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Silicon Valley: Big Tech goes MAGA

capulcu – ein technologiekritisches Techkollektiv (Gastbeitrag)
Einleitung

Allgemeine KI als reaktionäre Utopie: Transformation zum autokratisch-faschistoiden ‚Fortschrittsprojekt‘. „Die fundamentale Schwäche der westlichen Zivilisation ist die Empathie.“ (Elon Musk)1

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    Elon Musk, 28.2.2025, „The Joe Rogan Experience“ #2281 podcast, youtu.be/sSOxPJD-Vno?si=QE4cIibQ1mr4-vfS&t=4560, ab Zeitstempel 1:16:00

Thiel Musk
(Bild: Screenshot: YouTube/@ZDFDoku)

Die erfolgreiche Gründungsfiguren des Bezahldienstes „Paypal“ Peter Thiel (links) und Elon Musk (rechts).

Das Zusammenwirken von extrem rechten Autokratie-Anhängern und (Neo)Faschisten mit reaktionären Tech-Feudalisten erreicht in den USA ein neues Bewegungsniveau. Die sogenannte Tech-Oligarchie stellt nicht nur Technologien zur Verfügung, die insbesondere extrem rechten Bestrebungen nützlich sind, sondern befeuert aktiv einen breit angelegten rechten Kulturkampf. Ihr radikal anti-demokratisches Technologieversprechen dient dabei als visionäre Fortschrittserzählung, die angesichts einer allgemeinen Utopie-Armut in der Mehrfachkrise mehr und mehr verfängt. 

Dabei finden wir sogar eine zunehmende Enttabuisierung der Einteilung von wertvollem und weniger wertvollem Leben (Eugenik) – sowohl bei den Tech-Protagonisten wie z.B. Elon Musk und Peter Thiel, als auch bei dessen Polit-Zögling, dem aktuellen US-Vizepräsidenten und derzeit wahrscheinlichsten Trump­-Nachfolger James David „JD“ Vance. 

Noch nie hat ein (Tech-)Unternehmer zwischenzeitlich so viel politischen Gestaltungsspielraum erhalten wie Elon Musk. Dabei geht es ihm eindeutig um mehr als nur nachhaltigen Bürokratieabbau und günstige politische Rahmenbedingungen für seine sechs Tech-Fimen. Musk ein rein ökonomisches Motiv zu unterstellen, greift zu kurz. Im Gegenteil: Musk verfolgt eine fanatisch extrem rechte politische Agenda, die ihm im Fall von Tesla sogar einen deutlichen Wertverlust einbringt. Hier soll es jedoch nicht um die Person Musk gehen, sondern um die ideologische Rolle der Tech-Industrie als Motor einer politischen Transformation, die auch nach dem Zerwürfnis zwischen Trump und Musk weiter Relevanz hat.

‚AI first‘ – Umbau und administrativer Zugriff

Für das „Department of Government Efficiency“ (DOGE) sind menschliche Expertise und demokratische Prozesse bei der Entscheidungsfindung und deren administrativer Umsetzung reine Störfaktoren. Der einschüchternde und überraschende Coup einer technokratischen „Übernahme“, der eine deutliche Zäsur gegenüber Trumps erster Amtszeit darstellt, bestand darin, dass der weltweit einflussreichste, nicht gewählte Unternehmer Musk Zugang zu den sensiblen Programmen und Daten des Computersystems der US-Bundesregierung und überdies Verfügungsgewalt über die daran „angeschlossenen“ Bundesangestellten erhält. Die DOGE baut brachial um, entlässt Zehntausende und platziert Vertraute an entscheidenden Stellen dieses Verwaltungssystems.

Ohne jegliche Kenntnis der Arbeitsabläufe wird der Behördenapparat mit seinen 2,3 Millionen Bundesmitarbeiter:innen „gestrafft“. Zusammengestrichen ist der wohl treffendere Begriff, angesichts der völlig unzulänglichen Basis, auf der eine künstlich intelligente Workflow-Optimierung ihr Zauberwerk vollbringen soll – eine absolute Farce, wie mehrfach Whistleblower aus dem Inneren des DOGE-Maschinenraums berichten. Es genügte eine innerhalb eines Wochenendes zu erteilende Selbstauskunft der Mitarbeiter:innen, um KI-gestützt herauszufiltern, wer seinen Job zunächst behalten soll.

