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Kanada: Deutsche Neusiedler auf Cape Breton

Ulli Jentsch
Einleitung

Der deutschen und kanadischen Öffentlichkeit sind die Siedlungspläne selbsternannter „Freidenker“ im Jahr 2020 durch eine Veröffentlichung im SPIEGEL bekannt geworden. Nach einer großen medialen Aufmerksamkeit in Kanada ist es um die Pläne ruhiger geworden. Ein deutscher Emigrant hat allerdings zunehmend Probleme mit der kanadischen Justiz.

Bild: Screenshot: ZDF / Youtube

Frank Eckhardt kennt sich mit autarkem Leben aus, hat aber Ärger mit den Behörden.

Trouble in Paradise

Die Halbinsel Cape Breton an der kanadischen Ostküste in der Provinz Nova Scotia gilt vielen Deutschen, die sich nach Zielen für ihre Emigration umsehen, als Sehnsuchtsort. Eine weite Landschaft, weitgehend naturbelassen und kaum besiedelt, bietet die Aussicht, sich den Traum eines autarken Lebens zu verwirklichen. Diese antimodernen Wunschvorstellungen, denen neben den üblichen Zivilisationsmüden und „Selbstversorgern“ auch zunehmend Gegner*innen der staatlichen Corona-Maßnahmen oder selbst erklärte „Freidenker“ anhängen, werden durch rechte Geschäftsleute gezielt befeuert.

Auf beiden Seiten des Atlantiks wird die Region für ihre Schönheit gerühmt. Die Geschäfte mit den deutschsprachigen Interessierten werden unter anderem mit dem „nur“ sechsstündigen Direktflug zwischen der nahegelegenen Stadt Halifax und Frankfurt am Main schmackhaft gemacht und mit den Hinweisen auf den ökonomischen Erfolg der deutsch-kanadischen Einwanderer*innen. Globale Krisen und die Corona-Pandemie haben vor Ort zu stark überhitzten Preisen der wenig oder gar nicht entwickelten Grundstücken geführt. Die Firmen, die im dortigen Grundstückshandel tätig sind, haben ein einträgliches Geschäftsmodell gefunden.

„Wissensmanufaktur“

Zu den eingewanderten Deutschen gehören auch Eva Herman und Andreas Popp, die sich schon seit vielen Jahren an dem Hype um die Flucht aus Europa beteiligen. Durch ihre „Wissensmanufaktur“ berichten sie über Möglichkeiten der Einwanderung und preisen ihre neue Heimat, sowohl auf Vorträgen von Popp in Deutsch­land als auch bei jährlich vier Wochenseminaren in Kanada. Via Youtube-Videos oder über Eva Hermans Telegram-Kanal verbrei­ten sie die bekannten rechten Weltuntergangsszenarien über den kulturellen und politischen Niedergang Deutschlands und Europas. Die "Wissensmanufaktur" kooperiert bei den Seminaren vor Ort mit lokalen Immobilienfirmen, zuletzt mit der Cape Breton Real Solutions, um den Beteiligten konkrete Angebote für die Auswanderung zu bieten. Geschäftsführer Jürgen Gindner, ehemals Investmentbanker in Deutschland, beschreibt die deutschsprachige Klientel entsprechend als Hauptzielgruppe. Wie eng die Beziehungen zwischen Wissens­manufaktur und Cape Breton Real Solutions darüber hinaus waren, blieb trotz vieler Nachfragen durch die kanadische Presse unklar.

Die Presseberichte aus Deutschland, wonach eine „Kolonie von Gleichgesinnten“ durch den gezielten Zuzug von rechten bis extrem rechten Deutschen auf Cape Breton entstehen könnte, führte jedoch zu massiver Unruhe und Ablehnung in der kanadischen Provinz. Dortige Medien nahmen die Recherchen auf und wiesen Popp und Herman zum Teil akribisch ihre Kontakte in die (extreme) Rechte in Europa nach. Die kanadisch-deutsche Handelskammer sah das jahrzehntelange gute Bild der eingewanderten Deutschen schwer beschädigt und anonym bleibende Mitglieder der deutschen Community berichteten von ihren Sorgen, dass nun ein brauner „safe haven“ mit Neonazi-Beteiligung entstehen könnte. Der langjährige Veranstaltungsort für die Seminare der "Wissensmanufaktur" kündigte an, für deren Aktivitäten nicht mehr zur Verfügung zu stehen; man befürworte solcherlei Ideologien nicht.

Bereits im September 2020, also nur zwei Monate nach dem SPIEGEL-Bericht, fusionierte die Immobilienfirma Gindners mit der Golden Lake Estates Limited. Diese wiederum gehörte unter anderem Mehrab Mashaghati, der als Kameramann bei der "Wissenschaftsmanufaktur" tätig gewesen war. Auch diese reagierte auf die Welle an Kritik und entfernte Hinweise auf die Seminare von ihrer Webseite. Der Schaden war aber bereits angerichtet. Jedoch offen­bar nur auf der Publicity-Ebene. Die Geschäfte gehen trotz Pandemie-bedingter Schwierigkeiten weiter. So habe die Golden Lake Estate bis November 2021, also in etwas mehr als einem Jahr, weitere 144 Grundstücke verkauft, berichtet die Journalistin Joan Baxter vom Halifax Examiner.

