Die »Nationale Alternative« (NA) im Wandel
Es war ruhig um die Berliner Neonazi-Partei „Nationale Alternative“ geworden, nachdem sie die Häuser in der Weitlingstraße räumen mußte. Mit sog. Wehrsportübungen, detaillierter Computerlogistik und hohem Finanzaufkommen hatte sie seit Juni 1990 intensiv an ihrer Restrukturierung gearbeitet. Erkenntnisse, die AntifaschistInnen aus Unterlagen der Neonazi-Partei gewinnen konnten, wurden uns zugesandt. Wir wollen sie unseren LeserInnen nicht vorenthalten.
Am 1. Februar 1990 wurde die „Nationale Alternative“ als erste Neonazi Partei in der DDR in Ostberlin gegründet. Sie ist hervorgegangen aus den rechten Schlägerbanden der „Bewegung 30. Januar“ und der „Lichtenberger Front“, die unter Beteiligung von Ingo Haßelbach-Pfannschmidt, Andre Riechert, Frank Lutz und Heiko Baumert in Lichtenberg und den Nachbarbezirken Terror auf der Straße inszenierten und sich selbst als »Führer des deutschen Reiches und Volkes« aufspielten. Bekannter wurden sie, nachdem sie von der zuständigen Bezirksverwaltung das Haus in der Weitlingstraße 1221 als Ersatz für das von ihnen besetzte Haus in der Türschmidtstraße bekamen und es zum Zentrum des Neonazismus, zum »Fanal für ganz Deutschland«, so der derzeit in Österreich inhaftierte Faschist Gottfried Küssel, ausbauen wollten.
Reger Besuchsverkehr von Neonazikadern aus ganz Europa setzte ein. Die Österreichischen Neonazis der Gruppe „Volkstreue außerparlamentarische Opposition“ (VAPO) unter Gottfried Küssel und die „Nationale Liste“ aus Hamburg unter Christian Worch waren dabei für die Logistik und für die ideologische Schulung zuständig2 . Von Bedeutung in dem Zusammenhang hier ist lediglich, daß durch das Kopieren ursprünglich links-alternativer Strukturen und Vorgehensweisen die verantwortlichen Stellen zunächst nicht eingriffen. Die Neonazis gegründete eine Vorfeldorganisation namens WOSAN (Bürgerinitiative Wohnraumsanierung), um den Ausbau zur neonazistischen Zentrale weiter zu unterstützten. Als Vorsitzende der WOSAN wurde Nicole Winkler benannt, die im Vorstand von Haßelbach und Baumert unterstützt wird. Erst antifaschistische Aktivitäten und eine im Juni 1990 durchgeführte Demonstration schränkten den Handlungsspiel raum der Neonazis ein. Dabei waren zwei Dinge wesentlich: Zum einen hatte sich auch im Ostteil Berlins eine handlungsfähige Antifa-Struktur herausgebildet und zwang die Neonaziaktivitäten an die Öffentlichkeit, zum anderen wurde die NA nicht mehr gebraucht: Die „Deutsche Alternative“ (DA) mit ihrem Ableger „Mitteldeutschland“ war im März 1990 in Westberlin gegründet worden. Als Vorsitzende wurden Ray Träger (Dresden) und Ingo Haßelbach gewählt. Die DA ist mittlerweile als offizielle Partei bundesweit angemeldet und die NA hatte damit eine ihrer Funktionen verloren. Das Haus in der Weitlingstraße, das inzwischen leer steht, diente nur noch konspirativen Treffen.
Umstrukturierung
Gleichwohl arbeiteten die Neonazis weiter. Die NA baute sich mit einem neuen Büro in der Berliner Brunnenstraße eine neue Logistik auf. Dabei waren sie auf einen engen Kreis von Mitgliedern angewiesen. Nachdem sie sich allein 1991 von 24 Mitgliedern über Ausschlußverfahren trennten, mehrere Mitglieder auf eigenen Wunsch die Partei verließen oder wie Frank B. als Bundeswehrsoldaten ihre Mitgliedschaft ruhen ließen, besteht der Kern der NA laut von AntifaschistInnen ausgewerteten MitgliederInnen-Daten aus lediglich elf Mitgliedern, die sich in die „Kameradschaft Berlin“ und „Kameradschaft Müncheberg“ aufgeteilt haben.