Eine Tracht Prügel für die Bürokratie“ (Elon Musk)

Der Hintergrund für diesen ‚Staatsstreich‘ ist die Möglichkeit für die DOGE als radikalisierte Speerspitze einer neu-rechten, tech-libertären Bewegung mit zunehmend faschistoiden Zügen, die Verwaltung des Staates langfristig umzubauen und ihn so von innen anzugreifen. Hier soll sich nicht nur die „Dysfunktionalität“ der Behörden manifestieren, sondern gleich die Untauglichkeit der Demokratie gegenüber digitaler Technologie aufgezeigt werden. Das Ziel der langfristigen Tech-Transformation wird offen als „überlegen“ und unausweichlich verkündet: Deregulierung und konsequenter Demokratieabbau. Der von einer Tech-Oligarchie verfasste Code soll (demokratische Prozesse in der) Politik aushebeln und ersetzen.1

Eugenische Irrlichter im Silicon Valley

In seinem Buch „Cyberlibertarianism“2 bezweifelt David Golumbia den liberalen Charakter der Tech-Gründerszene aus dem Silicon Valley und attestiert den Protagonist:innen mit ihrer „kalifornischen Ideologie“ von jeher eine nicht nur staatsfeindliche, sondern offen antidemokratische Gesinnung. 

William Shockley war als Pionier der Computertechnologie maßgeblich verantwortlich für den Boom des Silicon Valleys als bedeutendstem Standort für die IT-Industrie weltweit. Sein Physiknobelpreis 1956 für die Erfindung des Transistors war die Basis für die Hard- und Software-Entwicklung ab den 1960er Jahren. Der Professor für Ingenieurwissenschaften an der Stanford University, der sogar in den wissenschaftlichen Beraterstab des US-Präsidenten berufen wurde, widmete sich – zusätzlich und ganz ohne Qualifikation in den Bereichen Psychologie oder Genetik – der Eugenik. Shockley suchte konkret nach einem Zusammenhang von „Rasse“ und Intelligenz und hielt Menschen mit afroamerikanischen Wurzeln für weniger intelligent als Weiße. „Besorgt um die Zukunft der USA“ forderte er die Subvention von Sterilisationen für Menschen mit einem niedrigeren IQ als 100 und die verstärkte Fortpflanzung intelligenter Personen. Finanziert wurde er bei diesen „Arbeiten“ vom umstrittenen „Pioneer Fund“. Shockley selbst spendete sein Sperma einer „Samenbank für Genies“.

Wer hier frappierende Ähnlichkeiten zur aktuellen pronatalistischen Bewegung der "Neuen Rechten" in den USA und den utopistischen Ideologien wie „Effective Altruism“, „Longtermism“ sowie des Transhumanismus sieht, liegt leider richtig. 

Um die Analogie genauer fassen zu können, benötigen wir eine genauere Differenzierung in der Historie moderner Eugenik: Während die Proto-Eugenik in ihrer ursprünglichen Form auf den Post-Darwinisten Francis Galton (1883) zurückgeht, lässt sich die Geschichte der Modernen Eugenik in zwei Wellen unterscheiden. In der Eugenik der ersten Welle finden wir wiederum zwei verschiedene Ansätze. Die „positive“ Eugenik zielt auf die Verstärkung „erwünschter“ Eigenschaften z.B. durch geförderte Reproduktion in sogenannten „better baby“-­Programmen der USA des frühen 20. Jahrhunderts. „Negative“ Eugenik bremst oder verhindert, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen ihr Erbmaterial an die nächste Generation weiterreichen. Obwohl die Kritik an den rassistischen, klassistischen und in der Regel sexistischen Stigmatisierungen durch die Eugenik ab den 1970er Jahren (an beiden Formen der ersten Welle) zunahm, gibt es aktuell eine Wiederbelebung.

