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Betriebskämpfe bei Pan Am um die Abschiebepraxis in Berlin-Tegel

Einleitung

Im letzten Antifaschistischen Infoblatt (AIB) veröffentlichten wir eine Rede des Betriebsratsvorsitzenden von der Fluggesellschaft „Pan American“ (Pan Am) Helmut B. zu der Verhinderung einer Abschiebeaktion. Ende Februar 1988 berichtete Helmut B. auf einer Veranstaltung in einer Kirche in Berlin-Dahlem, welche Mißhandlungen sie bereits bei den gewaltsamen Abschiebungen miterlebt hatten. Am Flughafen Tegel gibt es einige Beschäftigte, die aus menschlicher Betroffenheit heraus nicht länger bereit sind, Handlanger zu sein und über diese Unmenschlichkeit zu schweigen.

Bild: Ralf Manteufel; airliners.net; wikimedia; GFDL 1.2

Berliner AntirassistInnen freuen sich sehr über die engagierten KollegInnen am Flughafen Tegel, die den Mut haben, aus der Masse herauszutreten und sich weigern, sich für die Abschiebungen benutzen zu lassen. Und dies vor dem Hintergrund des Druckes und der Überwachung durch Teile der alliierten Behörden, die sich am Flughafen Tegel wenig um die üblichen arbeitsrechtliche Grundsätze zu kümmern brauchen.

Zu Beginn seiner Rede auf der Informationsveranstaltung in Berlin-Dahlem stellte sich Helmut B. als Betriebsratsvorsitzender derjenigen Flugfirma vor, über die die allermeisten Abschiebungen aus Westberlin abgewickelt werden. Dies liegt daran, daß PAN AM die Städte anfliegt, die Flugverbindungen in den Nahen und Fernen Osten und nach Afrika haben. "Warum sich die KollegInnen für Abschiebungen hergeben?" war eine der gestellten Fragen. Der Großteil seiner KollegInnen lassen sich noch nach wie vor als Rädchen in der Abschiebemaschinerie mißbrauchen. Der Betriebsratsvorsitzende sieht mehrere Gründe dafür: Die Beschäftigten haben oft die B.Z.-Meinung1 übernommen, nach der AusländerInnen „rausgeschafft“ werden sollten. Sie kennen die Schicksale der Opfer nicht. Andere befürchten arbeitsrechtliche Konsequenzen. Helmut B. und sein Kollege S., der als Flugbegleiter bei „Pan Am“ arbeitet, haben ein dreimonatiges faktisches Berufsverbot bekommen. Dies nachdem sie einem Arzt ermöglicht halten, einen Flüchtling bei der Abschiebung ärztlich zu untersuchen. Dieser Arzt hatte den Flüchtling für transportunfähig erklärt und die Abschiebung mußte damals abgebrochen werden. Die zuständigen alliierten Behörden am Flughafen Tegel (hier Frankreich) revanchierten sich mit Entzug des Passierausweise der beiden Kollegen, die damit auf ihrer Arbeit kalt gestellt wurden.

Beispiele aus Tegel

1. Ein junger Mann, der abgeschoben werden soll „klammert“ sich an das Fahrzeug. Die PolizistInnen bekommen ihn nicht die Treppe herauf. Er wird zurück in den Wagen verfrachtet, wobei unbeobachtet ist was dort geschah. Nach fünf bis sieben Minuten wurde er regungslos ohne jeglichen Widerstand die Treppe hoch geschleppt.

2. Zwei Männer wurden in das Flugzeug verfrachtet. Den Arm verdreht wurden sie hoch getrieben. Der eine hielt sich den Bauch, offensichtlich vor Schmerzen gekrümmt. Im Gesicht blutete er.

3: Ein Flüchtling wird von PolizistInnen geschlagen, er blutet. Mehrmals wird ihm in den Unterleib getreten. Er schreit: „Was tut ihr denn“ und „Hört auf mit dem Schlagen“. Als sich der Betriebsrat Helmut B. dazwischen stellt, meint einer der Polizisten: „Ihr könnt froh sein, daß ihr das Ungeziefer los seid...“ Vor drei Jahren bereits erstatteten die KollegInnen des „Pan Am“ Betriebsrates Strafanzeige wegen eines solchen Übergriffes. Sie traten mit der Strafanzeige nicht namentlich in Erscheinung, sondern hinterlegten ihre Namen als Anzeigende bei einem Notar. Trotzdem waren einige Tage später ihre Namen öffentlich bekannt. Sie bekamen eine Vorladung zur Staatsanwaltschaft. Dort wurden sie mit der Drohung konfrontiert: Wenn ihr die verantwortlichen PolizistInnen nicht eindeutig identifiziert, kommt es zum Gegenverfahren. Dies konnten die Betriebsratsmitglieder natürlich nicht, und so wurde das Verfahren eingestellt.

