„Eigentum verblödet“ – Rechtslibertäre Vernetzung in Regensburg
Kaum beachtet wird ein mit der (extremen) Rechten verknüpftes Netzwerk, welches im Juli 2025 das „Afuera!-Fest“ im „Schloss Pürkelgut“ in Regensburg organisierte. Hier wird ein Rechtslibertarianismus vertreten, in dem sich Anhänger*innen des sogenannten Anarcho-Kapitalismus wiederfinden.
Dr. Dr. Rainer Zitelmann erklärt (mit Kettensäge) die Frage: Wie erreichen wir als Libertäre & klassisch Liberale mehr Menschen.
In den letzten Monaten erhielt das Phänomen der neonazistischen Jugendbanden und der extrem rechten Jugendkultur, sowie die anhaltende Debatte um die Verfassungsfeindlichkeit der AfD viel mediale Aufmerksamkeit. Daneben existiert ein mit der (extremen) Rechten verknüpftes Lager, welches hierzulande noch zu wenig thematisiert wird. Es handelt sich um den Rechtslibertarianismus, innerhalb dessen sich Anhänger*innen des sogenannten Anarcho-Kapitalismus wiederfinden.
Im historisch von Sozialstaat, Korporatismus und ambivalenter Obrigkeitshörigkeit geprägten deutschsprachigen Raum gab es für rechtslibertäre Ambitionen tatsächlich wenige Anknüpfungspunkte. Doch befördern etwa die Regierung Javier Mileis in Argentinien und der superreiche Tech-Industrielle Elon Musk aktuell den Einfluss dieser Kapitalismus-Hooligans.
Als Indikator für die stärkere Vernetzung, ideologische Schärfung und die damit einhergehende zunehmende Aggressivität der Rechtslibertären kann ihr „Afuera!-Fest“ gelten. Es fand vom 11. bis 13. Juli 2025 beim Veranstaltungsort „Schloss Pürkelgut“ in Regensburg statt. Der Titel ist Mileis Wahlkampfslogan entlehnt und meint etwa „Hinaus!“ (mit ihnen). Damit gemeint ist die Entlassung von tausenden Staatsbeamten als Sparmaßnahme zur vermeintlichen Effizienzsteigerung, wie sie auch vom nicht-gewählten Gremium „DOGE“ in den USA am Beginn von Donald Trumps zweiter Präsidentschaft durchgeführt wurde.
Eigentümlich anti-sozial
Die wesentliche Grundlage der Ideologie des Rechtslibertarianismus bildet die Fetischisierung des Privateigentums. Dieser Vorstellung nach bemisst sich der Wert eines Menschen allein an seinem Besitz, der damit verbundenen Verfügung über die Arbeitskraft anderer und seiner vergüteten Arbeitsleistung.
Strukturelle Herrschaftsverhältnisse – ob Kapitalismus, Patriarchat oder weiße Vorherrschaft – werden gleichermaßen verschleiert wie aggressiv gerechtfertigt. Daraus ergeben sich folgerichtig sozialchauvinistische, sexistische und rassistische Einstellungen unter den Anhänger_innen dieser Strömung, die sie genüsslich zur Schau stellen. Mit herrschaftlicher Arroganz betreiben sie Täter-Opfer-Verkehrungen, mit der die privilegierte Position weißer, westlicher, besitzender Männer gerechtfertigt und bestätigt wird.
Diese Haltung bildet die Schnittstelle zu anderen Strömungen der (extremen) Rechten. Das entkoppelte wirtschaftsliberale Verständnis ist an den sogenannten bürgerlichen Mittelstand anschlussfähig, dem sich vermutlich auch viele der Teilnehmenden der Veranstaltung zugehörig fühlen. Im rechtslibertären Lager gibt es die Strömung des „Paläolibertarismus“, in der entfesselter Kapitalismus mit ultra-konservativen Wertvorstellungen verbunden wird. Dieser gehören etwa der Großinvestor Peter Thiel an. Davon unterscheiden sich die sogenannten Anarcho-Kapitalisten, welche auf vermeintliche Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit setzen, die sie freilich an Eigentum und Privilegien koppeln. Beide Richtungen schließen sich nicht aus, sondern befinden sich in einer kontinuierlichen Diskussion um die Rolle des Staats, Fluchtpunkte und Strategien. Der Begriff Anarcho-Kapitalismus wurde 1973 von Murray Rothbard geprägt. Der erklärte Demokratiefeind Hans-Hermann Hoppe entfaltete ihn weiter. Und der ehemalige Anarchist Stefan Blankertz exportierte diese Ideologie ab 1988 in den deutschsprachigen Raum.
Eigentum verblödet
Bei der verkürzten Staatskritik der Anarcho-Kapitalisten handelt es sich nicht um Herrschaftskritik. Letztendlich zielt sie darauf ab, alle Funktionen des bürgerlichen Nationalstaates zu privatisieren, ob sie sich auf Sicherheit, Rechtsprechung, Gesundheit, Bildung oder Verkehrswesen beziehen. Sowohl in neu gegründeten Privatstädten – für die Titus Gebel weltweit Milliardenbeträge einwirbt – als auch in bereits vorhandenen Refugien für ökonomisch herrschende Eliten, werden letztendlich auch politische Rechte und Freiheiten direkt vom Geldbeutel abhängig gemacht.