Die pronatalistische Bewegung

Die Pronatalismus-Bewegung, die einen weltweiten Geburtenrückgang als die existenzielle Bedrohung ansieht, erlebt seit Trumps zweiter Amtszeit einen neuen Boom, obwohl sich durchaus politisch widersprüchliche Kräfte unter ihrem Dach vereint haben. Elon Musk sieht in der um 20 Prozent gefallenen Geburtenrate der USA (innerhalb der letzten 20 Jahre) die „bei weitem größte zivilisatorische Bedrohung“.3 „Wenn die Geburtenraten weiter sinken, wird die menschliche Zivilisation untergehen (Elon Musk).“4 

Die Bewegung gewann bereits während der US-Wahl 2024 an Zuspruch, als Kommentare des damaligen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance auftauchten, der führende Demokratinnen als „kinderlose Katzenladys“ diffamierte und diese für das „katastrophale Problem“ der sinkenden Geburtenrate verantwortlich machte. Jetzt in Regierungsverantwortung lesen sich die Bekenntnisse verbal etwas weniger dick aufgetragen, aber sie weisen in die gleiche Richtung. Am 18. Februar 2025 unterzeichnete Trump eine Durchführungsverordnung zur Verbesserung des Zugangs zu In-Vitro-­Fertilisation. Darin wurde auch die Bedeutung der Familiengründung betont und festgelegt, dass die öffentliche Ordnung der amerikanischen Nation Müttern und Vätern mit Kinderwunsch Erleichterungen bieten soll. In der öffentlichen Förderung sollen „Gemeinden mit höheren Heirats- und Geburtenraten als dem nationalen Durchschnitt“ bevorzugt werden. 

Die Pronatalisten haben im März 2025 ihre zweite „Natal Conference“ in Texas abgehalten. Viele von ihnen machen keinen Hehl daraus, dass sie, wenn sie von der Rettung der Zivilisation vor dem Kollaps der Geburtenrate sprechen, eine ganz bestimmte Zivilisation im Sinn haben. Eine prominente „tradwife“ Peachy Keenan5 (Pseudonym) betont, die Bewegung in den eigenen (rechten) Reihen zu halten: „Wir wollen den Natalismus nicht an progressive Feministinnen vermarkten – die Leute, die ihre Fruchtbarkeit ausreizen, sollten idealerweise Menschen sein, die ihre Kinder nicht zu geschlechtsneutralen Pelztieren erziehen, die eines Tages der Antifa beitreten wollen“, sagte sie auf der „Natal Conference“ 2023. 

Elon Musk teilte mehrfach Posts von Jordan Laska (alias „Cremieux“) auf X, der als Rechtsaußen unter den Pronatalisten die neonazistische Theorie des „Great Replacement“ vertritt, nach der Weiße durch Migrant:innen „ersetzt“ würden. Ein haltloser Vorwurf, den J.D. Vance in adaptierter Form einer aktiven Wahlmanipulation durch „eingeschleuste Stimmberechtigte“ gleich mehrfach im Wahlkampf 2024 gegen die demokratische Kandidatin Kamala Harris vorbrachte. 

Es ist mindestens bemerkenswert, dass die wilde Mischung der Pronatalisten als Bündnis rechter Strömungen, nicht unmittelbar auseinanderfliegt. Und doch scheinen alle vereint in ihrer ‚zentralen Bedrohung‘: Die Geburtenrate ist zu niedrig und alles scheint legitim, sie nach eugenischen Gesichtspunkten ‚gezielt‘ nach oben zu bringen.6

Der Spagat zwischen einem konservativ, positiv verklärenden Rückgriff auf Vergangenes bei gleichzeitiger Überhöhung der Großartigkeit einer technologisch kompromisslosen Vision des Zukünftigen erinnert stark an den reaktionären Futurismus. Eine avantgardistische Kunstbewegung prägte eine gesellschaftliche Strömung des beginnenden 20. Jahrhunderts. Der italienische Schriftsteller Filippo Marinetti feierte und forderte in seinem futuristischen Manifest 1909 die Gewaltförmigkeit des Rechts des Stärkeren, das Patriarchat und den ungebremsten technologischen Fortschritt. Demokratische Konventionen galt es zu brechen, wenn sie dem Diktat des Fortschritts im Wege standen. Benito Mussolinis Faschismus profitierte von diesem sozial­darwinistischen Aufbruch der Gesellschaft und dem dadurch möglichen Schub für die Technokratie. Diesen Geist des Futurismus atmet ebenfalls ein Bündel von derzeit wirkmächtigen ‚Ideologien‘ der Tech-­Branche rund um die Entwicklung einer „allgemeinen künstlichen Intelligenz“ (AGI).