"Was können die KollegInnen tun?" war eine weitere Frage. Für die am Flughafen Arbeitenden sieht Helmut B. die Möglichkeit, sich zu der unmenschlichen Behandlung von Flüchtlinge zu verhalten. Die KollegInnen können Informationen über anstehende Abschiebungen geben. Sie können menschliche Solidarität praktizieren, um die Auswüchse der politischen Entscheidungen - damit meint Helmut B, die Abschiebepolitik des Senats - zu begrenzen.

Spielraum, sich der Beteiligung an Abschiebungen zu widersetzen, sieht Helmut B. durchaus für seine KollegInnen. Die Firmenleitung hat Weisungen gegeben, die es möglich machen, daß keine Personen abgeschoben werden bei denen die Gefahr besteht, daß sie mißhandelt wurden bzw. noch werden. Abschließend bedankte sich Helmut B. bei den Menschen, die am Flughafen Tegel - manchmal scheinbar aussichtlos - gegen Abschiebungen demonstriert haben. Berliner AntirassistInnen reflektierten dazu: "Dies sollten wir als Anregungen verstehen, die versuchten Blockaden nicht als völlig uneffektiv und sinnlos abzuschreiben. Sicherlich findet der Senat in den allermeisten Fällen doch einen Weg, um die Abschiebungen durchzuführen. Was wir aber schwer abschätzen konnten, war in wie weit unsere Aktionen Diskussionen und Prozesse in der Belegschaft auslösen bzw. unterstützen".

Nachtrag und Ausblick

Am Freitag, dem 4. März, wurde die 42 Jahre alte Pakistanerin Khadija Balium aus Westberlin abgeschoben. Pan Am führte die Abschiebung auf Anweisung des Innensenators Wilhelm Alexander Kewenig (CDU) durch. Ungefähr 100 Menschen, die von der antirassistischen Initiative „Fluchtburg“ mobilisiert worden sind, demonstrierten mit Sprechchören und Flugblättern auf dem Flughafen Tegel vor dem Schalter der „Pan Am“.

In Pakistan droht Khadija Balium nach islamischen Recht der Tod, weil sie von ihrem Ehemann wegen „Ehebruchs“ verstoßen wurde. Obwohl ihr Asylantrag von VertreterInnen aller Abgeordnetenhaus-Fraktionen, der Frauenbeauftragten und der Ausländerbeauftragten unterstützt wurde, fand diese Abschiebung statt, nachdem das Verwaltungsgericht gegen die Pakistanerin entschieden hatte. Von Partei-AktivistInnen der Partei "Die Grünen", die Khadija Balium im Flugzeug begleitet hatten, wurde berichtet, daß sie den Eindruck machte, als stände sie unter Medikamenten/Drogen. Der Abschiebeflug ging über den Frankfurter Flughafen nach Zürich. Auch in Zürich demonstrierten Leute gegen diese Abschiebung. Die Berliner Frauenbeauftragte Carola von Braun (FDP) nannte die Abschiebung einen „exemplarischen Fall“, der zeige, daß AsylbewerberInnen auch dann ein Aufenthaltsrecht bekommen müssen, wenn sie aus frauenspezifischen Gründen verfolgt werden. Khadija hatte in Berlin um Asyl gebeten, weil sie in Pakistan von ihrem Mann und ihrer Familien als „Ehebrecherin“ verstoßen worden war. Solchen Frauen drohe der Tod durch Steinigung. Innensenator Kewenig (CDU) entschied sich für die Abschiebung von Khadija. In seiner Begründung hieß es, daß kein Präzedenzfall geschaffen werden soll, der eine Ausweitung der Anerkennungsgründe auf die geschlechtspezifische Verfogung nach sich ziehen würde.2

  • 1Die Berliner Boulevard-Zeitung B.Z. ist zu den Zeitungen des Axel-Springer-Konzerns zu rechnen und trägt auch deren politische Linie mit.
  • 2Vgl.: taz (die tageszeitung) vom 9. März 1988, "Auch eine Asylantin ist eine Person" von Charlotte Wiedemann.