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Fußball im Brennpunkt: Der 20. April 1994

Berliner AntifaschistInnen
Einleitung

Am diesjährigen 20. April kommen in Berlin verschiedene Aspekte bundesdeutscher Wirklichkeit wie in einem Brennglas zusammen. Verantwortlich dafür sind der Berliner Senat um Eberhard Diepgen (CDU) und der Fußballverband der Stadt, die sich förmlich um die Austragung des Fußball-Länderspiels Deutschland - England gerissen haben. Das Datum wurde vom Vorstand des Deutschen Fußballbundes beschlossen, er ist verantwortlich für die unsägliche Debatte, ob man ein Fußballspiel am »Hitler Geburtstag« abhalten könne oder nicht. Der Hamburger Senat hatte abgelehnt, da ihm Erkenntnisse über geplante Ausschreitungen vorlagen.

Falsche Zeit, falscher Ort

Der 20. April hat auch für die ImmigrantInnen eine besondere Bedeutung, da in Berlin türkische und kurdische Jugendliche vor fünf Jahren gegen die Bedrohung von Rechts auf die Straße gingen. Dieses Jahr soll bundesweit nach Berlin aufgerufen werden, eine Entscheidung, die schon vor der Bekanntgabe des Länderspiels feststand.

Die Krone der politischen Unsensibilität setzte der Berliner Senat mit seinem Angebot auf, das Olympiastadion (im Nationalsozialismus als Reichssportfeld errichtet) als Austragungsort des Länderspiels zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig im Rahmenprogramm des Länderspiels die Westalliierten zu verabschieden. Alles ist wieder ganz normal oder eben doch nicht so normal, wenn ausschließlich die drei westlichen Armeen ausgerechnet an »Führers Geburtstag« verabschiedet werden. Die Armee, welche die Hauptlast des Krieges gegen Nazideutschland zu tragen hatte, die ehemals sowjetische, soll nicht geladen werden, eine Aussöhnung mit der stärksten Kraft der Anti-Hitler-Koalition ist auch nachträglich nicht erwünscht.

Der Berliner Senat spielt auf der Tastatur des Wahlkampfes im Jahr der »Inneren Sicherheit«. Mit dem Fußballspiel am 20. April wird gerade unter der migrantischen Bevölkerung Angst gesät. Berechtigte Wut oder Überreaktionen, zu denen es in der aufgeputschten Stimmung der Stadt kommen kann, würden den Hardlinern der CDU nutzen, um sich als Vertreter von Recht und Ordnung aufspielen zu können. Bei „normalem“ Auftreten der Polizei, wäre diese Angst vielleicht unbegründet, aber das Verhalten vieler Berliner Polizisten ist in der Erfahrung von zahlreichen MigrantInnen durch rassistische Haltungen und ein provokantes Auftreten geprägt.

Das Hauptanliegen von klassischen Hooligans wird es sein, sich mit den englischen Hooligans zu prügeln. Berliner AntifaschistInnen betrachten die Hooligans in diesem Kontext nicht als politischen Gegner. Wenn sie sich untereinander prügeln, kann man davon halten was man will, aber es stört nicht. Gerade Fußball-Länderspiele ziehen aber auch (Fußball)-Rassisten und rechte Akteure in großer Zahl an, während ihr Einfluß in den meisten Vereinen zurückgegangen ist.  Entscheidender wird sein, angemessene politische Protestformen zu finden, bereit zur Selbstverteidigung zu sein, ohne die Situation zu eskalieren.

Antifaschistische Fußballfans treffen sich bereits, um mit Aktionen gegen Rechts zu mobilisieren. Sie lehnen das Spiel an diesem Tag ab und fordern eine zeitliche Verlegung. Sie, wie auch viele deutsche Antifa-Gruppen, werden sich der Demo der ImmigrantInnen anschließen. Die inhaltliche Ausrichtung wird von ImmigrantInnen-Gruppen mehrerer Städte festgelegt und ist noch nicht abschließend klar. Es soll eine großangelegte Aktion werden, bei der SchülerInnen und LadenbesitzerInnen zum Streik aufgerufen werden sollen. Deshalb soll die Demonstration auch bereits um 14.00 Uhr starten. Achtet auf weitere Ankündigungen.

Nachtrag:

Das „Freundschaftsspiel“, das an "Hitlers Geburtstag" ausgetragen werden sollte, wurde von England abgesagt. Für 50.000 Karten musste die KartenkäuferInnen entschädigt werden. Hamburgs Innensenator Werner Hackmann sagte als erster ab, er rechnete mit einem rechten Aufmarsch und einem „Hooligan Prestigeduell“. Der DFB hielt jedoch an seinem Termin fest. „Der 20. April steht bei uns nicht auf dem Index“, sagte Wolfgang Niersbach, als Pressechef des Verbands und weiter: „80 Prozent der amerikanischen Presse sind in jüdischer Hand. Da werden die Ereignisse in Deutschland seismographisch genau notiert.

Die Begegnung wurde also an Berlin weitergegeben, eine Absage war als Kniefall vor „Extremisten“ gewertet worden. Anfang April kam es zu einem Buttersäureangriff auf die Geschäftsstelle des Berliner Fußball-Verbands, zu dem sich Autonome bekannten. 4.000 Polizisten hielten sich bereit, die von 600 Grenzschutz-Beamten unterstützt werden sollten. Doch dann sagte der englische Fußballverband FA sagte ab: "Wir haben dem DFB jetzt doch nur eine Entscheidung abgenommen, die er selbst hätte treffen müssen."