Die „Kameradschaft Müncheberg“ wurde am 23. März 1992 in Müncheberg gegründet. Spätestens seit dieser Gründung konnten aus den Unterlagen regelmäßige Treffen und intensive Briefkontakte festgestellt werden. Aus den Daten gehen zudem zahlreiche Kontakte zu anderen Organisationen und ein breites Umfeld (bis hin zu 400 Personen) hervor. Bekannt ist, daß verschiedene Funktionäre von der rechten Partei „Die Republikaner“, wie etwa das Ehepaar Peter Boche und Sofia Boche, die NA unterstützten. Zahlreiche Geldmittel flossen der Partei über den Verkauf von Militaria und die Interviews vor der bürgerlichen Presse zu. Diese Geldsummen und die Mitgliedsbeiträge allein aber werden zur Einrichtung des Büros nicht gereicht haben, zumal der damalige stellvertretende Vorsitzende und für Öffentlichkeitsarbeit zuständige André Riechert aus der Partei mit über 15.000.- DM Schulden durch Unterschlagung ausgeschlossen wurde. Die Ausrüstung des Büros mit u.a. Kameras, Diktiergeräten und kombiniertem Fax-/Telefongerät für 2.400.- DM kostete insgesamt ca. 6.600,- DM. Müncheberg muß als starker Stützpunkt eigeschätzt werden. Zudem führen Berlin und Müncheberg gemeinsam regelmäßige Wehrsportlager durch, die z.T. in monatlichen Abständen stattfinden. Seit Februar 1992 wurde sich u.a. auf ein Wehrsportlager im Mai in der Nähe von Hamburg vorbereitet. Zu ihrem im September durchgeführten Lager »Wehrhase« wurde zudem ein umfangreiche Anleitung erstellt.
Berliner Parteifunktionäre
Die NA-Unterlagen belegen die Funktionen bekannter Neonazis als Partei-Funktionäre. Der Neonazi Sven Ruda, geborener Schmidt, trat am 26. Juni 1990 der „Nationalen Alternative“ bei. Er war in der DDR ein Unteroffizier in der NVA, bei der Bundeswehr wurde er zum Feldwebel der Reserve. Noch 1992 hat er an einer Reserveübung teilgenommen. Nach heftigen parteiinternen Auseinandersetzungen ist er aus der NA Berlin wieder ausgetreten und baut derzeit die „Kameradschaft Müncheberg“ auf. In der NA war er Stellvertreter, Geschäftsstellenleiter, Kassenwart der NA-Berlin, sowie Ausbildung- und Schulungsleiter des „NA Kreisverband Müncheberg“. Er ist seit November 1991 Mitglied im „Freundeskreis der NA-Berlin Müncheberg“ (FdNAM) und seit Januar 1992 der „Freien Wählergemeinschaft“, später „Die Nationalen“. Ruda hat den Parteiangaben zufolge die Postvollmacht für alle Bereiche der Post, eine Bankvollmacht für alle Bereiche der Bank und die Generalvollmacht zum Aufbau einer Kameradschaft in Müncheberg. Erwähnenswert ist eine Beitragsermäßigung, wegen dem privaten Bezahlen zahlreicher NA-Berlin Rechnungen.
Der Neonazi Oliver Schweigert trat am 1. Februar 1990 der Neonazi-Partei bei. Seine Funktion in der NA war: Vorstandsvorsitzender des „NA Landesverbandes Berlin“. Schweigert ist seit Mai 1990 Mitglied in der Neonazi-Partei „Deutsche Alternative“ (DA) und seit November 1991 der Wählergemeinschaft »Die Nationalen«.
Der Neonazi Oliver Werner trat am 2. Januar 1991 der NA bei. Seine Funktion in der NA war: Beisitzender Richter des „NA Landesverbandes Berlin“. Erwähnenswert ist eine Beitragsermäßigung wegen dem privaten Bezahlen des NA-Berlin Kopierers. Die Verschickung und Vervielfältigung von neonazistischem Propagandamaterial der NA und befreundeter Organisationen wird durch ihn organisiert. Werner ist dabei der Kontaktmann für Bestellungen.