Rechts-libertäre Holocaust-Leugnung?

Einen eigenen und zunehmend großen ­Fokus in der kanadischen Berichterstattung nimmt die Person von Frank Eckhardt ein. Der eingewanderte Finanzfachwirt aus Göttingen lebt mit seiner Familie auf Cape Breton und seine Firma F.E. Property Sales gehört zu den Land­erschließern, die sich auf den deutschsprachigen Markt konzentriert haben. Schon vor mehr als 20 Jahren habe er Beziehungen in seine neue Heimat aufgebaut, berichtet er. Und bereits seit 2010 bewarb Eckhardt „autarkes Leben“ und Selbstversorgung. Dafür hatte er das Netzwerk "Autarke Welt" ins Leben gerufen und führte sogenannte Autarkie-Foren durch.

Den Header der Webseite www.autarkewelt.de zierte eine neuheidnische Irminsul-Darstellung. Trotzdem wurde Eckhardt 2011 in einer ZDF-Sendung über Selbstversorger ausführlich und in entpolitisierter Weise vorgestellt. Heute stellt die Zeitschrift „eigentümlich frei“ ihn als Anhänger der Österreichischen Schule und „Mitglied mehrerer libertärer Zirkel und des Mittelstandsinstituts Niedersachen“ vor. Zuletzt pries Eckhardt in der „eifrei“ sein Modell eines libertären „Eco Village“ auf Cape Breton an: schlüsselfertige Häuschen für Menschen mit „Freiheitsliebe, Begeisterung, Eigeninitiative und Taten­drang“.

Eckhardts professionelle Selbstdarstellung als freundlicher und kompetenter Unternehmer hat indes Risse bekommen. Noch 2016 hatte „eigentümlich frei“ einen Artikel von Henning Kindhoff publiziert, in dem Eckhardt die Vorzüge seines kanadischen Exils unter anderem so beschrieb: „Wirklichen Kontakt mit Amtsträgern habe er [Frank Eckhardt, d.V.] in Nova Scotia bislang nur bei seiner Einwanderung gehabt, bei der Anmeldung seines Kraftfahrzeugs und wenn er Waren aus Deutschland importiert. Rigoroses Vorgehen gar kenne er von den lokalen Behörden nur in Sachen Verkehrskontrollen.“ In dem Artikel des SPIEGEL jedoch wurde ihm vorgeworfen, er habe „deutschen Kunden […] in den Jahren von 2012 bis 2016 (sic!) unaufgefordert E-Mails mit rechtsradikalen Inhalten“ geschickt, darunter Zitate von Holocaust-­Leugnern. Einem Kunden in Kanada habe er gar eine ganze Festplatte mit Material geschickt, das der Reichsbürger-Szene entstammen würde. Die eingeschaltete kanadische Polizei vermerkte, dass Texte auf der Festplatte den Holocaust leugnen würde, so der SPIEGEL.

Im Verlauf des Jahres 2020 gab es mehrere Beschwerden, dass "F.E. Property" überteuertes Land verkaufen würde und weitere Kunden erhielten E-Mails mit Nazi-­Propaganda. In der Folge wurden Werbetafeln der Firma, auf denen in deutscher Sprache für „Neusiedlerberatung“ geworben wurde, mit „Nazi Go Home“ und Hakenkreuzen beschmiert. Im Büro der Firma wurde eine Fensterscheibe zerstört. Eckhardt verglich diesen Vorfall in E-Mails an die berichtende Presse, die er implizit für die Stimmung verantwortlich machte, mit der Judenverfolgung im NS-Regime und nannte es eine „Kristallnacht“.

Ende 2021 eskalierte die Situation weiter, nachdem erneut ein deutsches Auswanderer-Paar Schwierigkeiten mit Eckhardt bekam. Wie die kanadische Polizei berichtete, wurde er wegen angeblicher Erpressung, Bedrohung sowie mehrerer Verstöße gegen die sachgemäße Aufbewahrung und Verwendung von Schußwaffen angezeigt. Im Dezember wurde Frank Eckhardt zwei Mal verhaftet, sein Grundstück durchsucht und elf Schußwaffen, Hunderte Schachteln mit Munition und 130.000 Dollar Bargeld wurden beschlagnahmt. In diesem Frühjahr sollen die Anschuldigungen vor Gericht verhandelt werden. Im Falle der angeblichen Erpressung plädiere Eckhardt auf unschuldig, so sein Anwalt vor Gericht.

Andreas Popp und Eva Herman hatten 2020 bestritten, irgendetwas geschäftlich mit Eckhardt zu tun zu haben. Popp räumte zwar Kontakte ein, die seien jedoch 15 Jahre her, Eva Herman kenne den Mann „überhaupt nicht“, von Siedlungsplänen wüssten sie nichts. Es bedarf aber wahrscheinlich auch keinerlei ausgefeilter ­Pläne, um auf Cape Breton einen sicheren Hafen für „Freidenker“ oder „Selbstversorger“ bereit zu stellen. Die Infrastruktur einer deutschsprachigen Community mit langjährigen Erfahrungen dürfte bei vielen der von der Heimat enttäuschten extrem rechten Deutschen für einen anhaltenden Migrationssog sorgen. Den nicht-rechten Emigrant*innen und der kanadischen Bevölkerung wird dieses Problem wohl leider noch länger erhalten bleiben.