliche Bindung an das System wie die Binnenbeziehung unter den Soldaten als eingeschworene Gemeinschaft bis in den Tod.
Wer glaubt vor dem Hintergrund einer NS-Eliteeinheit der Wehrmacht, die vielfach Massaker und andere Kriegsverbrechen verübte, hätte die junge Bundesrepublik und die neu gegründete Bundeswehr den Bruch mit Personen wie Traditionen gesucht, der irrt. Bezeichnend für die Reorganisation der NS-Veteranen kann der „Bund ehemaliger deutscher Fallschirmjäger“ gelten. Hier versammelt sich revanchistisches Denken, Ablehnung der jungen Demokratie und unverhohlener Personenkult zu Nazi-Wehrmachtgrößen. All dies offen und nachlesbar für die Verantwortlichen auf der Hardthöhe und ohne Konsequenz.
Ganz im Gegenteil: Hitlers Elitekommandeure und Kriegsverbrecher prägten den Wiederaufbau der Fallschirmjägereinheiten im Allgemeinen wie auch zu dem hier in Rede stehenden Bataillon. Erster Kommandeur des FSchJgBtl 251 mit Sitz in Calw wurde Oberst Gerhard Schirmer. Er steht prototypisch für Hitlers Fallschirmjäger. 1932 trat er bei der sächsischen Landespolizei ein und ging 1935 zur Luftwaffe. Ab 1939 im "Fallschirmjägerregiment 2" an Einsätzen in Holland und Griechenland (wo er als Hauptmann am Kreta-Einsatz teilnahm) und der Sowjetunion beteiligt, später im "Regiment 5" in Nordafrika wurde Schirmer im Februar 1944 Kommandeur des „Fallschirmjäger Regiment 16 (Ost)“. Seine Einheit ging besonders erbarmungslos gegen die Partisanenbewegung in Litauen vor. Auch deshalb wurde Schirmer in der Sowjetunion zu 25 Jahren Haft verurteilt, allerdings kehrte er 1956 nach Deutschland zurück. Die sogennannte „Schirmer-Gemeinschaft“ vertrieb während seiner Haftzeit Postkarten mit dem Bildnis von Schirmer, um seine Person wurde geradezu ein Kult betrieben.
1956 wird er Kommandeur der "25. Luftlandebrigade" der "1. Luftlande-Division". In Heft 9/1957 der Verbandszeitung „Der deutsche Fallschirmjäger“ wird von einem Besuch in Calw bei Schirmer berichtet. Dort heißt es durch den Autor: „ich kam in den Genuß eine neue Fallschirmjägerkompanie, mit einem bekannten Fallschirmjägerlied auf den Lippen, marschieren zu sehen.“ Zu der Traditionspflege gehörten aber nicht nur die faschistischen Lieder, sondern auch die besondere Verbundenheit mit der "78. Infanterie- und Sturmdivision" (Tübingen) namens „Eiserne Faust des Götz von Berlichingen“.
Es war dieser braune Geist der das "FSchJgBl 251" formte. 1988 schrieb Schirmer nun als Oberst a.D. über das "Fallschirmjägerregiment 16/Ost": „Was diese 3000 Soldaten (…) geleistet haben ist mit Worten sowieso nicht zu sagen. (…) Sie waren überzeugt, für das Lebens- und Selbstbestimmungsrecht, für den Lebensraum ihres Volkes bis zum Umfallen, bis zum Tod kämpfen zu sollen. (…) Ich stehe in ehrerbietiger Haltung vor den Leistungen dieses Regimentes und all seiner tapferen Männer.“
Rüdiger von Pescatore war der letzte Kommandeur des "FSchlJgBtl 251". Im Jahr 1999 wurde Pescatore vom Landgericht Tübingen zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, weil er in den Jahren 1993 bis 1996 sogenannte Fremdwaffen, welche die Bundeswehr zu Übungszwecken von der NVA übernommen hat, entwendet hatte. Ein Großteil der Waffen wurde nie gefunden, darunter Kalaschnikow, PPSch 41 und Makarov.
Vielleicht gab es schon damals Überlegungen im Falle einer militärischen Konfrontation mit der Sowjetunion sich zu tarnen für den Kampf hinter den Linien oder aber die Waffen im Zusammenhang mit False-Flag-Aktionen einzusetzen.