„Transhumanism“ – „Effective Altruism“ – „Longtermism“

Der Transhumanismus will die physischen und kognitiven Limitierungen menschlichen Daseins überwinden und nutzt dafür ganz im Sinne der Eugenik zweiter Welle technologische Hilfsmittel. Das können zum einen Methoden aus Robotik und Gentechnologie sein. Das umfasst aber auch die radikale Entwicklung des Menschen hin zu einer überlegenen „posthumanen“ Spezies. Hier hoffen Transhumanisten auf die zukünftige Möglichkeit, menschliches Bewusstsein in eine herbeigesehnte Künstliche Intelligenz ‚hochladen‘ und darin Gedanken, Erfahrungen, Fähigkeiten und Wissen mehren zu können – entkoppelt von den Problemen menschlicher Sterblichkeit und beschränkter menschlicher ‚Rechenleistung‘. 

Die ideologische Strömung des „Effective Altruism“ sieht die Zukunft der Menschheit ebenfalls in ihrer radikalen Weiterentwicklung, aber auch in ihrer zahlenmäßigen Vervielfältigung, um eine wenig trennscharfe Kenngröße – zivilisatorischen „Wert“ (value) anzureichern. Dazu sei es notwendig, dass die Menschheit 

a) wegen der Endlichkeit irdischer Ressourcen das Universum besiedelt und 

b) digitale, virtuelle Welten kreiert – mit derzeit noch unvorstellbar leistungsfähigen Computern, um einer ungleich größeren, digitalen, „posthumanen“ Bevölkerung ‚Raum‘ zu geben, noch deutlich mehr Wissen, Fähigkeiten, Gedanken – also „value“ zu aggregieren. 

Die Fixierung auf eine astronomische Anzahl digitaler Universums-Bewohner:innen erscheint mindestens befremdlich, wird aber von einer Unterart des effektiven Altruismus, dem „Longtermism“ zu einer pseudo­-ethischen, politischen Agenda weiterentwickelt: Wenn die Menschheitsmaxime die Vermehrung von Wissen und Fähigkeiten sein soll und in Zukunft (langfristig) eine um viele Größenordnungen zahlreichere Bevölkerung dazu beitragen wird, dann müssen wir alles dafür tun, dass es diese Zukunft geben kann und unsere eigenen Ansprüche an ein erfülltes Leben zugunsten dieser gesamtheitlich größeren „Wert“-Anhäufung (altruistisch) zurücknehmen. 

Sozio-ökologische Belange eines eingeschränkt irdischen Blicks spielen nur insofern eine Rolle, als dass ein Überleben der Menschheit bis zur Kolonisierung des Weltalls bzw. virtueller Welten gesichert werden muss. Daher ist es nur folgerichtig, die Weltraumfahrt und die Entwicklung einer „Allgemeinen künstlichen Intelligenz“ mit höchster Priorität und unter Einsatz maximaler ökonomischer Mittel gegen alle Widerstände voranzutreiben. „Existenzielle Risiken“, wie z.B. Kriege und Pandemien muss die Menschheit nur zur Sicherung der viel bedeutsameren, überirdischen, fernen Zukunft in den Griff bekommen. Aus der Absicherung einer höher entwickelten Zukunft leiten Longtermisten aber auch eine „Verpflichtung zum Fortschritt“ ab. 

Der allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AGI) kommt hierbei eine Schlüsselfunktion zu. Allein eine Abwägung, ob die Entwicklung von immer größeren Sprachmodellen hin zu einer noch ressourcenintensiveren, ungewissen AGI gesellschaftlich sinnvoll ist, verbiete sich.7 Das klingt ganz schön verrückt, entwickelt allerdings unter den Protagonisten der Tech-Industrie eine Leitbildfunktion, die ähnlich dem Aufbruch des reaktionären Futurismus vor 100 Jahren visionäre Bewegungsenergie in einem breiten, ultrarechten Bündnis freisetzt und die Grundlage bietet für eine selbstbewusste (Re-)Popularisierung einer diskriminierenden Eugenik – nicht erst in einer unbestimmten Zukunft, sondern jetzt. 

Der prominenteste Longtermist ist Elon Musk. Er ist aber nicht der einzige: Auch Sam Altman, Peter Thiel und viele weitere Tech-Milliardäre fördern finanzstark Institute zur Verbreitung dieser techno-utopistischen Visionen. Der entscheidende Punkt: es sind die gleichen Protagonisten, die nun mit Nachdruck für die Erforschung der AGI durch Weiterentwicklung großer Sprachmodelle stehen. Der Hintergrund für das beharrliche Weiterführen des Überbietungswettbewerbs wachsender universeller Sprachmodelle ist die Hoffnung, über die schiere Größe der Modelle einen sprunghaften Anstieg an ‚Intelligenz‘ zu erzielen und damit der AGI einen entscheidenden Schritt näher zu kommen.