Dementsprechend kreisen sich die Bestrebungen der Rechtslibertären krampfhaft um Steuervermeidung. In Verkehrung des Satzes von Pierre-Joseph Proudhon „Eigentum ist Diebstahl“ bezeichnen sie Steuern als „Raub“. Kryptowährungen werden von den Rechtslibertären offensiv gefördert, da sie eine neuartige Möglichkeit darstellen, um sich staatlichen Regulierungen zu entziehen.
Wie erwähnt wollen sie ihre Utopie in Privatstädten konkretisieren. Sie fordern die vollständige Abschaffung des Sozialstaates, sowie aller staatlicher Regulierungen hinsichtlich Arbeitsrecht & Arbeitsschutz, Mindestlohn, Mietpreisbremsen, Umweltschutz, Verbraucherschutz, Menschenrechte usw. Stattdessen streben sie die Privatisierung aller öffentlicher Infrastrukturen und die Selbstbestimmung der Besitzenden an. Die absolute Meinungsfreiheit gilt aufgrund der strukturellen Diskriminierung ebenfalls nur für Privilegierte, während ihre Gegner niedergeschrien werden. Zudem verlangen sie die Legalisierung von Waffenbesitz, Drogen und Prostitution.
Eine schrecklich sozialchauvinistische Familie
Das Fest selbst wurde von geschätzt 300 Teilnehmenden besucht. Den Fotos nach zu urteilen gab das Event ein eher trauriges Bild ab. Wohl darum wurde es von nahestehenden youtube-Kanälen vorher und nachher aufgebauscht.
Beides sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anwesenden durchaus Einfluss ausüben. Darunter findet sich Akteure aus dem Kreis der Hayek-Stiftung, die Zeitschrift „eigentümlich frei“ oder der rechts-konservative Netzwerker Dr. Dr. Rainer Zitelmann. Der "Pickup-Artist" Maximilian Pütz und der „Männerrechtler“ Oliver Flesch waren geladen. Ebenso der Gold-Händler Markus Krall, welcher wie der Arzt Paul Brandenburg oder der Journalist Aron Morhoff Verschwörungsmythen verbreitet. Es kamen der Wirtschaftsprofessor Philipp Bagus, der als intellektueller Sidekick von Milei gilt und dessen internationaler Vertreter Iván Dubois. Als Bitcoin-Investment-Experte wird Alex von Frankenberg vorgestellt, während Christoph Heuermann Wohlhabende zu „Steuervermeidung“ berät.
Die 2022 gegründete anarcho-kapitalistische Partei „Die Libertären“ präsentierte sich als Initiator des Fests. Doch auch weitere Parteien spielen in diesem Lager eine Rolle. Der erwähnte Krall ist im „Bündnis Deutschland“ aktiv. Für die AfD war der EU-Abgeordnete Petr Bystron vor Ort. Ambitioniert zeigt sich ferner das von Frauke Petry Anfang 2025 neu gegründete „Team Freiheit“. Hinzu kommt die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, die im Wesentlichen Lobbyarbeit für Kryptowährungen betreibt.
Die Parteiform mag von den Rechtslibertären gewählt werden, um damit verbundene steuerliche und rechtliche Vorteile sowie Legitimität in Anspruch nehmen zu können.
Verschiebungen im Lager der (extremen) Rechten
Zugleich wird aber eine Bewegung im extrem rechten Parteiengefüge deutlich, die sich etwa auch im Bruch zwischen Trump und Musk in den USA zeigt. Die Rechtslibertären unterscheiden sich klar von der völkischen Strömung der extremen Rechten. Letztere beziehen sich auf das Konstrukt eines homogenen Volkes, einen „organische Kapitalismus“, setzen auf das imperiale Russland und beschwören eine mythologisierte Vergangenheit. Dagegen stehen die Rechtslibertären für elitäre Einzelpersonen, den entfesselten und beschleunigten Tech-Kapitalismus und beziehen sich positiv auf das US-Kapital. In einer Art Weiterentwicklung des protofaschistischen Futurismus sollen mit hochspekulativen Risiko-Investionen alte Werte und Vorstellungen zerschlagen werden, um in das Zeitalter monopolkapitalistischer Unternehmerherrschaft einzutreten.
Im Zuge der allgemeinen Polarisierung der politischen Landschaft und der zunehmenden Aggressivität politischer Auseinandersetzungen, formiert sich das rechtslibertäre Lager neu. Während der ehemalige FDP-Vorsitzende Christian Lindner im Bundestagswahl noch ankündigte, es gälte „mehr Milei und Musk“ zu wagen, scheinen inzwischen etliche Anhänger dieser Strömung demokratischen Parteien entglitten zu sein und sich neu zu orientieren. „Die Libertären“, „Bündnis Deutschland“ und „Team Freiheit“ beanspruchen jeweils für sich „Parteien neuen Typs“ zu sein. Sie positionieren sich antidemokratisch und betreiben eine populistische Anti-Politik, für die das Label „anarcho-kapitalistisch“ steht.
Festzustellen ist, dass sich das Lager der Rechtslibertären auch im deutschsprachigen Raum neu aufgestellt hat, kohärenter argumentiert und aggressiver auftritt. Ob sich daraus perspektivisch eine Partei formiert, die relevante Stimmenmengen auf sich vereinen kann, oder sie eine Strömung bleiben, welche ihren politischen Einfluss in der AfD geltend macht, ist dabei zweitrangig.