Es spricht vieles dafür, dass die Waffen damals auf dem Bunkergelände der "Eisbergkaserne" in Sulz am Eck versteckt wurden. Ein Soldat, der damals zum Wachschutz eingesetzt war, berichtet, dass obwohl offiziell auf dem Gelände eigentlich bei Auflösung von "251" und "252" gar nichts mehr gelagert worden war, 1997/1998 mehrfach versucht wurde nachts einzubrechen. Im Juni 2024 fand auf dem Bunkergelände eine Durchsuchungsmaßnahme der Generalbundesanwaltschaft (GBA) statt, mit dem Ziel dort von der „Reuß-Gruppe“ versteckte Waffen zu finden.
Ins Visier der Ermittler geriet ein Ehepaar, das dieses Gelände wie auch eine weitere ehemalige "Standortmunitionsniederlage" in Schleswig-Holstein in Todesfeld im Kreis Bad Segeberg im April 2015 für 170.000 Euro von der „Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten“ gekauft hatte. Interessant erscheint die Tatsache, dass das ehemalige Munitionslager im Landkreis Calw bereits 2006 für 162.344 Euro vom Ehepaar Specht/Welzel erstanden wurde. Das ehemalige Munitionslager in Schleswig-Holstein könnte für den Kreis um Pescatore interessant geworden sein, nachdem die übrig gebliebenen Waffen aus NVA-Beständen bei der Auflösung der "Eisbergkaserne" nach Schleswig-Holstein gebracht werden sollten. Dies wirft alles Fragen auf, ab wann der Kreis um Pescatore sich mit Plänen für einen bewaffneten Umsturz getragen hatte. Für die enge Verbindung von Pescatore und dem Ehemann des Käuferpaares spricht, dass Andreas Welzel selbst bei "FSchlJgBtl 251/252" gedient hat und mit von Pescatore seit den 1970er Jahren bekannt sein soll. Am Wohnort Althengstett wird er als eine Art „Reichsbürger“ beschrieben.
Der Mitverschwörer Peter Wörner unterstand von Pescatore im "FSchlJgBtl 251". Er zeichnet 1996 für Text und Inhalt einer Chronik zur "Fallschirmjägerbrigade 25" verantwortlich. Zudem war Wörner zeitweilig ein Tatverdächtiger im Ermittlungsverfahren gegen die neonazistische „Europäische Aktion“ (EA) der Staatsanwaltschaft Gera. Von der „Europäischen Aktion“ gibt es eine Reihe von Verbindungslinien zu der ehemals unter Rechtsterrorverdacht stehenden Gruppierung „Nordkreuz“.
Was bisher nicht bekannt ist: Von „Nordkreuz“, deren zentrale Akteure ebenfalls auf einen Tag X hinarbeiteten und sich mit Trainings und Anlegen von Waffenlagern vorbereiteten, führt eine Spur zur „Patriotischen Union“. So taucht die Bezeichnung "Eisbergkaserne", zu dem das Munitionslager gehörte das von Specht/Wenzel 2006 in Wildberg/Sulz am Eck gekauft wurde, auch in den Ermittlungsakten zu „Nordkreuz“ auf. In einer Vernehmung von André S. wird von mehreren sogenannten Safe-Häusern, gesprochen, darunter befindet sich auch die Bezeichnung „Eisberg-Kaserne“. Dabei wird auf eine „Chatgruppe Süd“ Bezug genommen, in der auch der verurteilte Rechtsterrorist Franco Albrecht Teilnehmer gewesen sein soll.
Auf alten Fotos aus der "Eisberg-Kaserne" sieht man einen riesigen Schriftzug im Flur „Klagt nicht, kämpft“ und darunter das Bildnis eines Wehrmachtsoldaten. Auch andere Neonazis verbrachten ihre Zeit bei der Bundeswehr unter Bataillonskommandeur von Pescatore. So zum Beispiel Steffen J., bei dem im Mai 1996 am Grenzübergang Eschlkam eine Waffe im PKW festgestellt wurde. Er hatte seine Ausbildung zum Waffenmechaniker für Handfeuerwaffen in der Waffenwerkstatt des "FSchlJgBtl 251" erhalten. Oder Willi K., ebenfalls ein "251er", der neben in Namibia in Thüringen lebt und in Kleinhelmers eine Baumschule betreibt. Hier lebte zeitweise auch Peter Wörner und betrieb von dort sein Survivalbusiness. Somit dürfte auch das Interesse der Strafverfolgungsbehörden auf Willi K. gefallen sein. Sein Facebook-Profil offenbarte zum Zeitpunkt der Reuß-Razzia eine extrem rechte Gesinnung und NS-Faible. Als Jäger besaß oder besitzt er legale Waffen. Ob die zuständige Behörde handelte, ist nicht bekannt.