Bewegungszentrum und Verstärker

Peter Thiel ist den meisten heute bekannt als Großaktionär und Mitbegründer von Palantir, einem Unternehmen, das Überwachungssoftware für Polizei, Militär und Geheimdienste programmiert. Seit seinem frühen Durchbruch als erfolgreiche Gründungsfigur des Bezahldienstes Paypal stand Thiel für eine rechte, solutionistische Meritokratie: Die erfolgreichsten Ideenträger und ‚Macher‘, sollen ungebremst gesellschaftlich gestalten können – solange sie ‚Lösungen‘ abliefern. Mit seiner wachsenden Einflusssphäre als Tech-Investment-Star entwickelt sich der selbsternannte „Tech-Disruptor“ zunehmend zu einem politisch entfesselten Neoreaktionär, der eine ultrarechte, (pseudo-)intellektuelle Elite organisiert, die aktiv in einen Kulturkampf gegen eine progressiv-liberale Demokratie zieht. Thiel bezog frühzeitig eine damals noch unpopuläre Position im Silicon Valley als er formulierte, Demokratie sei nur eine „Tyrannei der Mehrheit“ und „ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind“. 

Sein Freund und Mitstreiter Curtis Yarvin schrieb als „Mencius Moldbug“ diesbezüglich, dass „Sozialismus und Faschismus eine Mischung aus minderwertigen und katastrophalen Ergebnissen hervorbringen, und zwar aus einem einfachen Grund: Beide haben ihren Ursprung in der Demokratie, einem präkanzerösen Wachstum, das immer mit einer gewissen Bösartigkeit schwanger geht.“8 

Thiel und Yarvin - lange von vielen als bedeutungslose Spinner abgetan - müssen heute als ideologischer Tech-Kern einer ultrarechten, neoreaktionären Bewegung angesehen werden. Beide bauten J.D. Vance als Senator in Ohio auf - zunächst als Gegenkandidat zu Trump. Noch 2016 nannte Vance Trump einen „Idioten“, ein „moralisches Desaster“ und verglich ihn wahlweise mit Hitler oder mit Heroin.9 Heute zählt J.D. Vance zu den einflussreichsten, radikalisierten Bewegungs-Verstärkern. Er gibt sich als neuer politischer Hardliner, beherrscht die offensive Lüge wie auch das ignorante bullshitting und gilt in den US-Medien als Trumps „Bulldogge“. 

Neben den radikalisierten Bewegungsverstärkern gibt es zahlreiche Mitläufer, die wie Mark Zuckerberg die Kulturkampf-Impulse von Trump bereitwillig aufgreifen, ohne bislang als Unterstützer größerer politischer Kampagnen aufgefallen zu sein: Trump ordnet in Behörden, Ministerien und dem Militär die Streichung aller Programme für Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion an. Universitäten und Schulen droht er bei Nichtbeachtung, die öffentliche Förderung zu entziehen. 

Auf die Privatwirtschaft hat er jedoch keinen unmittelbaren Einfluss. Dennoch folgt Zuckerberg in allen Firmen des Meta-Konzerns der Aufforderung und fordert überdies mehr „maskuline Energie“ am Arbeitsplatz. Firmen sollten „die Aggression ein bisschen mehr zelebrieren“ und Gesellschaften sollten nur noch von „Alpha-Männern“ regiert werden.10

Neben zahlreichen US-amerikanischen Unternehmen folgen auch mehrere deutsche Firmen wie z.B. SAP der Aufforderung, um ihr US-Geschäft nicht zu gefährden. Die Kniefälle von Mark Zuckerberg, Jeff Bezos (Amazon) oder Sam Altman (OpenAI) vor Trump deuten darauf hin, dass der Trend zum rechten Tech-Autoritarismus eher die Regel als die Ausnahme im Silicon Valley werden wird.