Müncheberger Parteifunktionäre
Der Neonazi Mike Komrowski hatte 1991 Kontakt zur NA aufgenommen und trat der Partei am 1. April 1992 bei zudem ist er seit Januar 1992 Mitglied in der „Deutschen Volksunion“ (DVU). Seine Funktion in der NA: Vorsitzender des „NA Kreisverband Müncheberg“. Mike Komrowski und Daniel Schünemann sind die verantwortlichen Organisatoren für die regelmäßig stattfindenden Wehrsportgruppenlager in Müncheberg und Umgebung. Daniel Schünemann trat am 1. Mai 1992 der Partei bei, seine Funktion in der NA: Stellvertretender Vorsitzender des „NA Kreisverband Müncheberg“. Bei ihm oder bei Mike K. ist ein stationäres Funkgerät durch Sven Ruda installiert worden.
Ehemalige Parteiaktive
Insgesamt sind 1991 24 Personen aus der NA ausgeschlossen worden, deren Gesamtschulden sich auf 551,- DM beliefen. Zu den ausgeschlossenen Parteiaktiven gehörte der Berliner Neonazi Michael Dräger, der zudem Mitglied in der Neonazi-Partei „Freiheitliche Deutsche Arbeiter Partei“ (FAP) und der „Nationalen Offensive“ gewesen sein soll. Er war seit dem 20. Dezember 1990 Parteimitglied und wurde am 31. Mai 1991 bereits wieder ausgeschlossen.
Edgar Meyer war laut den NA-Daten seit dem 1. Juni 1991 NA-Mitglied und wurde bereits am 16. September 1991 wieder ausgeschlossen. Ein etwas erstaunliche Angabe, die wohlmöglich auf Parteikonflikte zurückgeht. Laut anderer Quellen war Edgar Meyer nämlich beim „2. Parteitag“ der NA im September 1990 zum „Vorsitzenden der Parteikontrollkommission“ gewählt worden.
Andreas Hackmann eigentlich aus Bremen, aber zeitweilig wohnhaft bei Heiko Baumert in Berlin, war offenbar ebenfalls seit dem 1. Juni 1991 NA-Mitglied, gegen ihn wurde ein Ausschlussverfahren wegen parteischädigende m Verhalten eingeleitet und er wurde, wie Edgar Meyer, am 16. September 1991 ausgeschlossen. Auch diese Daten verwundern. Immerhin war Andreas Hackmann laut anderer Quellen 1990 auf dem „2. Parteitag“ als Wahl-Kandidat der NA nominiert worden und trat als Pressesprecher der NA auf.
André Riechert wurde parteiintern mit der „Kennzahl 2“ („Unerwünschte Person") versehen. Riechert war bis zum 1. Juni 1991 NA-Parteimitglied und wurde wegen „Belügen des Vorstandes und sämtlicher Kameraden und Kameradenbetrug“ aus der Partei ausgeschlossen. Dabei war er als stellvertretender Parteivorsitzender ein Gründungsmitglied der Partei und hatte zeitweilig das Amt des Pressesprechers inne, was laut Aktennotiz „ziemlich von sich Eingenommen, Borniert und Arrogant in seiner Art auf die Kameraden wirkte“. Seine Schulden werden auf knackige 15.000 DM festgelegt.
Insgesamt sind elf NA-Mitglieder mit Gesamtschulden von 720,- DM aus der NA ausgetreten.
- 1Die Beamten Göpfert und Füchsel der Kommunalen Wohnungsverwaltung schloßen am 20. April 1990 (!) mit dem Neonazi-Verein "Wosan" einen wohlwollenden Vertrag. Auf Mietansprüche verzichten sie.
- 2Ausführlich kann dies nachgelesen werden in »Drahtzieher im braunen Netz« sowie im Antifaschistischen Infoblatt Nr. 13, Winter 1990/91