Dazu müsste man die Netzwerke ausleuchten und konsequent auch gegen Mitwisser und Unterstützer vorgehen. Dies gelingt nur, wenn man die historischen Zusammenhänge klärt und weiß, woher die Kennverhältnisse und das gemeinsame Verständnis als elitäre Kampfgruppe für die völkische Idee herrührt. In diesem Sinne braucht es mehr Recherche, die den Blick in die Eliteverbände der Bundeswehr sucht und zu den Anfängen der heutigen Schatten-Soldaten zurückkehrt.
Die im Text aufgeführte „Europäische Aktion“ (EA) war ein international tätiger extrem rechter Zusammenschluss von Holocaustleugnern. In dem Sammelbecken von Holocaustleugnern finden sich womöglich noch mehr Überschneidungen zu den hier aufgeführten Protagonisten.
In der umtriebigen Holocaustleugner-Szene war das Fallschirmjäger-Idol Schirmer zumindest schon früh ein Begriff. In dem Buch des Neonazis Gerd Honsik „Freispruch für Hitler“ von 1988 taucht er als (Entlastungs-) "Zeuge Nr. 29" in seiner honorigen Funktion als „Oberst der deutschen Bundeswehr a. D., Ritterkreuzträger“ auf.1 Zu lesen ist dort unverblümt: „Wie konnten dann noch viereinhalb Millionen Juden überleben, so daß sie Wiedergutmachungsanträge stellen konnten?“ Das extreme rechte Organ der "Deutschen Volksunion" (DVU), die „Deutsche Nationalzeitung“ war offenbar ebenfalls stolz mit einem Bundeswehrfunktionsträger zu glänzen. Bilder zeigen Schirmer als Offizier der Wehrmacht und der Bundeswehr: „Auch Eichenlaubträger Gerhard Schirmer ist Mitglied der Deutschen Volksunion-Liste D geworden“.2 1987 kandidierte er auf der ersten Wahl-Liste der "DVU-Liste D".3 Die holocaustrelativierenden Ausführungen von Oberst a. D. Schirmer in „Freispruch für Hitler“ sind bis heute ohne große Mühe zu finden. In dem Buch ist auch ein Interview mit dem untergetauchten NS-Verbrecher Alois Brunner abgedruckt. Ein Leserbrief („Vergasungs-Anlage gebaut“) in der „Nationalzeitung“ und sein im ultra-rechten „Grabert-Verlag“ erschienenes Buch („Zehn Jahre in den Fängen der Sowjets“) gehen in die gleiche Richtung.4 Das Buch von Schirmer wurde 2002 vom Amtsgericht Tübingen eingezoggen und der Vertrieb in Deutschland verboten.5 Schirmer wurde zum Kronzeuge der Szene, da er unter anderem die Existenz von Gaskammern im Konzentrationslager Sachsenhausen anzweifelte. Diese wären, so die Behauptung, durch die Alliierten nach der Befreiung eingebaut worden.
- 1
Gerd Honsik, Freispruch für Hitler? 37 ungehörte Zeugen wider die Gaskammer, hrsg. v. Burgenländischen Kulturverband, Wien 1988, S. 165–172; Udo Walendy, Nicht nur in Dachau wurden „Gaskammern“ nach Kriegsende gebaut!, in: Historische Tatsachen 43 (1990), S. 26–31.
- 2
„Habe meine Pflicht getan“, in: Deutsche National-Zeitung (DNZ), 10.1.2003; Gerhart Schirmer, Ehrenbuch – zutiefst beeindruckend, in: DNZ, 13.12.1985; „Woran glauben Sie?“, in: DNZ, 7.12.1984;
- 3
„Weiter Wirbel um Deutsche Volksunion – Liste D“, in: DNZ, 10.4.1987.
- 4
Gerhart Schirmer, Vergasungs-Anlage gebaut, in: DNZ, 24.9.1982
- 5
tagesspiegel.de/berlin/unverstandnis-in-der-gedenkstatte-sachsenhausen-berliner-gericht-stellt-volksverhetzungs-verfahren-ein-10143715.html