Konklusion

Die Motivation, große Sprachmodelle in Richtung einer Allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AGI) zu entwickeln, ist eng verknüpft mit transhumanistischen Ideologien aus dem Spektrum der Eugenik (zweiter Welle). Diese basieren, wie auch die ‚Abwertung durch Selektion‘ der Eugenik (erster Welle) auf Ungleichheit und Diskriminierung, nutzen jedoch technologische Methoden zur ‚Aufwertung‘ spezifischer menschlicher Daseinsformen. 

Die Protagonisten dieser abenteuerlichen, technokratischen Zukunftserzählung sind treibender Kern einer breiten, neu-rechten bis faschistoiden Bewegung in den USA, zu der auch die Pronatalisten gehören. Sowohl die (pseudo-)intellektuellen Lenker und Vordenker (wie z.B. Peter Thiel und Curtis Yarvin) als auch deren radikalisierte Resonanzverstärker (z.B. Elon Musk und J.D. Vance) sind reichweitenstarke Trendsetter eines rechtslibertären Kulturkampfes. Unterstützt werden sie von einflussreichen Mitläufern der Tech-Industrie. 

Die technokratische Aufbruchsstimmung, die insbesondere durch den Hype um KI-Sprachmodelle wie ChatGPT und den ‚Staatsstreich‘-artigen Verwaltungsumbau der US-Administration seit Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Trump (und zwischenzeitlich Musk) entstanden ist, erinnert an den reaktionären Futurismus des frühen 20. Jahrhunderts.

Ob der destruktive Angriff von innen durch die Indienstnahme neuester Technologien als Machtinstrument der Zersetzung bereits proto-faschistische Züge erkennen lässt, ist umstritten. Unstrittig hingegen ist, dass diese neu formierte, ultra-rechte Bewegung offensiv eine autoritäre Übernahme im Sinne einer ‚Diktatur der Tech-­Unternehmer‘ anstrebt und sich keineswegs mit einer Rechtsdrift innerhalb des bestehenden Systems begnügen will.11

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    Die US-Regierung durch führende Akteure der Tech-Industrie zu ersetzen, ist keine neu Idee. Bereits 2014 griffen einige irrlichternde Aktivist:innen der Occupy Wallstreet-Bewegung eine Idee des rechten Vordenkers und JD Vance-Mentors Curtis Yarvin („Mencius Moldbug“) auf: Sie forderten die Entlassung aller Regierungsmitarbeiter:innen und ihren Ersatz durch Fachkräfte der Tech-Industrie. Obama sollte abtreten und den Weg frei machen für den neuen „CEO von Amerika“ – den damaligen Google-Chef Eric Schmidt.

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    David Golumbia, 2024, Cyberlibertarianism: The Right-Wing Politics of Digital Technology, University of Minnesota Press, jstor.org/stable/10.5749/jj.14308236

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    people.com/everything-elon-musk-has-said-about-kids-11717120

  • 4

    Elon Musk (@elonmusk): “If birth rates continue to plummet, human civilization will end,” X, 28.4.2024

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    Peachy Keenan, Autorin des rechten Ratgebers „Domestic Extremist: A Practical Guide to Winning the Culture War“ möchte anonym bleiben.

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    Gaby Del Valle, 27.03.2025, Trad Values Meets Tech – The U.S. Right’s Pronatalist Coalition, Pollitical Research Associates, politicalresearch.org/2025/03/27/trad-values-meets-tech#_edn1

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    Marius Turda, 2010. “Race, science, and eugenics in the twentieth century,” In: Alison Bashford and The TESCREAL bundle: Eugenics and the promise of utopia through artificial general intelligence. Philippa Levine (editors). Oxford handbook of the history of eugenics.

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    Peter Thiel – ein einflussreicher ›Außenseiter‹, Vom rechts-libertären Tech-Investor zum nationalistischen Polit-Influencer, 2022, Autonomes Blättchen Nr. 49

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    J.D.Vance, 04.07.2016, The Atlantic, Opioid of the Masses, „Trump is cultural heroin. He makes some feel better for a bit. But he cannot fix what ails them, and one day they’ll realize it.“, theatlantic.com/politics/archive/2016/07/opioid-of-the-masses/489911/

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    independent.co.uk/news/world/americas/elon-musk-trump-harris-high-status-males-4chan-b2606617.html

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    Rainer Mühlhoff, 09.2.2025, Trump und der neue Faschismus – Warum der Griff nach dem Verwaltungsapparat so gefährlich ist, verfassungsblog.de/trump-und-der-neue-faschismus/